Süddeutsche Zeitung

Griechischer Finanzminister:Varoufakis will kein "business as usual" mehr

  • Der griechische Premier Tsipras und sein Finanzminister Varoufakis werben in Europa für ihr Programm: Tsipras unter anderem bei Kommissionschef Juncker in Brüssel, Varoufakis bei EZB-Chef Draghi in Frankfurt.
  • Griechenlands neue Regierung will das Sparpogramm neu verhandeln und nicht mehr mit der Troika in ihrer derzeitigen Form zusammenarbeiten.
  • Eine Einigung ist dringend nötig, weil Ende Februar das Hilfsprogramm ausläuft.

Premierminister Tsipras in Brüssel

Ein Handschlag, Küsschen auf die Wangen und dann will EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Hand des griechischen Premierministers Alexis Tsipras gar nicht mehr loslassen: Tsipras ist heute in Brüssel eingetroffen, um für seinen Kurs in der Schuldenfrage zu werben. Neben Juncker traf er auch EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz.

"Wir sind auf einem gutem Weg, eine brauchbare Vereinbarung zu finden", sagte der linksgerichtete Regierungschef nach einer Unterredung mit Schulz. Ratspräsident Tusk äußerte sich nicht weniger unkonkret: "Unsere Gespräche waren offen", heißt es in einer Pressemitteilung. Man müsse eine Lösung finden, die für alle Mitgliedstaaten akzeptabel sei - Tusk rechne deshalb mit schwierigen Verhandlungen.

Finanzminister Varoufakis in Frankfurt

Auch Finanzminister Yanis Varoufakis ist unterwegs, er kam in Frankfurt mit dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, zusammen. "Ich habe Herrn Draghi dargelegt, dass unsere Regierung unumstößlich davon überzeugt ist, dass es kein business as usual in Griechenland mehr geben kann", sagte Varoufakis im Anschluss an das Gespräch. "Das gilt auch für das (EU-)Programm, dass die Krise in unserem Land befeuert und eine schwere humanitäre Krise verursacht hat." Das Gespräch habe ihm Hoffnung gegeben und sei fruchtbar gewesen, sagte Varoufakis, ohne näher auf Inhalte oder Ergebnisse einzugehen.

Er habe keinen Zweifel, dass die Diskussionen mit den europäischen Partnern sowie mit dem Internationalen Währungsfonds (IFW) und der EZB bald abgeschlossen werden könnten. Draghi äußerte sich zunächst nicht. Am Donnerstag wird Varoufakis auf den Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble treffen.

Was die griechische Regierung fordert

Mit ihrer Tour durch Europa möchte sich die griechische Regierung Unterstützung sichern, denn sie will die bisherigen Spar- und Reformauflagen der internationalen Geldgeber neu verhandeln. Vor allem mit der Ablehnung der Gläubiger-Troika sorgte sie im Vorfeld für Irritationen, von der Forderung nach einem radikalen Schuldenschnitt distanzierte sich Finanzminister Varoufakis wieder. Griechenlands neue Regierung bemüht sich inzwischen um deutlich versöhnlichere Töne: "Es gibt schon zu viele Risse in Europa, um neue entstehen zu lassen", sagte Regierungschef Tsipras noch am Dienstag.

Statt mit Hilfe eines Schuldenschnitts solle die Belastung für Athen über verschiedene Umschuldungsmodelle tragbar gemacht werden, sagte Varoufakis in einem Interview mit der Financial Times. Dazu gehörten ans griechische Wirtschaftswachstum gekoppelte Anleihen (BIP-Bonds) sowie Anleihen mit unbegrenzter Laufzeit. Mit dem IWF laufen dem griechischen Finanzminister zufolge bereits entsprechende Gespräche.

Warum Vertreter der Euro-Zone skeptisch sind

Bei Vertretern der Euro-Zone stößt dieses Modell allerdings auf Skepsis. Sie bezweifeln, dass die EZB bereit wäre, griechische BIP-Bonds oder Anleihen mit unbegrenzter Laufzeit in ihre Bücher zu nehmen. Die Kreditbedingungen, die Griechenland durch den Euro-Rettungsschirm EFSF erhalten habe, könnten kaum noch verbessert werden, hieß es.

Welche Kreditbedingungen Griechenland momentan hat

Die Zinsen für die Kredite der griechischen Regierung liegen sehr niedrig, für bilaterale Kredite galt im vergangenen Jahr ein Zinssatz von 0,58 Prozent. Außerdem haben die öffentlichen Gläubiger, die den Großteil der Kredite tragen, Athen eine längere Laufzeit eingeräumt. So bleibt mehr Zeit, die Schulden zurückzuzahlen (mehr dazu lesen Sie hier). Gläubiger sind der europäische Rettungsschirm EFSF mit 44 Prozent, nationale Regierungen (18 Prozent), der IWF mit zehn Prozent und die Europäische Zentralbank (EZB). Der Rest entfällt auf private Kreditgeber. Momentan liegt der Schuldenstand Griechenlands bei 175 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, das entspricht 315 Milliarden Euro.

Warum eine Einigung drängt

Mit einer Lösung im Schuldenstreit muss sich die griechische Regierung jetzt beeilen, denn Ende Februar läuft das internationale Hilfsprogramm aus. Ohne eine Verlängerung würde Griechenland das Geld fehlen, fällige Schulden zu begleichen.

Üblicherweise vergibt die EZB Geld nur gegen Wertpapiere, denen Ratingagenturen gute Noten geben. Das ist bei Griechenland-Anleihen nicht mehr der Fall. Die EZB macht aber eine Ausnahme, wenn das betroffene Land ein EU-Rettungsprogramm mit harten Reformauflagen durchläuft - so wie Griechenland. Beendet Athen die Teilnahme am Sanierungsprogramm, würde die EZB die Anleihen des Landes nach heutigem Stand nicht mehr als Sicherheit akzeptieren - und auch beim jüngst angekündigten neuen Anleihenkaufprogramm der EZB ginge Athen leer aus. Griechische Banken wären somit von der Versorgung mit Zentralbankgeld abgeschnitten und von der Pleite bedroht.

Finanzminister Varoufakis muss in Frankfurt bei EZB-Präsident Draghi nun für neue Kredite für die griechischen Institute werben. Griechenlands Notenbank unterstützt die Banken mit Krediten, die die EZB aber genehmigen muss.

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