Griechenland:Zahltag

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Auf einem Straßenmarkt in Athen suchen Menschen im Müll nach Kleidung. Griechenland steckt in einer tiefen Krise, und die Gläubiger des Landes machen Druck.

(Foto: Angelos Tzortzinis/AFP)

Um eine neue Debatte um den Austritt Griechenlands aus dem Euro zu vermeiden, scheinen Schuldenerleichterungen unumgänglich zu sein.

Von Cerstin Gammelin

Christine Lagarde macht kein Geheimnis daraus, dass sie sich mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble freundschaftlich verbunden fühlt. Als Musikliebhaberin habe sie versprochen, "dass ich mal nach Bayreuth und nach Salzburg gehen werde", sagt die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) im Interview mit Plan W, einem Magazin der Süddeutschen Zeitung. Und: "Wolfgang Schäuble ist übrigens ein sehr enger Freund."

So herzlich ihre private Beziehung zu Schäuble sein mag, so klar zieht Lagarde gerade die rote Linie, die sie als IWF-Chefin nicht übertreten wird, wenn es um die Beteiligung des Fonds am dritten Hilfsprogramm für Griechenland geht, die sich Schäuble und auch Bundeskanzlerin Angele Merkel (beide CDU) wünschen. Die rote Linie ist das Statut des IWF. Lagarde muss sich an die Vorgaben halten, die für die Vergabe jeglicher Hilfskredite gelten und die Poul M. Thomson, der für Europa zuständige IWF-Direktor, für Griechenland so zusammenfasst: "Schlussendlich muss das Hilfsprogramm Reformen und Schuldenerleichterungen so kombinieren, dass wir und die internationale Gemeinschaft eine glaubhafte Versicherung bekommen, dass Griechenland am Ende des Programms ohne weitere Hilfe überleben kann."

Lagarde verfügt nicht über den nötigen Spielraum, um den Europäern entgegenzukommen

Der IWF und die Europäer stehen vor einem Dilemma. Schäuble dringt wie die Europäer darauf, sich mit Griechenland irgendwie in einem vertretbaren Rahmen zu vereinbaren. Sie wollen keine neue Grexit-Debatte, vor allem angesichts des ausstehenden britischen Referendums über den Verbleib in der Europäischen Union und des existenziellen Streits über den Umgang mit den nach Europa drängenden Flüchtlingen. Lagarde verfügt nicht über den nötigen Spielraum, um den Europäern entgegenzukommen.

Im Gegenteil, was IWF-Direktor Thomson sagt, engt den Spielraum Schäubles ein: Dass die Euro-Länder Athen bei der Rückzahlung der Kredite weiter entgegen-kommen sollen und Griechenland parallel das Rentensystem reformieren muss. "Keine Rentenreform allein wird die Schulden erträglich machen ohne Schuldenerleichterung. Umgekehrt wird die Schuldenerleichterung das Rentensystem nicht nachhaltig machen. Wir brauchen beides." Und, sicher, es bestehe "kein Zweifel, dass beide, Griechenland und die Europäer, in den kommenden Monaten schwierige politische Entscheidungen treffen müssen".

Die klaren Positionen des IWF könnten nach Ostern neue Konflikte zwischen den Kreditgebern aufbrechen lassen. Einerseits, weil Schäuble von Schuldenerleichterungen für Griechenland weiter nichts hören will. Dafür gebe es "kein Argument", verteidigte er jüngst seine Linie. Allerdings hat auch Schäuble eingeräumt, dass Athen in einer sehr schwierigen Lage sei. Ein weiterer Konflikt schwelt zwischen den Gläubigern, die sich untereinander nicht einig sind. Europäische Zentralbank und Europäische Kommission wären mit unspezifischen Vorgaben für die Regierung in Athen zufrieden, um den ersten Teil des dritten Hilfsprogramms als abgeschlossen zu den Akten legen zu können. Der IWF schließt das aus. Schließlich gibt es den Konflikt zwischen dem IWF und der griechischen Regierung, die es ohnehin lieber sähe, wenn er außen vor bliebe. Was wiederum nicht geht, weil die Bundesregierung weitere Finanzhilfen an Athen an das Mitmachen des IWF gekoppelt hat - und Schäuble im Bundestag erst um Kredite bitten kann, wenn der IWF dabei ist.

In Athen dreht sich alles um die Frage, wie Griechenland seine Programmziele erreicht

Noch dringen die Konflikte nicht nach außen. Die Kreditgeber haben ihre Teams nach Athen geschickt, um zu prüfen, ob die Reformen und Sparvorgaben des dritten Programms umgesetzt werden. Wie lange das dauern wird, ist offen. Klaus Regling, Chef des Euro-Rettungsfonds ESM, sagte am Freitag in der NZZ, es sei "noch zu früh, um zu sagen, wann genau die Prüfung zum Abschluss kommen wird". Er räumte ein, "dass die Flüchtlingsthematik die Lage schwieriger gemacht hat. Dieses Problem beansprucht viel Zeit der griechischen Regierung". Andere Gläubiger schließen nicht aus, dass der griechische Haushalt wieder ins Minus gedreht ist.

In Athen geht es um die Frage, wie das Land das Programmziel erreicht, ab 2018 jährlich konstant über mehrere Dekaden 3,5 Prozent Primärüberschuss zu erzielen. Der IWF spricht von einer schwierigen Mission, Direktor Thomson hält diese Vorgabe für "unglaubwürdig", weil Griechenland sich "mit rapider Geschwindigkeit vom Land der niedrigsten zum Land der höchsten Produktivität in der Euro-Zone wandeln müsste". Weshalb es in Washington Gedankenspiele gibt, den zu erreichenden Primärüberschuss auf zwei Prozent oder 1,5 Prozent jährlich abzusenken. Zum Ausgleich müssten die Euro-Länder Athen den Schuldendienst weiter erleichtern.

Nach Ostern, wenn die Teams in Athen ihre Erkenntnisse präsentiert haben, wird der Streit zwischen dem IWF und der Bundesregierung über Schuldenerleichterungen in die finale Runde gehen. Der IWF kalkuliert, dass die Euro-Länder Griechenland für zwanzig bis dreißig Jahre von Zinszahlungen und Tilgung befreien sowie die Kreditlaufzeiten drastisch verlängern sollten. ESM-Chef Regling hält es für machbar, "über eine weitere Verlängerungen der Rückzahlungstermine oder eine weitere Zinsstundung" zu sprechen. Gut möglich, dass im Frühsommer Lagarde und Merkel, die die IWF-Chefin ebenfalls sehr schätzt, im Kanzleramt den politischen Preis aushandeln, den Europa bezahlen muss, um Griechenland zu beruhigen: spürbare Schuldenerleichterungen.

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