Großbritannien:Fremd im eigenen Land

Einst sollte dieses Gesetz nur genug Geld eintreiben, um den Krieg gegen Napoleon zu finanzieren. Doch noch immer nutzen Hunderte Briten ein kurioses Steuer-Schlupfloch.

Von Björn Finke

William Pitt, der Jüngere, ist schuld. Das Vereinigte Königreich kämpft gegen Napoleon und braucht Geld, also führt der Premier neue Steuern auf das Einkommen ein. Zugleich erlässt er eine Ausnahmeregel, um Briten, die Plantagen in Kolonien besitzen, vor unbotmäßig hohen Lasten zu schützen: Einkommen, das außerhalb Großbritanniens erzielt wird, fällt nicht unter die Steuer. Das war 1799.

Die Zeiten haben sich geändert; statt Napoleon regiert der eher wenig Furcht einflößende François Hollande auf der anderen Seite des Ärmelkanals. Doch William Pitts Ausnahmeregel existiert weiter - und erfreut reiche Ausländer, die in Großbritannien leben. Etwa Oligarchen wie Roman Abramowitsch. Oder den indischen Stahlbaron Lakshmi Mittal. Oder den irischen Popbarden Bob Geldof. Sie alle genießen den attraktiven Steuerstatus eines "non-domiciled individual", eines Bewohners der Insel, der sein Domizil aber irgendwie auch woanders hat. Neue Zahlen zeigen, dass als "Non-doms" sogar 800 Bürger gelten, die in Großbritannien geboren wurden.

Während gewöhnliche Einwohner des Landes ihre weltweiten Einkünfte in Großbritannien versteuern müssen, zahlen Non-doms Steuern nur auf Einkommen, das im Königreich erzielt oder dahin überwiesen wurde. Ausländische Einkünfte interessieren Her Majesty's Revenue and Customs, also den Fiskus, nicht. Die Regel ist hoch umstritten; die Forderung der Labour-Opposition, das Schlupfloch zu schließen, stieß vor den Parlamentswahlen Anfang Mai in Umfragen auf große Zustimmung. Labour verlor den Urnengang gleichwohl.

Wirtschaftsverbände und die regierenden Konservativen warnen, dass eine Abschaffung der Regel Fachkräfte und reiche Ausländer vergraulen würde. Das wäre teuer, denn die 116 000 Non-doms zahlen auf ihr rein britisches Einkommen immer noch Milliarden an Abgaben. Die meisten Non-doms sind Ausländer. Solange sie weniger als sieben Jahre im Königreich leben, brauchen sie Einkommen aus der Fremde nicht versteuern. Wer länger bleibt, kann dieses Privileg trotzdem behalten - wenn er eine jährliche Gebühr von 42 000 Euro zahlt. Wer mehr als 17 Jahre im Land ist, den kostet sein Non-dom-Status 126 000 Euro per anno. Ein Schnäppchen für all jene, die im Ausland viele Millionen verdienen.

Doch auch Briten können Non-doms werden. Ist ihr Vater oder Großvater im Ausland geboren, können sie angeben, irgendwann in das Land ihrer Vorväter zurückkehren zu wollen - das macht sie zu Non-doms. Mit Müttern funktioniert das kurioserweise nicht. Briten, die lange in der Fremde gearbeitet haben, können ebenfalls über eine späte Rückkehr sinnieren und erhalten damit den begehrten Status. So verfährt etwa Stuart Gulliver, Chef der Londoner Großbank HSBC, der 23 Jahre lang in Hongkong lebte.

Dem Fiskus zufolge genießen dieses Steuerprivileg insgesamt 800 Bürger, die im Königreich geboren wurden. Der konservative Parlamentarier Richard Bacon sagt, diese Bevorzugung mancher Briten gegenüber anderen Briten sei "nicht sehr englisch". Die Regierung will das Gesetz trotzdem nicht ändern. Seit 1799 hat es schon so manche Angriffe unbeschadet überstanden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: