Griechenlandkrise:Die Rückkehr

Erstmals seit drei Jahren könnte sich Griechenland wieder Geld an den Kapitalmärkten besorgen. Es wäre ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Normalität. Aber ist die Zeit dafür schon reif?

Von Thomas Kirchner und Jan Willmroth, Brüssel/Frankfurt

Wenn man den Begriff Rettung ernst nimmt, dann muss eine solche irgendwann enden. Vielleicht kommt der Patient nicht ohne bleibende Schäden davon, aber er überlebt, und auf Rettungsmaßnahmen und Notfallhilfe folgt die Nachsorge. Im Falle Griechenlands aber zieht sich die Rettungspolitik schon mehr als sieben Jahre hin. Mit immer neuen Hilfszahlungen und Kreditzusagen haben die internationalen Gläubiger das Land vor der Pleite bewahrt. Eine Endlos-Rettung als politisches Planspiel. Inzwischen aber zeichnet sich wenigstens ein Anfang vom Ende ab.

Die griechische Regierung bereitet sich in diesen Tagen darauf vor, an die Finanzmärkte zurückzukehren und sich erstmals seit drei Jahren wieder Geld bei privaten Geldgebern zu beschaffen. Das Land braucht ungehinderten Zugang zu Kapital, wenn das dritte Kreditprogramm im August 2018 offiziell ausläuft - und die Regierung muss einen reibungslosen Übergang sicherstellen. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge hat die griechische Schuldenagentur bereits sechs internationale Banken beauftragt, das Interesse von Investoren auszuloten, darunter die Deutsche Bank. Finanzminister Euclid Tsakalotos war schon im Juni in London, um mit Geldgebern zu sprechen. Die Regierung erklärte zuletzt, die Situation an den Anleihemärkten genau zu verfolgen.

Investoren rechnen damit, dass Griechenland mindestens drei Milliarden Euro mittels fünfjähriger Anleihen einsammelt, sobald die Refinanzierungskosten unter fünf Prozent fallen. Davon ist das Land nicht mehr weit entfernt. Die Rückkehr wäre erfolgreich, wenn sich vor allem ausländische Investoren beteiligten und weniger die griechischen Banken. Im aktuellen Marktumfeld gilt ein solcher Erfolg als wahrscheinlich: Papiere mit einer vergleichbaren Rendite sind dermaßen knapp geworden, dass Investoren sich um die Griechenland-Anleihen reißen dürften.

In einem Jahr läuft das Hilfsprogramm für Griechenland aus

Das war vor drei Jahren ähnlich. Damals hatte die frühere griechische Regierung erstmals wieder Anleihen an den Markt gebracht und drei Milliarden Euro eingenommen. Deren Zinssatz lag bei 4,75 Prozent, neun von zehn Investoren kamen aus dem Ausland. Von normalen Finanzierungsbedingungen blieb das Land indes abgeschnitten. "Eine Rückkehr an die Märkte wäre ein wichtiger Schritt in Richtung Normalität", sagte George Handjinicolaou, Aufsichtsratschef der Athener Piräus-Bank. "Die Regierung darf ihre Reformzusagen aber nicht vernachlässigen." Andernfalls könnte ein Comeback sogar schädlich sein, sagte er - denn das Vertrauen in die Regierung ist noch immer wacklig.

Griechenlandkrise: Endlich mal gute Schlagzeilen für Griechenland? Die Bevölkerung bleibt misstrauisch, die Regierung in Athen sieht die Entwicklung positiv. Sie hofft, dass ausländische Investoren Geld für Reformen zur Verfügung stellen.

Endlich mal gute Schlagzeilen für Griechenland? Die Bevölkerung bleibt misstrauisch, die Regierung in Athen sieht die Entwicklung positiv. Sie hofft, dass ausländische Investoren Geld für Reformen zur Verfügung stellen.

(Foto: Louisa Gouliamaki/AFP)

In Brüsseler EU-Kreisen gibt es ähnliche Befürchtungen. Gleichwohl pochen die internationalen Gläubiger darauf, dass Griechenland zügig wieder finanziell auf eigenen Beinen steht. Die Euro-Retter könnten das als Beweis verkaufen, dass ihre Rettungspolitik der vergangenen Jahre erfolgereich war. Außerdem will niemand riskieren, das dritte Hilfsprogramm in Höhe von bis zu 86 Milliarden Euro im kommenden Jahr mit einem vierten abzulösen. Deshalb sollen die Griechen nach dem Wunsch der EU vor dem Ende des dritten Hilfspakets im Sommer 2018 gleich mehrere Anleihen mit verschiedenen Laufzeiten am Markt platzieren.

Der Chef des europäischen Rettungsfonds ESM, Klaus Regling, hatte Griechenland beim jüngsten Finanzministertreffen in Brüssel zu einem ersten Schritt ermutigt. Aus den Erfahrungen von Irland, Zypern oder Portugal, die erfolgreich zurück an die Kapitalmärkte gelangt seien, wisse man, dass man sich rechtzeitig und mit einer guten Strategie an mögliche Investoren wenden müsse. Das Kreditprogramm laufe in etwa einem Jahr aus, also sei jetzt ein guter Zeitpunkt. Es sei wichtig, nicht erst am letzten möglichen Tag mit den Märkten zu kommunizieren, sagte Regling: "Sie wollen wissen, wie es in der Zukunft weitergeht, und natürlich wollen sie sicher sein, dass die Reformen fortgeführt werden." Griechenland werde künftig aber deutlich weniger Geld aufnehmen müssen, weil in absehbarer Zeit keine Defizite mehr finanziert werden müssten.

Nicht wenige in Griechenland hoffen zudem darauf, dass die Europäische Zentralbank (EZB) griechische Staatsanleihen noch in ihr Kaufprogramm aufnimmt. Die Zentralbank kauft mindestens bis Ende des Jahres Anleihen im Wert von 60 Milliarden Euro pro Monat am Markt auf, das ist Teil ihrer expansiven Geldpolitik. Griechenland und Zypern sind derzeit die einzigen Euro-Länder, deren Anleihen von dem Programm ausgeschlossen sind, weil ihre Kreditwürdigkeit zu schlecht bewertet wird.

Griechenlandkrise: SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg

SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg

Damit die Notenbank auch Griechenland-Anleihen kauft, müsste sich das Land erst wieder regulär am Kapitalmarkt verschulden und neue Anleihen in Umlauf bringen. EZB-Präsident Mario Draghi ließ am vergangenen Donnerstag offen, ob er Griechenland-Anleihen noch für das Kaufprogramm in Betracht zieht. Darüber zu sprechen, sei "verfrüht", sagte er. Zunächst sei es an der Regierung, zu entscheiden, ob sie sich an die Anleihemärkte wendet. Der griechische Notenbankchef Yannis Stournaras hatte zuletzt gewarnt, es sei noch zu früh, neue Anleihen zu begeben.

In griechischen Bankenkreisen kursiert dazu noch ein anderes Argument: Warum sollte man die Dinge jetzt überstürzen, wenn die Risikoaufschläge doch weiter sinken? Es stimmt: Nach der jüngsten Zusage der Gläubiger im Juni hat sich die Situation immer weiter stabilisiert. Die Ratingagenturen Moody's und Standard & Poor's haben ihren Ausblick für Griechenland von "stabil" auf "positiv" angehoben. Momentan sieht es danach aus, als könnte der Patient bald die Intensivstation verlassen.

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