Griechenlands private Gläubiger verzichten:Was der Schuldenschnitt leistet

Auch wenn es im täglichen Milliardenjonglieren moderner Politik leicht untergeht: Der Schuldenerlass für Griechenland ist tatsächlich historisch. Noch nie in der Geschichte hat ein Staat seinen Gläubigern so hohe Verluste beschert. Der Schnitt ist zwar gelungen, aber der Schritt hat auch negative Folgen für Europas Regierungen.

Alexander Hagelüken

Wenn Politiker von einem "historischen Moment" sprechen, lohnt sich meist Skepsis. Wenn nun allerdings der griechische Finanzminister den enormen Schuldenerlass für sein Land als historisch feiert, kann man ihm zustimmen.

Greek debt swap

Immer mehr Läden in Athen machen zu.

(Foto: dpa)

Dass der Euro-Staat wirtschaftlich je wieder auf die Beine kommt, ist zwar keinesfalls sicher. Eines aber lässt sich sagen: Ohne Schuldenverzicht hätte die Volkswirtschaft keine Chance. Wenn ein Land weit mehr Verbindlichkeiten drücken als seine Fabriken in einem Jahr erwirtschaften, frisst der Schuldendienst jedes Wachstum - die Kredite schwellen immer mehr an, bis der Staat pleite ist.

Historisch ist der Schuldenerlass auch aus einem weniger positiven Grund, der im täglichen Milliardenjonglieren moderner Politik leicht untergeht: Noch nie in der Geschichte hat ein Staat seinen Gläubigern so hohe Verluste beschert - und Griechenland ist überhaupt das erste EU-Land, das seine Kreditgeber sitzenlässt.

Nun muss man kein Mitleid mit Anleihekäufern haben: Wer in der Hoffnung auf Gewinne investiert, riskiert Verluste - das ist kein Sozialismus, sondern reiner Kapitalismus. Negativ wirkt sich der Schuldenerlass trotzdem aus. Jahrzehntelang konnten sich Europas Regierungen leicht finanzieren, weil Versicherer und andere Institutionen mit vollen Kassen ihre Papiere bedenkenlos kauften. Damit ist es nach dem griechischen Einschnitt vorbei - und das werden die meisten Regierungen spüren, wenn sie Geld für neue Straßen und Schulen leihen wollen. Als erstes traf es angeschlagene Euro-Länder wie Portugal oder Italien, deren Kreditkosten explodierten, bis Europas Zentralbank Hunderte Milliarden Euro in den Markt schleuderte.

Ein Gebot der Gerechtigkeit

Dennoch: So unangenehm die Medizin schmeckt und so gefährlich ihre Nebenwirkungen sind, es gab kein anderes Mittel als den Schuldenerlass. Jetzt sind die Griechen entlastet, und es werden neben den Steuerzahlern auch Banken und Kapitalanleger an der Sanierung des Landes beteiligt - ein Gebot der Gerechtigkeit. Das zweite Hilfspaket der Euro-Staaten verschafft dem Land mehr Zeit, eine moderne Volkswirtschaft zu werden. Die zweifelnden Deutschen könnten in einiger Zeit erleben, dass die teure Rettungspolitik richtig war: Weil Griechenland dadurch stabilisiert wurde und die Währungsunion erhalten blieb, statt zu kollabieren und dabei auch jede Menge deutschen Wohlstand zu pulverisieren.

Ob die Zukunftswette der Griechen-Retter aufgeht, hängt von den Griechen selbst ab. Eine Pleite bleibt möglich. Bei den unverzichtbaren Wirtschaftsreformen hat das Land viel Zeit verplempert. Die bitteren Opfer nähren im Volk Sympathien für einen Blockadekurs, der Griechenland endgültig ins Abseits treiben würde. Gewerkschafter versuchten gerade, die Teilnahme heimischer Pensionsfonds am Schuldenverzicht zu sabotieren - und so die ganze Operation der Regierung. Das lässt Schlimmes befürchten: Wenn die Griechen sich nicht helfen lassen, ist ihnen nicht mehr zu helfen.

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