Griechisches Geldinstitut:Proton - ein Fall von Selbstbedienung

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Billige Kredite? Bitte schön! Die griechische Bank Proton gewährte vielen Kunden Kredite mit sehr niedrigen Zinsen, weswegen nun die Staatsanwaltschaft ermittelt. Das Problem: Das Geld stammte nicht von ihr, sondern aus den Hilfspaketen und von der Europäischen Zentralbank.

Klaus Ott und Christiane Schlötzer

Es war noch sommerlich heiß in Athen, da musste sich ein leitender Angestellter der griechischen Privatbank Proton vor der Staatsanwaltschaft für merkwürdige Geschäfte rechtfertigen. Und der Mann verstand die Welt nicht mehr. Die Athener Strafverfolger nahmen ihm und einigen seiner Kollegen aus den Chefetagen übel, dass ihre Bank ausgewählten Kunden leichtfertig Kredite in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro gewährt hatte - Kredite, die wahrscheinlich nie zurückgezahlt werden. Denn das Geld ist wohl weg. Der wegen Betrugs und anderer Delikte beschuldigte Proton-Manager aber fragte die Staatsanwaltschaft, was diese denn an der ganzen Sache überhaupt störe?

Der Hauptsitz der Proton-Bank in Athen. (Foto: picture alliance / dpa)

Man habe sich doch nicht bei Proton und insofern nicht im eigenen Land bedient, sondern lediglich "billiges europäisches Geld genommen". Die verlorenen Millionen, wegen derer nun ermittelt werde, stammten von der Europäischen Zentralbank (EZB). Dort habe sich die Proton-Bank das Geld zum Niedrigst-Zinssatz von einem Prozent besorgt und gleich weitergereicht.

So steht es in einer Stellungnahme, die der Proton-Angestellte über seinen Anwalt bei den Strafverfolgern eingereicht hat. Der EZB-Zinssatz in Höhe von einem Prozent ist darin, damit das auch gleich ins Auge fällt, fett gedruckt. Griechenland habe, lautet sinngemäß der Vorwurf an die lästigen Staatsanwälte, gar keinen Schaden gehabt. Sondern allenfalls Europa. Also wozu die Aufregung.

In den vergangenen Jahren haben viele vermögende Griechen sehr viel Geld beiseitegeschafft, auf Kosten ihres Landes und Europas. Das ist nicht neu. Doch dieser Fall von mutmaßlicher Selbstbedienung ist besonders krass und zieht nun immer weitere Kreise. Die Athener Staatsanwaltschaft hat für den kommenden Dienstag den ehemaligen Präsidenten und Hauptaktionär von Proton, Lavrentis Lavrentiadis, und sechs weitere ehemalige Bank-Manager zur Vernehmung vorgeladen, darunter auch den Mann, der von den billigen EZB-Krediten schwärmte. Die sieben Beschuldigten haben nach Erkenntnissen der Griechischen Zentralbank bei Proton bis zu 700 Millionen Euro verschoben.

Anschließend musste die notleidende Privatbank vom Staat mit fast 900 Millionen Euro gerettet werden. Diese Mittel stammten von der EU und vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Nun soll auch noch die EZB geschädigt worden sein. Es kann gut sein, dass Lavrentiadis und seine ehemaligen Kollegen nach ihrem Verhör am Dienstag nur gegen Kaution wieder freikommen und das Land nicht mehr verlassen dürfen.

Die Causa Proton könnte zu einem der größten Finanzskandale in Griechenland werden. Der in der Chemiebranche groß gewordene Unternehmer Lavrentiadis hatte die Privatbank Ende 2009 übernommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Proton bereits Darlehen an Firmen von Lavrentiadis vergeben, etwa an die Pharma-Gesellschaft Alapis. Doch dieses Kreditvolumen war noch überschaubar gewesen. Und nach dem Willen der Zentralbank, der in den Ermittlungsakten dokumentiert ist, sollte das auch so bleiben. Die Zentralbank verfügte, Proton solle Firmen von Lavrentiadis keine zusätzlichen Mittel gewähren. Das blieb ein frommer Wunsch.

Die Auflagen waren leicht zu umgehen

Einem umfangreichen Untersuchungsbericht der Zentralbank zufolge weitete Proton im Jahr 2010 das Kreditvolumen bei Gesellschaften, die unter "direktem oder indirektem Einfluss" von Lavrentiadis standen, auf 724 Millionen Euro aus. Das machte fast die Hälfte aller von der Privatbank an ihre Kunden vergebenen Darlehen aus. Von den Firmen von Lavrentiadis flossen im selben Jahr aber nur 153 Millionen an Proton zurück.

Unter dem Strich stieg also das Kreditvolumen des eigenen Hauptaktionärs und Hauptkunden um sagenhafte 571 Millionen Euro; entgegen den Vorgaben der Zentralbank. Deren Auflagen waren, so fanden die Ermittler, leicht zu umgehen. Firmen von Lavrentiadis wie Alapis mussten nur auf- und unterteilt werden, und schon kamen die neuen Gesellschaften in den Genuss von frischem Geld.

