Großbritannien:Aldi klingelt an der Haustür

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  • Ausgerechnet Discount-Pionier Aldi bereitet im Vereinigten Königreich wohl den Einstieg in den Online-Handel vor.
  • Großbritannien bietet sich als Testmarkt an, weil es für viele Briten inzwischen normal ist, Supermarkt-Einkäufe im Internet zu erledigen.

Von Björn Finke, London

Enge Gänge, lieblos aufeinandergestapelte Dosen, kaltes Licht: Einkaufen in einem Discount-Supermarkt ist keine sehr anheimelnde Erfahrung. Doch für die Briten könnte sich das bald ändern. Sie können ihre Wochenend-Besorgungen dann auf dem Sofa mit dem Tablet in der Hand erledigen. Denn ausgerechnet Discount-Pionier Aldi bereitet im Vereinigten Königreich offenbar den Einstieg in den Online-Handel vor. Käufer könnten dann Choceur-Schokolade und Grandessa-Marmelade, Äpfel und Rinderhack im Internet ordern und bekämen alles an die Haustür geliefert.

Es wäre der erste Versuch des deutschen Billigheimers mit Online-Handel in Europa. In Australien betreibt Aldi bereits einen Webshop für Bier, Wein und Schnaps. Kommt der Schritt gut an bei den Briten, könnten andere Märkte folgen. Etwa Deutschland. Das würde ordentlich Bewegung in die Branche bringen.

Kein "unmittelbarer Fokus"

Über die Pläne von Aldi - genauer: Aldi Süd - im Königreich berichtete die Lebensmittel-Zeitung. Eine Sprecherin der britischen Tochter bestätigt, dass sich das Unternehmen mit dem Thema beschäftige, sagt aber, es stehe gerade nicht im "unmittelbaren Fokus" der Kette. Großbritannien bietet sich als Testmarkt an, weil es für viele Untertanen Ihrer Majestät inzwischen normal ist, Supermarkt-Einkäufe im Internet zu erledigen. Sämtliche großen Ketten offerieren das.

Insgesamt entfallen fünf Prozent der Branchenumsätze in dem Land auf den Online-Handel, ermittelten die Marktforscher von Kantar Worldpanel - deutlich mehr als in anderen europäischen Staaten. In Deutschland sind es den Londoner Experten zufolge weniger als ein Prozent.

Hier investiert vor allem Rewe ins Internet-Geschäft. Konzern-Chef Alain Caparros erwartet dort zwar nicht so bald Gewinn, will sich aber gegen "Amazon Fresh" wappnen. Unter diesem Namen will der US-Internethändler demnächst in Deutschland frisches Obst und Gemüse und alles andere liefern, was der Bundesbürger so in der Küche braucht. Schon heute können Kunden über Amazon lange haltbare Vorräte wie Konserven, Gewürze oder Kaffee kaufen.

Aldi-Markt in London: Die deutsche Kette wächst. (Foto: Matthew Lloyd/Bloomberg)

Der Discounter Lidl vertreibt ebenfalls ausschließlich Haltbares im Web. Bei Bringmeister, dem Lieferdienst von Kaiser's Tengelmann, gibt es dagegen genau wie bei Rewe auch frische Produkte. Aldi verzichtet bislang auf eine Online-Filiale.

In Großbritannien bieten im Moment weder Lidl noch Aldi Shoppen per Mausklick an. Und das, obwohl das Webgeschäft immer wichtiger wird: Dessen Wert soll sich bis 2019 verdoppeln. Dass Supermarkt-Einkäufe im Netz in Großbritannien alltäglich und in Deutschland exotisch sind, hängt auch mit der Sparfreude der Bundesbürger zusammen. Discounter sind hierzulande sehr mächtig, weswegen die Supermärkte harte Preiskämpfe ausfechten. Und bei niedrigen Preisen bleibt wenig Spielraum für die Händler, einen Lieferdienst zu finanzieren.

In Großbritannien haben Discounter bisher vergleichsweise wenig Marktanteile erobert. Doch die deutschen Angreifer Aldi und Lidl wachsen rasant und nehmen etablierten Anbietern wie Tesco, Asda, Morrisons und Sainsbury's Kunden ab. Sollte Aldi in den Internethandel einsteigen, würden die Invasoren eine neue Front eröffnen. Beunruhigende Aussichten für die britischen Supermarkt-Ketten.

© SZ vom 21.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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