Griechenland:Die Risiken des Rettungspakets für Deutschland

Griechenland: Ein beliebtes Souvenir in Griechenland: Geldbörsen in Euroschein-Optik

Ein beliebtes Souvenir in Griechenland: Geldbörsen in Euroschein-Optik

(Foto: AP)
  • Deutschland riskiert, für die Griechenland-Rettung mit vielen Milliarden Euro in Haftung genommen zu werden.
  • Der Euro-Rettungsfonds ESM spielt bei dem neuen Finanzierungspaket für Griechenland eine entscheidende Rolle.

Analyse von Hans von der Hagen

Am Anfang jeder neuen Rettungsaktion in Europa steht eine Zahl. Beim nun geplanten Rettungspaket für Griechenland lautet sie: 86 Milliarden Euro. So viel Geld braucht Griechenland, um weiter im Euro bleiben zu können.

Es gab in der Finanzkrise schon oft solche Zahlen - und bis heute weiß man nicht so recht, was sie für den Einzelnen am Ende bedeuten können. Denn anders als der sogenannte Solidarbeitrag, der auch ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung vom Einkommen jedes Arbeitnehmers einbehalten wird, belangt der Staat die Bürger vorerst nicht für die Rettung der Schuldenstaaten. Wie viel sollte das auch sein? Immerhin zahlt Deutschland vorerst nicht, sondern bürgt in erster Linie nur für die Rückzahlung der Kredite.

So wird es zunächst einmal auch bei dem neuen Rettungspaket für Griechenland sein, für das der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM angezapft werden soll. Doch wie viel von den 86 Milliarden Euro am Ende der ESM bereitstellen wird, ist unklar.

Gut 16 Milliarden Euro könnten vom Internationalen Währungsfonds kommen, weiteres Geld sollen die geplanten Privatisierungen bringen.

40 bis 50 Milliarden Euro vom ESM

Und sofern die Anleger wieder Vertrauen in Griechenland fassen, könnte Athen auch direkt am Kapitalmarkt Darlehen aufnehmen. Vorerst bleibt dieser Weg den Griechen allerdings versperrt. Das spiegelt sich schon in den aktuell hohen Renditen wider, die Anleger zurzeit für griechische Staatspapiere haben wollen: Aktuell liegen diese für zweijährige Anleihen des Landes bei 27 Prozent, für Papiere mit zehnjähriger Laufzeit bei gut 12 Prozent. Mit Zinsen auf diesem Niveau lässt sich kein Staatshaushalt finanzieren.

Wie soll nun kalkuliert werden? In Brüssel heißt es aus EU-Kreisen, dass der ESM am Ende wohl 40 bis 50 Milliarden Euro bereitstellen müsse. Grundsätzlich funktioniert der ESM wie eine Bank: Wenn ein Land Geld braucht, gibt der Fonds Anleihen aus, die am Finanzmarkt zum Beispiel von großen institutionellen Anlegern gekauft werden. Selbst wenn der ESM das Geld an Griechenland weiterleitet, halten Anleger die Papiere für sicher, weil die Länder der Eurozone für die Anleihen bürgen. Die Anleihen des ESM sind sogar derart begehrt, dass die Anleger in den vergangenen Monaten teils leicht negative Zinsen in Kauf nahmen - nur um ihr Geld in ESM-Anleihen zu investieren. Negative Zinsen bedeutet: Die Anleger bekommen am Ende weniger Geld zurück als sie anfangs investiert haben.

Aktuell liegen die Renditen für ESM-Papiere allerdings schon wieder im positiven Bereich - je nach Laufzeit bei 0,4 bis 0,8 Prozent. Der ESM kann sich also noch immer für sehr geringe Zinsen Geld leihen.

