Alle jagen nach Scheinen und Münzen. Alle? Nein, für Kreditkartenunternehmen sind sie so etwas wie das absolute Böse: "Den Teufelskreis des Bargelds durchbrechen" steht über einem Slide der Präsentation, mit der Visa ganz eigennützig auf das Problem der Schwarzarbeit aufmerksam machen will. Das Unternehmen hat in Zusammenarbeit mit der Uni Linz die Schattenwirtschaft in Europa untersucht.
Für Deutschland kommt die Studie auf ein Volumen von 350 Milliarden Euro. Steuern und Abgaben auf diese Summe werden dem Staat vorenthalten. Die größte Wirtschaft des Kontinents verfügt demnach auch über die größte Schattenwirtschaft. Sie entspricht 13 Prozent der Wirtschaftsleistung. Acht Millionen Menschen im Land arbeiten demnach schwarz.
Schuld soll vor allem sein, dass die Deutschen gern physisches Geld im Portemonnaie tragen. Sie sind immer noch kein Volk der Kartenbenutzer. Im Einzelhandel zahlen sie der Studie zufolge 60 Prozent ihrer Ausgaben in bar. Der "Schlüssel" - wohl um die Tür zur Schwarzarbeit zuzusperren - ist den Autoren zufolge natürlich der Ausbau "bargeldloser Zahlungssysteme".
Auch wenn Visas eigenes Motiv klar sein dürfte: Die Zahlen des Unternehmens decken sich in etwa mit denen anderer Forscher. Allerdings nimmt die Schwarzarbeit nicht zu - im Gegenteil. "Seit drei Jahren sinkt die Schwarzarbeit, weil es der Wirtschaft gutgeht", sagt Friedrich Schneider von der Universität Linz. Der Ökonom erforscht die Schattenwirtschaft seit Langem und hat an der Visa-Studie mitgearbeitet. Den Höchststand von 370 Milliarden Euro hatte die deutsche Schattenwirtschaft Schneiders Zahlen zufolge 2003 erreicht.
Unternehmen und Arbeitnehmer setzen auf Schwarzarbeit, dadurch entstehen zwei Drittel des Schadens. Für das weitere Drittel ist verantwortlich, dass viele zu geringe Einkommen und Erträge ausweisen.
Die beliebtesten Orte, um illegal Geld zu verdienen, bleiben Baustellen. Die Schattenwirtschaft im Baugewerbe ist ein Drittel so groß wie die gesamte Größe des Sektors. Danach folgen Groß- und Einzelhandel mit 17 Prozent und Gastronomie mit 15 Prozent.
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Absolut ist die deutsche Schattenwirtschaft die größte in Europa. Sieht man sich nur ihren Anteil an der gesamten Wirtschaft an, steht das Land vergleichsweise gut da. In der Schweiz, Österreich, den Niederlanden, Großbritannien und Frankreich liegt ein kleinerer Teil der Wirtschaft im Dunkeln. Die höchsten Quoten haben Bulgarien (31 Prozent), Rumänien, Kroatien, Estland und Litauen (je 28 Prozent). Auch in der Türkei, Griechenland und Italien liegt der Anteil bei mehr als 20 Prozent.
Schwarzarbeit hat aber auch positive Effekte auf die Gesellschaft, zum Beispiel "zusätzliche Wertschöpfung". Die Schwarzarbeiter geben ihr illegal verdientes Geld aus und steigern so die Nachfrage. Die Autoren räumen auch ein, dass ein großer Teil der entgangenen Steuern über die Mehrwertsteuer wieder hereinkomme. Außerdem würden Konjunktureinbrüche abgemildert, wenn Menschen auch illegal arbeiten könnten.
Ein bisschen Ideologie haben die Autoren der Studie noch beigemischt: Hohe Sozialabgaben in Deutschland trieben Unternehmen und Arbeitnehmer zu Schwarzarbeit. Eigene Verantwortung, die Finger von Schwarzarbeit zu lassen, verspüren sie nach Ansicht der Autoren wohl nicht. Auch Mindestlöhne üben der Studie zufolge "zusätzlichen Druck auf die legale Beschäftigung" aus. Da frohlockt der Arbeitgeber.
Verfechter des Mindestlohns argumentieren freilich andersherum: Mindestlöhne würden Menschen davon abhalten, mickrige Gehälter mit Schwarzarbeit überhaupt aufbessern zu wollen.