Süddeutsche Zeitung

Großbritannien:Grenzkontrollen nach dem Brexit

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Die britische Regierung hat erstmals bestätigt, dass es einen reibungslosen Handel mit der EU nicht geben wird.

Von Alexander Mühlauer, London

Die britische Regierung hat die Wirtschaft eindringlich dazu aufgefordert, sich auf Grenzkontrollen nach dem Brexit vorzubereiten. Alle Unternehmen, die Handel mit der EU treiben, müssten sich auf "unvermeidbare" Überprüfungen bei Importen einstellen, sagte der für den Brexit zuständige Minister Michael Gove. Neben Güter- und Lebensmittelkontrollen bedeute dies vor allem einen zusätzlichen Aufwand mit Zollerklärungen und Sicherheitszertifikaten, die dann vorzuweisen seien. Die betroffenen Firmen müssten akzeptieren, dass es gerade am Anfang keinen reibungslosen Handel geben werde, sagte Gove bei einer Veranstaltung in London. Das Ziel sei es, spätestens im Jahr 2025 eine sogenannte "smart border" zu haben, also eine Grenze, an der die nötigen Kontrollen möglichst digital und ohne lange Wartezeiten vonstatten gehen können.

Die neuen Vorschriften für Ein- und Ausfuhren sollen vom kommenden Jahr an gelten. Bis dahin läuft noch die im Austrittsabkommen mit der EU vereinbarte Übergangsphase. Solange bleibt das Vereinigte Königreich im Binnenmarkt, für Bürger und Unternehmen ändert sich damit de facto nichts. Goves Einlassungen sind die erste offizielle Bestätigung der britischen Regierung, dass es nach dem Brexit keinen reibungslosen Handel mit der EU geben wird. Bereits am Vorabend des Austrittstages am 31. Januar hatte Gove Vertreter der britischen Wirtschaftsverbände zu sich geladen, um sie auf die bevorstehenden Hindernisse einzuschwören. Dies geschah allerdings hinter verschlossenen Türen. Gove versprach damals, bei den spätestens im März beginnenden Brexit-Verhandlungen mit der EU stets ein offenes Ohr für die Wirtschaft zu haben.

EU-Chefverhandler Michel Barnier warnte die britische Regierung unterdessen vor falschen Vorstellungen im Bereich der Finanzdienstleistungen. Großbritannien solle sich in dieser Frage "keinen Illusionen hingeben", sagte der Franzose am Dienstag im Europaparlament. Es werde nach dem Ende der Übergangsphase "keine generelle, umfassende und dauerhafte Äquivalenz" geben können. Beim Äquivalenzprinzip geht es darum, dass britische Finanzinstitute auch ohne den sogenannten EU-Pass Geschäfte in der Europäischen Union machen können - und umgekehrt. Die Voraussetzung dafür wäre, dass beide Seiten gegenseitig ihre jeweiligen Regeln anerkennen. Der britische Finanzminister Sajid Javid hatte zuvor erklärt, Großbritannien strebe mit Blick auf den Finanzsektor eine dauerhafte Beziehung mit der EU an, die "auf Jahrzehnte" angelegt sei. Dabei gehe es auch im Interesse der Finanzindustrie um einen "verlässlichen Äquivalenz-Prozess".

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SZ vom 12.02.2020
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