Griechenlands Hilfsprogramm:EU und Athen wollen Chaos verhindern

Griechenlands Hilfsprogramm: Die EU kann kurzfristig weniger Druck auf Griechenlands Premier Alexis Tsipras (r.) und seinen Finanzminister Yanis Varoufakis machen, als es scheint.

Die EU kann kurzfristig weniger Druck auf Griechenlands Premier Alexis Tsipras (r.) und seinen Finanzminister Yanis Varoufakis machen, als es scheint.

(Foto: AP)
  • Die griechische Regierung und ihre Gläubiger ringen um einen Kompromiss. Erste Eckpunkte dazu sollen am Mittwoch vorgestellt werden.
  • Premier Tsipras hat offenbar zugesagt, 70 Prozent der Reformen umzusetzen.
  • Berlin dürfte es schwerfallen, Druck auf Athen auszuüben. Denn mit dem Auslaufen des Hilfsprogramms wäre das Land nicht sofort pleite.

Von Cerstin Gammelin, Brüssel, und Claus Hulverscheidt, Istanbul

Im Streit zwischen der griechischen Regierung und ihren europäischen Geldgebern bemühen sich beide Seiten fieberhaft um eine Annäherung. Ziel ist es zu verhindern, dass nach dem Auslaufen des bisherigen Hilfspakets Ende Februar Chaos auf den Finanzmärkten ausbricht und erneut die gesamte Währungsunion ins Wanken gerät. Erste Eckpunkte einer möglichen Vereinbarung sollen an diesem Mittwoch bei einem Sondertreffen der Euro-Finanzminister erörtert werden. Eine Einigung wird aber noch nicht erwartet.

Der griechische Premier Alexis Tsipras hatte nach seinem Wahlsieg erklärt, er werde Reformzusagen der Vorgängerregierung ignorieren, die Tilgung von Hilfskrediten aussetzen und die Kontrolleure der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Weltwährungsfonds nicht mehr ins Land lassen. Jüngsten Umfragen zufolge halten 75 Prozent der Griechen diesen Kurs für richtig. Tsipras' Versuche, unter den 19 Euro-Ländern Verbündete zu finden, scheiterte allerdings. In den letzten Tagen gab es jedoch eine ganze Reihe vertraulicher Gespräche mit dem Ziel, die Fronten aufzuweichen.

Dem Vernehmen nach hat Tsipras mittlerweile zugesagt, 70 Prozent aller Reformzusagen zu erfüllen. 30 Prozent lehnt er aus sozialen Gründen ab. Umgekehrt sind auch die Euro-Staaten, einschließlich der Bundesregierung, zu Zugeständnissen bereit, solange Athen prinzipiell auf Kurs bleibt. Sollten etwa geplante Privatisierungen nicht sinnvoll sein, dürften sich die Griechen auch auf anderem Wege Geld beschaffen, etwa durch ein entschlosseneres Vorgehen gegen Steuerbetrug, hieß es in Verhandlungskreisen. Auch könne der Begriff "Hilfsprogramm" durch "neuer Vertrag" ersetzt werden, wenn Tsipras das helfe. Zudem müsse es nicht mehr die verhasste Troika sein, die über die Umsetzung der Reformen wache.

Noch ist "überhaupt nichts entschieden"

Bis ein "neuer Vertrag" steht, könnte es zunächst eine Brückenfinanzierung bis August geben. Unterhändler in Brüssel warnten jedoch vor zu viel Optimismus. Grundlage jeder Vereinbarung sei das bisherige Hilfspaket. Auch gelte weiter das Prinzip, dass es Hilfe nur gegen Reformen gebe. Allerdings steigt nicht nur der Druck auf Griechenland, sondern auch der auf die Partnerstaaten. Vertreter der USA, Großbritanniens und Japans erklärten beim Treffen der Finanzminister der 20 größten Wirtschaftsnationen in Istanbul, der europainterne Streit sei eine schwer wiegende Bedrohung für die gesamte Weltwirtschaft. Finanzminister Wolfgang Schäuble warnte Tsipras davor, aus den bisherigen Verträgen einfach auszusteigen. Sollte er das dennoch tun, "dann ist es eben vorbei", sagte Schäuble in Istanbul. Allerdings hat die Bundesregierung derzeit kaum Mittel, Tsipras auf Kurs zu zwingen. Anders als oft behauptet wird, wäre Griechenland nämlich keineswegs automatisch bankrott, wenn das bisherige Hilfspaket am 28. Februar einfach ausliefe. Da die Athener Regierung - wenn man die Zinsausgaben herausrechnet - derzeit mehr einnimmt, als sie ausgibt, könnte sie womöglich monatelang ohne Hilfe auskommen. Allerdings wäre eine solche Hängepartie für die Euro-Zone enorm riskant.

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