Griechenland:Warum Athens Börse abgestürzt ist

  • Am ersten Handelstag nach ihrer Zwangspause bricht die griechische Börse dramatisch ein.
  • Besonders hart trifft es die griechischen Banken.
  • Viele Aktienbesitzer treffen nach der wochenlangen Schließung nun nachträglich Verkaufsentscheidungen.

Analyse von Jakob Schulz

Kurssturz in Athen

Selten dürften die Schlangen an den griechischen Geldautomaten so lang gewesen sein: Im ganzen Land reihten sich am letzten Juniwochenende die Bürger vor Banken und Automaten, um Geld von ihren Konten abzuheben. Was war geschehen? Griechenlands Premier Alexis Tsipras hatte unabgesprochen eine Volksabstimmung über den Sparkurs angesetzt. Die Kreditgeber werteten das als einseitigen Abbruch der Gespräche und zahllose Griechen sorgten sich um ihre Bankguthaben. Allein um den 27. Juni herum hoben die Bürger geschätzt eine Milliarde Euro ab. Die Regierung fürchtete einen Bankrun, den Bankrott der griechischen Banken - und schloss sowohl die Banken als auch die Börse in Athen.

Fünf Wochen später ist die Zwangspause vorbei, an diesem Montag öffnete die Börse wieder. Anleger können handeln und das tun sie auch, mit auf den ersten Blick dramatischen Folgen. Knapp 23 Prozent rauschte allein der griechische Leitindex Athex zum Handelsstart in die Tiefe. Später erholten sich die Kurse etwas, blieben aber im zweistelligen Minus. Am schlimmsten erwischte es die Aktien vieler griechischer Banken: Sie verloren am Vormittag teils sogar knapp ein Drittel an Wert, der Handel mit den Papieren wurde anschließend ausgesetzt. Weitere Verluste in den kommenden Tagen gelten als wahrscheinlich.

Der Einbruch ist hart, doch überraschend ist er nicht. Viele Händler hatten für den Leitindex einen Einbruch von zwanzig Prozent oder mehr prognostiziert. Obgleich die Börse in Athen geschlossen war, konnten Anleger den griechischen Leitindex über den Umweg eines in den USA gehandelten Indexfonds (ETF) kaufen und verkaufen. Der Kurs dieses Fonds gab in den vergangenen Wochen um etwa ein Fünftel nach.

Zwangspause für Anleger

Warum sinken die Kurse nach Wiederaufnahme des Handels derart stark? Anleger reagieren auf Nachrichten aus Unternehmen, der Wirtschaftswelt und der Politik. Aus Athen, Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten gab es in den vergangenen Wochen zahllose Nachrichten, die Anleger üblicherweise zu Käufen oder Verkäufen bewogen hätten. Allein: Viele konnten auf gute oder schlechte Nachrichten nicht reagieren, da der Handel an der Athener Börse ausgesetzt war. Das Ergebnis ist ein großer Nachholbedarf - viele Aktienbesitzer setzen nun nachträglich Kauf- oder Verkaufsentscheidungen um.

Griechische Wirtschaft am Boden

Wie sich an den Aktienkursen ablesen lässt, tendieren die meisten Anleger derzeit zum Verkauf von Anteilen griechischer Unternehmen. Grund dürfte auch die zuletzt immer schlechtere wirtschaftliche Entwicklung in Griechenland sein. Neben der Börse waren auch die Banken wochenlang geschlossen. Kapitalverkehrskontrollen verhinderten zum Beispiel, dass Firmen etwa Geld ins Ausland überweisen konnten, um dringend benötigte Produkte zu importieren. Zehntausende Unternehmen gerieten so in Schwierigkeiten, viele Firmen mussten schließen.

Hinzu kommt, dass die griechische Industrie am Boden liegt. Der Einkaufsmanager-Index des Markit-Instituts fiel auf ein Rekordtief von 30,2 Punkten. Ab einem Wert von 50 spricht man von Wachstum. Es ist der niedrigste Stand seit Beginn der Umfragen in Griechenland 1999. Auch die Teil-Barometer für Produktion und Auftragseingänge sanken auf neue Tiefs. Nach einer schnellen wirtschaftlichen Erholung sieht es in Griechenland derzeit also nicht aus.

Neue Kredite fraglich

Ein neues, dringend benötigtes Kreditpaket für Athen gilt zudem keinesfalls als ausgemachte Sache. Damit die ersten der bis zu 86 Milliarden veranschlagten Euro nach Athen fließen, muss die griechische Regierung Verhandlungen mit den Gläubigern erfolgreich abschließen. Die Reformauflagen sind hart. Die Regierung wird angesichts dieser drohenden Einschnitte immer instabiler, zuletzt feuerte Premier Tsipras einige Minister, weil die ihm in Parlamentsabstimmungen die Gefolgschaft verweigert hatten.

Tsipras war in den Abstimmungen im Parlament sogar auf die Unterstützung der Oppositionsparteien angewiesen. All dies macht einen schnellen und reibungslosen Abschluss der Kreditverhandlungen nicht wahrscheinlicher. Damit einhergehend bleibt eine nachhaltige Lösung der griechischen Schuldenkrise zunächst unwahrscheinlich. Analog dazu dürften Anleger mittelfristig nur wenig Anlass dazu haben, an künftige wirtschaftliche Erfolge griechischer Unternehmen zu glauben - und Geld in Aktien zu investieren.

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