Grillido:Revoluzzer am Grill

Ein junges Unternehmen aus München macht vieles anders. In seiner Wurst steckt deutlich weniger Fett und auch mal Spinat oder Sushi-Ingwer.

Von Elisabeth Dostert

Wer Michael Ziegler, 29, in seinem Büro in der Münchner Innenstadt besucht, muss essen. Die Wurst Popeye zum Beispiel. Sie heißt so wie der US-Comic-Matrose, der seine Muskelpakete dem Verzehr von Spinat verdankt, weil auch in der Bratwurst das grüne Gemüse steckt, außerdem Hähnchenfleisch und Hirtenkäse. Noch ehe Ziegler am Küchentisch Platz nimmt, wirft er die Heißluftfritteuse an und reißt Wurstpakete auf. Grillen, offenes Feuer ist in den Büros nicht erlaubt. "Aus der Fritteuse schmeckten sie fast genauso gut", beteuert Ziegler. Er ist Gründer und Geschäftsführer von Grillido. Er hat die Firma 2015 mit Manuel Stöffler im schwäbischen Deckenpfronn gegründet.

Die Idee, den Wurstmarkt zu revolutionieren, kam den beiden Wirtschaftsingenieuren beim Grillen. Sie treiben viel Sport. Die "gewöhnliche Wurst" war ihnen zu fett und Putensteak auf Dauer zu langweilig. "Die letzte Innovation in der Fleischindustrie war doch die Bratwurstschnecke", sagt Ziegler. Es liegt im Wesen von Revolutionären, dass sie gerne ein wenig übertreiben. In den vergangenen Jahren sind viele neue Produkte auf den Markt gekommen, etwa vegetarische oder vegane Wurst. "95 Prozent der Deutschen mögen immer noch Fleisch", hält Ziegler entgegen. Nach Angaben des deutschen Fleischer-Verbandes verzehrte 2015 jeder Deutsche zum Beispiel 2,7 Kilo Bratwurst.

Wer sich an einen Markt wie den für Wurst wagt, muss Revoluzzer sein. Es gibt große Anbieter wie Tönnies mit Wurstmarken wie Tillman's oder Zur Mühlen, den niederländischen Konzern Vion, Howe, die Firma von Uli Hoeneß, oder den Geflügelverarbeiter PHW mit der Marke Wiesenhof. Und viele kleine wie Meica oder Kupfer. Einige produzieren an einem Tag Millionen Würstchen, so viele wie Grillido im ganzen Jahr 2016 nicht verkauft hat. "Wir sehen uns nicht als Konkurrent", sagt Ziegler: "Wir machen eben vieles anders."

In die Wurst von Ziegler und Stöffler kommt Fleisch von Hähnchen, Rind und Schwein, Gemüse, Käse und Kräuter. Das sind gewöhnliche Zutaten, aber in einer neuen Mischung. Grillido verwendet weniger Fett und mehr Eiweiß. Ganz auf Fett will die Firma nicht verzichten, schließlich sei es ein Geschmacksträger. Mittlerweile gibt es die Bratwürste in mehr als 30 Geschmacksrichtungen, darunter Exoten mit Erdnüssen, Sushi-Ingwer und Kokosnussmilch. Es gibt sogenannte Sport-Würste, eine Art Landjäger mit bis zu 50 Prozent Eiweiß und fünf Prozent Fett. Die verkauft Grillido als Eiweiß-Snacks in Sportstudios, etwa 300 beliefert das Start-up.

Grillido Gründer

Manuel Stöffler und Michael Ziegler (rechts) sind Gründer und Freunde.

(Foto: oh)

Irgendwann piept die Fritteuse. Ziegler serviert die ersten Würstchen, er reicht Salat dazu und zwei Soßen, die Grillido zusammen mit dem Sternekoch Patrick Coudert entwickelt hat. Die Würstchen sehen blass aus. Das liege daran, dass weniger Fett drin stecke und keine Zusatzstoffe. Ziegler hat immer eine Erklärung. In die Wurst komme kein Phosphat und kein Geschmacksverstärker. Auf der Homepage führt Grillido alle Zutaten auf. Weil die Wurst mehr Fleisch enthält und keine Zusatzstoffe sei sie teurer: 5,99 Euro kostet ein Paket mit vier Stück.

