Süddeutsche Zeitung

Griechenlands Sparpläne in der Schuldenkrise:Athener Wunschkonzert

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Griechische Politiker können den EU-Partnern versprechen, was sie wollen - ob die Parteien die Zusagen auch umsetzen, ist völlig unklar. Beide Seiten haben elendige Angst vor der Wahrheit: Das jüngste Sparpaket wird den Staat nicht retten, er braucht eine Entschuldung. Doch es ist bequemer, die EU als Sündenbock zu beschimpfen, als in den Spiegel zu schauen.

Christiane Schlötzer

Was sind schon 300 Millionen Euro im Vergleich zu 130 Milliarden Euro? Lächerlich, könnte man meinen. An dieser Summe wäre beinahe der aktuelle Versuch gescheitert, Griechenland vor der Staatspleite zu retten. Über die 300 Millionen Euro, auf die künftig die Rentner zusätzlich verzichten sollen, haben die Parteien in Athen bis zur Erschöpfung gestritten, so lange, bis der Punkt im Milliardensparpaket erst mal als unerledigt abgehakt wurde. Das Hickhack war hochsymbolisch, zeigt es doch, wie eng das hellenische Rettungskorsett geschneidert ist - und welche Fallen es enthält.

Denn am Ende musste einfach eine Einigung her, weil die EU-Partner und die griechische Regierung elendige Angst vor der Wahrheit haben. Die lautet: Griechenland ist so eigentlich nicht zu retten, weder mit Mini-Mindestlöhnen, noch mit der Kürzung von Gehältern, die so lange eingefroren bleiben sollen, bis das Land seine Arbeitslosenrate wieder von fast 21 auf zehn Prozent gesenkt hat.

Woher sollen die neuen Jobs kommen? Schließlich will derzeit kaum ein größeres Unternehmen in Griechenland investieren, weshalb es auch mit den erneut eingeplanten Privatisierungserlösen kaum etwas werden dürfte. Geringere Löhne heißen aber auch: weniger Steuereinnahmen und weniger Konsum. Und die Kassen der Sozialversicherungen sind sowieso schon weitgehend leer. Das griechische Fass hat keinen Boden.

Das ganze Athener Sparprogramm ist daher ein 15 Seiten langer Wunschzettel, dessen Erfüllung die Regierung zwar schriftlich garantieren kann - wie es die Kreditgeber verlangen. Ob die beteiligten Parteien aber an der Umsetzung noch mitwirken werden, das weiß niemand. Wer nach Neuwahlen im April das Sagen haben wird, ist völlig ungewiss.

Die Krise hat zu einer tiefen Erosion in der griechischen Parteienlandschaft geführt. Die Kräfte an den Rändern - ganz links und ganz rechts - legen stark zu. Sympathiegewinne können die griechischen Retter in Regierungsämtern kaum verbuchen, schließlich haben sie das Land vorher selbst in die Katastrophe geführt.

Das gilt leider auch für die internationalen Kreditgeber. Der Dauerdruck auf Athen hat die Fronten verhärtet. Die EU wird von griechischen Boulevard-Medien inzwischen zum Feindbild hochgeschrieben, nicht wenige Politiker beteiligen sich auch an der Schwarze-Peter-Hatz - weil es bequemer ist, Sündenböcke für die Misere zu finden, als in den Spiegel zu schauen.

Wenn das so weitergeht, und das Land mit immer neuen Daumenschrauben nicht zu retten ist, was dann? Dann bleibt nur ein radikaler Schnitt: der weitgehende Schuldenverzicht der großen privaten Gläubiger, der Banken und Hedgefonds; auch die Europäische Zentralbank müsste einen Teil ihrer Forderungen wohl in den Wind schreiben. Dann bräuchte Griechenland noch einen Marshall-Plan. All das ist teuer, und Erfolge werden sich nicht über Nacht einstellen. Aber wirkliche Alternativen dazu gibt es auch nicht mehr.

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Quelle:
SZ vom 10.02.2012
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