Draußen warten die Demonstranten. Vielleicht zehn, zwanzig Männer und Frauen. Junge Menschen. Wütende Menschen. Irgendwann muss Efi Achtsioglou aus ihrem Ministerium herauskommen. Einer aus der Gruppe wirft Flugblätter in die Luft. Wie Herbstlaub schweben sie zu Boden. Er brüllt: "Niemand kann von 400 Euro leben. Nehmt Eure Sparpakete und haut endlich ab." Abhauen? Efi Achtsioglou ist noch lange nicht fertig. Sie zeigt auf ihren Computer. Sie schreibt an einem Gesetzentwurf, jenen Text, der für die Leute draußen mal wieder nichts anderes bedeutet als das nächste Sparpaket.
Wieder müssen die Griechen finanziell bluten. 2019 und 2020 sollen die Renten abermals, dann zum 13. Mal seit Ausbruch der Krise, gekürzt werden. Und für Geringverdiener steigt die Steuerlast. Jetzt kann man sagen, gut, das ist ihr Job. Efi Achtsioglou ist Politikerin, Arbeits- und Sozialministerin. Ihre Regierung unter dem Linkspolitiker Alexis Tsipras hat 2015 mit den internationalen Kreditgebern vereinbart, das hoch verschuldete Land zu sanieren.
Aber das ist eben nicht alles. Sie könnte jetzt auch draußen unter den Demonstranten stehen und würde kaum auffallen. Efi Achtsioglou ist selbst erst 32 Jahre alt. Sie ist die Jüngste in Tsipras' Kabinett. Sie meint dieselbe Zukunft wie die Demonstranten, wenn sie darüber spricht. Sie kämpfen für dieselbe Sache, die Frau drinnen und die Leute draußen. Und doch sind sie zu erbitterten Gegnern geworden.
Niemand zahlt in der Krise einen höheren Preis als die Generation von Efi Achtsioglou. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 50 Prozent. Der Mindestlohn für Berufseinsteiger - vor ein paar Jahren noch bei 700 Euro - ist auf brutto 511 Euro abgerutscht. Wenn heute Jobs entstehen, dann oft auf Mini-Lohn-Niveau von 400 Euro. Das ist die Klage der Demonstranten: Das Geld reicht nicht. Eine halbe Million Griechen haben das Land seit 2008 verlassen, weil sie in ihrer Heimat keine Zukunft mehr sehen.
Efi Achtsioglou hat sich in einen der Sessel vor ihrem Schreibtisch gesetzt und die Beine übereinandergeschlagen. Jung sein als Politikerin - was heißt das? "Für sich allein? Erst einmal nichts", sagt sie. "Aber ich kann sehr gut verstehen, was es bedeutet, heute ein junger Wissenschaftler in Griechenland zu sein. Jemand, der alle Abschlüsse macht und nicht viel Hoffnung hat. Ich kann verstehen, dass die Aussicht auf Arbeitslosigkeit ängstigt, und nachvollziehen, was es bedeutet, mit 30 noch bei den Eltern leben zu müssen, weil das Geld für eine eigene Wohnung nicht reicht."
Trotzdem muss sie weiter Sparpolitik machen. Griechenland steht kurz davor, die nächste Tranche aus dem Rettungspaket, dem mittlerweile dritten, bewilligt zu bekommen. Wie immer war es ein Kampf, bis hierhin zu kommen. Seit Monaten haben Athen und die internationalen Kreditgeber gerungen. Ein neuer Krisensommer schien bevorzustehen, so zäh ging es beim Ringen um die nächste Tranche aus dem 86 Milliarden-Euro-Programm voran. Solang die zusätzlichen Sparmaßnahmen nicht vom Parlament verabschiedet sind, voraussichtlich passiert das in der kommenden Woche, ist die Gefahr auch noch nicht gebannt. Achtsioglou hat ein Gesamtpaket geschnürt. In dem Maße, wie die Regierung Renten kürzt und Steuern erhöht, will sie an anderer Stelle gegensteuern: Zuschüsse für Medikamente geben, fürs Wohnen. Härten abfedern. Zudem steht ein höheres Ziel hinter der Vereinbarung mit den Kreditgebern: Sie mache den Weg frei, über weitere Schuldenerleichterungen zu reden.
Ihre Ernennung zur Ministerin im November vergangenen Jahres war eine große Überraschung. Arbeit, Rente, Soziales - in der Krise ist dies neben Finanzen und der Wirtschaft ein Schlüsselressort. Premier Tsipras vertraute es einer Frau an, die in der Bevölkerung bis dahin kaum einer kannte. Efi Achtsioglou, Juristin und auf Arbeitsrecht spezialisiert, war Büroleiterin des damaligen Ministers Giorgos Katrougalos. Der hatte 2016 eine Rentenreform durchgesetzt. Er versicherte, noch einmal müssten die Bezüge nicht gekürzt werden. Aber diese Aussage war bald überholt. Er ließ sich lieber von Tsipras in ein anderes Ministerium versetzen, als sein Wort zu brechen. Es sah so aus, als würde nur jemand gebraucht, um die Schmutzarbeit zu Ende bringen, eine Vollstreckerin.