Ziegler hat schon einmal mitgegründet, ein Unternehmen für Sensortechnik. Sie wollten die Laufwege von Menschen in Läden nachvollziehen, um das Kaufverhalten zu analysieren. Wenn man das kennt, können Händler ihre Läden besser gestalten. Ziegler lernte, wie wichtig das Timing und das Team sind. Damals stimmte beides nicht. "Wir waren auch zu früh dran mit der Technik." Die Firma gibt es nicht mehr.

"Manu und ich haben schon immer alles zusammengemacht", sagt Ziegler. Er und Stöffler sind viel mehr als Geschäftspartner. Sie sind Freunde,e stammen beide aus Deckenpfronn. Sie wurden im gleichen Jahr und im gleichen Monat geboren - im Dezember 1987. Sie wurden zusammen getauft. Sie spielten im gleichen Sportverein Fußball und lernten gemeinsam Trompete. "Die Freundschaft kommt für mich vor der Firma", so Ziegler.

2015 gründeten die beiden zuerst eine Unternehmergesellschaft. Die UG ist eine Variante der GmbH und bei Gründern beliebt, sie können ihre Haftung beschränken, brauchen aber weniger Kapital. 2016 wandelte sich Grillido in eine GmbH und zog nach München. "Da ging es dann richtig los", sagt Ziegler. Für die Gründung gaben sie ihre angestellten Jobs auf. "Unsere Eltern hätten uns lieber bei BMW und Daimler gesehen." Recht schnell überzeugten sie Investoren wie die Gründer von Flixbus, My Muesli und Immoscout. Mehr als eine halbe Million Euro sammelte Grillido ein. Detailliert will sich Ziegler nicht äußern. Die Mehrheit gehört den Gründern.

Die ersten Würste - "dick und unförmig" - entstanden in der gefliesten Garage von Zieglers Onkel in Deckenpfronn, wo er Wurst für die Bauern aus der Region machte. Der Onkel ist Metzger, genauso wie Stöfflers kleiner Bruder und sein Opa. Mit ihren Erfindungen tingelten die Gründer an Wochenenden auf Weihnachtsmärkte und Dorffeste. "Da haben wir viel über unseren Markt und die Wünsche unserer Kunden gelernt", sagt Ziegler. Das Ergebnis der Feldstudien: Die Wurst kam bei Menschen gut an, die eigentlich keine Wurst essen, bei Sportlern, Frauen und Verbrauchern, die Wert auf eine gesunde und nachhaltige Ernährung legen. "Alle gesellschaftlichen Trends laufen in unsere Richtung."

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Eine Million Würste hat Grillido 2016 verkauft. Die Ware stellen mittlerweile eine Metzgereigenossenschaft aus Stuttgart und der Konradhof aus Oberbayern her, konventionell, aber das Fleisch stammt aus der Region. Die Würste werden über den eigenen Online-Shop verkauft und Grillido ist bei Edeka und Rewe gelistet. Konzerne wie IBM, Roche und Daimler braten die Wurst in ihrer Kantine. Die Sportwürste wollen die Gründer bald auch an Tankstellen und Drogeriemärkte verkaufen. Discounter beliefern sie nicht. "Das wichtigste Learning war Nein zu sagen", sagt Ziegler. Grillido könne noch viel größer werden. Die erste Umsatz-Million hat das Start-up schon geknackt. Auf Monatsbasis mache Grillido mittlerweile Gewinn, berichtet der Gründer.

Er ist zuversichtlich. "Warum soll es in Deutschland keine richtig coole Wurstmarke geben, die für Lifestyle steht?", fragt er. Da geht es um mehr als das reine Produkt, es geht um die ganze Geschichte, die Revolution. Die muss Grillido vermarkten, denn so eine Wurst lässt sich leicht nachmachen, aber ihre Geschichte kann kein Konkurrent erzählen. Manchmal fühle sich das Geschäft schon nach Marke und Lifestyle an, wenn Kunden anrufen, sagt Ziegler. "Die fragen nicht, wo bleibt meine Wurst, die fragen, wo bleiben meine Grillidos."

Mit dem Gipfelstürmer-Wettbewerb zeichnet der SZ-Wirtschaftsgipfel am 19. November deutsche Gründer aus. Die Serie begleitet den Wettbewerb. Bewerbungen und weitere Infos unter: www.sz-wirtschaftsgipfel.de/gipfelstuermer.

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