Ein tolles Geschäftsmodell, das Proton offenbar noch zu retten versuchte, als die Staatsanwaltschaft bereits ermittelte. Die Privatbank hatte vor wenigen Monaten 51 Millionen Euro, die längst ins Ausland abgeflossen waren, schnell wieder zurückgeholt und so die eigenen Konten etwas aufgefüllt. Das sollte offenbar die Ermittler besänftigen und davon abhalten, verdächtige Geldströme zu überprüfen. Der Löwenanteil dieser 51 Millionen Euro wurde über Konten der Deutschen Bank in Singapur zurücktransferiert: mal 23,7 Millionen, mal 9,6 und mal 17,1 Millionen. Die Deutsche Bank hat hie und da mit Proton zusammengearbeitet. Ob man die Transfers aus Singapur auf Geldwäscheverdacht geprüft habe, mag man in der Frankfurter Konzernzentrale nicht sagen. Das falle unter das Bankgeheimnis.

Die Athener Staatsanwaltschaft, die längst nicht immer durchgreift, ließ sich jedenfalls durch die bei Proton zurück ins eigene Land geschafften 51 Millionen Euro nicht bluffen. Schließlich fehlten bei der Privatbank weit größere Beträge, die zum Teil zwischen Firmen in Steuerparadiesen hin- und hergeschoben worden waren und irgendwann offenbar verschwanden. Kann Lavrentiadis nächste Woche bei seiner Vernehmung nicht sagen, wo all das Geld geblieben ist, dann werden ihm wohl auch seine politischen Kontakte in Griechenland und seine geschäftlichen Verbindungen quer durch Europa nicht mehr viel nützen.

Als Verwaltungsratspräsident der von ihm mitgegründeten Lamda-Bank in Liechtenstein ist der Mann aus Athen bereits zurückgetreten. Er wolle, so die Begründung, Lamda "vor möglichen Reputationsschäden schützen". Ein Schuldeingeständnis sei das nicht. Die Liechtensteiner Bank mit dem griechischen L (Lamda) im Namen, was selbstredend für Lavrentis Lavrentiadis steht, ist gerade mal ein Jahr alt. Lamda hatte stolz verkündet, man sei die erste Privatbank in dem Zwergstaat, die dort in der neuen "Weißgeld-Ära" geschaffen wurde. Also zu einer Zeit, zu der Liechtenstein nicht länger darauf setzte, das Schwarzgeld von Steuersündern zu verwalten. "Wir haben keinerlei Altlasten", frohlockte Lamda. Dafür hat die Liechtensteiner Privatbank einen Hauptaktionär, der momentan wenig vorzeigbar ist.

Lavrentiadis gibt sich, als verstünde er nicht, was ihm da widerfährt. Er sei doch unschuldig, lässt er ausrichten. "Die Vorwürfe sind unhaltbar", er kooperiere mit den Behörden und werde die Angelegenheit klären. Einige alte Partner haben sich bereits zurückgezogen. Einer von ihnen hat Lavrentiadis gesagt, er verstehe seinen "alten griechischen Freund Lavrentis" einfach nicht mehr. Es gebe eigentlich keine Basis mehr für gemeinsame Geschäfte.

Ist Lavrentiadis der rasche Erfolg in besseren Zeiten, als Geld in Hellas vermeintlich noch in Hülle und Fülle vorhanden war, zu Kopf gestiegen? Ist der Mann mit dem doppelten Lamda ein Opfer seiner selbst geworden? Einer, der ebenso wie manch früherer Proton-Kollege gar nicht einsehen mag, dass die eigene Bank, das eigene Land und Europa keine Selbstbedienungsläden sind? Der Lamda-Mann wird noch viele Fragen beantworten müssen.

Enge Verbindungen zur Piraeus-Bank

Unterdessen tauchen immer neue Details aus dem Untersuchungsbericht der Griechischen Zentralbank auf. Auch zeitweise enge Verbindungen zwischen der Proton-Bank und der viertgrößten Bank des Landes, der Piraeus-Bank, werfen Fragen auf. Wieder geht es um undurchsichtige Geschäfte über Offshore-Firmen. Lavrentiadis hatte Proton vor zwei Jahren von der Piraeus-Bank erworben.

Im Dezember 2010 gab das Lavrentiadis-Institut schließlich einen Kredit an ein Offshore-Unternehmen, dessen größter institutioneller Investor wiederum die Piraeus-Bank war. Bei diesem Deal musste offenbar alles sehr schnell gehen. Die Notarin verbriefte ihn an Weihnachten, am 24. Dezember. Auch wenn es mal eilt, lohnen sich gute Beziehungen. Griechische Journalisten haben auch den Namen der Notarin enthüllt. Es handelt sich um die Ehefrau eines ehemaligen Ministers der konservativen Partei Nea Dimokratia.

Freunde kann man auf verschiedene Art gewinnen. Lavrentiadis kaufte sich in Griechenland auch ein beachtliches Medienimperium zusammen, mit Beteiligungen an mehreren Zeitungen und Fernseh- und Radiostationen. Mit der Kreditvergabe an die Medienunternehmen verstieß Proton dann, so die Zentralbank in einem Brief an die Bank, sogar gegen die griechische Verfassung. Proton-Bank-Chef Lavrentiadis kam in seinen Blättern aber meist gut weg.

© SZ vom 15.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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