Mit 14 Milliarden Euro in der Haftung

Sollte der ESM tatsächlich 50 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, würde die Bundesrepublik für eine Summe von 13,5 Milliarden Euro haften, da Deutschland einen Anteil von 27 Prozent am Stabilisierungsmechanismus hält. Tatsächlich liegt dieser Anteil derzeit etwas höher, da Griechenland und womöglich auch Zypern mangels Kapital nicht haften können. Rechnet man die Anteile beider Länder aus dem ESM heraus, liegt der deutsche Anteil bei 27,8 Prozent, der Haftungsbetrag läge dann bei knapp 14 Milliarden Euro.

Nach Deutschland hält den größten Anteil am ESM Frankreich mit gut 20 Prozent. Es folgen Italien mit rund 18 Prozent und Spanien mit knapp 12 Prozent. Insgesamt hat der ESM ein Volumen von rund 700 Milliarden Euro, wovon allerdings nur ein kleiner Teil - 80 Milliarden Euro - von den Mitgliedsländern tatsächlich einbezahlt wurde. Von den 700 Milliarden Euro darf der ESM 500 Milliarden Euro für Finanzierungen verwenden. Da der ESM bislang nur mit 50 Milliarden Euro in Anspruch genommen wurde, dürfte er das neue Rettungspaket für Griechenland mühelos stemmen können.

Griechenland ist noch nicht alles

14 Milliarden Euro - ist das nun alles? Nein. Deutschland haftet im Rahmen des geplanten Rettungspakets über diese Summe hinaus, weil auch der IWF Kredite zur Verfügung stellt. Anders als beim ESM, bei dem nur die Euro-Mitglieder in der Pflicht sind, haften beim IWF mittlerweile 185 Mitgliedsländer. Der deutsche Anteil liegt da bei 5,81 Prozent. Sollte der IWF wie erwartet rund 16 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, haftet Deutschland für gut 900 Millionen Euro.

Insgesamt müsste Deutschland nach dieser sehr vereinfachten Rechnung notfalls für knapp 15 Milliarden Euro geradestehen.

In dieser Summe sind freilich nicht die Krisen-Kredite aus früheren Jahren enthalten, für die Deutschland ebenfalls haftet. Gemäß einer Aufstellung des Münchner Ifo-Instituts kommen allein für Griechenland 72 Milliarden Euro hinzu, für die übrigen Euro-Staaten Zypern, Spanien, Portugal und Irland sind es weitere 42 Milliarden Euro. Ebenfalls im Risiko ist das Land gemäß der Ifo-Aufstellung für die Käufe von Staatsanleihen durch die Notenbanken, die nochmals mit 35 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Zusammengerechnet liegt das Risiko für Deutschland dann bei 164 Milliarden Euro.

Wahre Kosten sind unklar

Und damit immer noch nicht genug: Das Ifo-Institut ergänzt bei solchen Aufstellungen gerne noch die Summen aus den sogenannten Target-Salden, die durch grenzüberschreitende Überweisungen in der Euro-Zone entstehen. Sie liegen laut Ifo bei 230 Milliarden Euro. Doch Experten sind sich uneins, wie hoch das Risiko aus den Target-Salden tatsächlich ist.

Auch ist unklar, ob die griechische Zentralbank je die Notkredite aus dem ELA-Programm zurückzahlen kann, mit dem die EZB derzeit die Geldversorgung in Griechenland sichert. ELA steht für Emergency Liquidity Assistance. Die Kredite aus diesem Programm summieren sich mittlerweile auf knapp 90 Milliarden Euro, für die formell allein die griechische Notenbank haftet.

Wie auch immer: Die vielen Zahlen belegen, dass Deutschland hohe Risiken eingeht. Sie zeigen aber nicht die wahren Kosten. Überhaupt ist unklar, ob die sich je vernünftig beziffern lassen werden. Ja, es ist nicht einmal sicher, ob Deutschland per Saldo bei der Rettung wirklich draufzahlen wird.

Darum: Am Anfang einer Rettungsaktion stehen große Zahlen. Was sie aber am Ende für Konsequenzen haben, vermag derzeit keiner zu sagen. Womöglich also wird von der ganzen Aufregung am Ende wenig übrig bleiben.

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