Süddeutsche Zeitung

Griechenland:Wo die Milliarden für Griechenland landeten

  • Der größte Teil der Milliardenkredite an Griechenland ging einer Untersuchung zufolge wieder zurück auf die Konten der Gläubiger.
  • Beobachter drängen die griechische Regierung, endlich Strukturreformen anzupacken.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Wo sind eigentlich die mehr als 250 Milliarden Euro geblieben, die die internationalen Kreditgeber seit 2010 nach Griechenland überwiesen haben? Wissenschaftler der ESMT Berlin, einer internationalen Business School, sind der Spur des Geldes nach Athen gefolgt. Das Ergebnis zeigt, dass das meiste Geld praktisch einmal im Kreis überwiesen wurde. Die Gläubiger aus Europa und Washington überwiesen Milliarden nach Athen, mit denen die griechische Regierung fällige Altschulden, etwa bei der Europäischen Zentralbank (EZB) oder beim Internationalen Rettungsfonds (IWF) ablöste.

Auch Schulden bei europäischen Banken und anderen privaten Gläubigern zahlte Griechenland mit den Krediten zurück. Das gab Athen allerdings auch die Möglichkeit, die über Steuern und Abgaben erzielten Einnahmen frei zu verwenden. Weniger als zehn Milliarden Euro der Kredite flossen direkt in den griechischen Staatshaushalt.

ESMT-Präsident Jörg Rocholl sagte, Griechenland werde zu Recht "in vielerlei Hinsicht als gescheiterter Staat" angesehen. Er fordert die Politiker auf, weitere Kreditzahlungen an strikte Auflagen zu knüpfen, um sicherzustellen, dass das Geld wirklich hilft, das Land zu modernisieren.

Griechenland müsse, so Rocholl, über verfassungsrechtliche, organisatorische und politische Reformen moderne Strukturen erhalten, die verhinderten, öffentliche Mittel versickern zu lassen. Eine Hauptursache der Krise sei die Unfähigkeit des griechischen Staates, seinen öffentlichen Haushalt ordnungsgemäß zu verwalten. Überbeschäftigung, Steuerhinterziehung oder auch das Fehlen von Registern für Immobilien und die daraus resultierende Unsicherheit für Investoren führten dazu, dass Griechenland als gescheiterter Staat gelte.

Strukturreformen dringend nötig

Es reiche nicht aus, nur die Neuverschuldung abzusenken, es müssten echte Strukturreformen angepackt werden. Dazu gehören Rocholl zufolge der ungelöste Mangel an öffentlichen Registern für Landbesitz und Immobilien, die verschleppten Privatisierungen und ein ineffizientes Konkursrecht, das Banken davon abhält, ihre Bilanzen von notleidenden Krediten zu bereinigen.

Ein Schuldenschnitt ist nach Ansicht der Wissenschaftler derzeit keine Option. Sie argumentieren, dass zunächst neues Vertrauen aufgebaut werden müsse, das zeige, dass sich alle Seiten an die getroffenen Vereinbarungen hielten.

Die Studie wurde an diesem Mittwoch in Berlin vorgestellt, wenige Tage vor einer Sondersitzung der Euro-Finanzminister zu Griechenland. Das dritte Kreditprogramm ist ins Stocken geraten, weil die Auflagen in Athen mittlerweile als unerfüllbar angesehen werden. Zudem streiten die Gläubiger über weitere Schuldenerleichterungen. Der IWF hält sie für notwendig, die Bundesregierung dagegen nicht.

Am Montag treffen sich die Euro-Finanzminister sowie Vertreter von EZB und IWF, um zu beraten, ob Athen die nächste Tranche aus dem laufenden dritten Kreditprogramm ausgezahlt werden kann. Es umfasst insgesamt 86 Milliarden Euro.

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