Süddeutsche Zeitung

Griechenland vor Referendum:Im Wahlkampfmodus

  • Bedeutet ein "Nein" im Referendum das Ende der Verhandlungen und sogar ein Austritt Griechenlands aus dem Euro?
  • Griechenlands Finanzminister Varoufakis will seine Bevölkerung offenbar beruhigen: Es werde am Montag ein Abkommen geben - unabhängig vom Abstimmungsergebnis, behauptet er.
  • Allerdings ist es unrealistisch, dass sich Gläubiger und Griechen - wenn überhaupt - so früh auf ein neues Kreditprogramm einigen.

Varoufakis versichert sehr schnelle Einigung

Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis will seine Bevölkerung offenbar überzeugen, dass ein "Nein" beim Referendum am Sonntag nicht den Ausstieg des Landes aus der Euro-Zone oder das Ende der Verhandlungen mit den Kreditgebern bedeutet. Der spanischen Zeitung El Mundo sagte er: "Egal wie das Referendum ausgehen wird, am Montag wird es eine Vereinbarung geben. Da bin ich absolut sicher." Nach einem "Ja" werde diese für Griechenland aber nicht nur schlecht, sondern "unheilvoll" sein, nach einem "Nein" hingegen werde das Abkommen sehr viel besser aussehen. Die Banken würden in jedem Fall am Dienstag wieder öffnen. Den Gläubigern wirft er im Interview Terrorismus vor - denn es gehe ihnen darum, in der Bevölkerung Angst zu verbreiten.

Allerdings ist eine schnelle Einigung über ein neues Kreditprogramm unrealistisch: Die Finanzminister wollen erst am Dienstag tagen, womöglich folgt dann am Mittwoch ein Euro-Gipfel. Zudem müsste der Bundestag ein Verhandlungsmandat erteilen und über das endgültige Programm abstimmen. Vorher könnten sich die Beteiligten im besten Fall höchstens in Grundzügen einigen, offizielle Verhandlungen und ein formales, verschriftlichtes und abgeschlossenes Abkommen kann es am Montag aber wohl nicht geben. Das legen auch Äußerungen von Bundesfinanzminister Schäuble nahe.

Schäuble: "Das wird schon eine Weile dauern"

Ein neues Kreditprogramm schließt Schäuble zwar nicht aus, schnell gehe es aber nicht, sagte er im Interview mit der Bild-Zeitung. Nach der Abstimmung könnten die Griechen einen Antrag stellen, um die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Diese fänden allerdings "auf völlig neuer Grundlage und unter erschwerten wirtschaftlichen Voraussetzungen statt. Das wird schon eine Weile dauern", sagte Schäuble.

Mehrheit der Deutschen: Tsipras für Scheitern verantwortlich

Die Deutschen geben mehrheitlich Athen die Schuld an den gescheiterten Verhandlungen: Knapp 70 Prozent halten laut ARD Deutschlandtrend die Regierung Tsipras für verantwortlich, gerade mal vier Prozent die anderen Euro-Länder. Ein knappes Viertel glaubt, dass beide gleichermaßen Anteil am Scheitern haben. Die meisten der Befragten (60 Prozent) finden zudem richtig, dass die Griechen in einem Referendum darüber abstimmen, wie sich die Regierung in Zukunft im Schuldenstreit verhalten soll. 36 Prozent halten das Referendum für falsch.

Darüber entscheiden die Griechen am Sonntag

Die Griechen müssen am Sonntag über die Vorschläge der Gläubiger vom 25.6.2015 abstimmen (den Abstimmungszettel finden Sie hier). Allerdings geht es mittlerweile um weit mehr. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte: "Ein 'Nein' würde heißen: Griechenland sagt nein zu Europa" - eine Chance auf eine Einigung für ein neues Kreditprogramm könne damit ausgeschlossen sein, fürchten viele Griechen. Ganz geschlossen ist die Türe für Verhandlungen aber wohl nicht: Bundeskanzlerin Angela Merkel versicherte, man werde sich einer entsprechenden Bitte Athens auch nach einem "Nein" nicht verweigern.

Auch Donald Tusk, der Präsident des Europäischen Rats, glaubt an Verhandlungen, sollten die Griechen gegen die Vorschläge stimmen. Dem Raum dafür sei zwar kleiner, aber "wir brauchen sicherlich keine dramatisierenden Botschaften für die Zeit nach einem 'Nein'", sagte er im Interview mit Politico.

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras will mit Nein stimmen und wirbt in der Bevölkerung dafür, es ihm gleichzutun. Er unterstützt die Sparpolitik der Kreditgeber nicht. Wenn die Bevölkerung dies aber tue und mit Ja stimme, werde er zurücktreten. Auch Finanzminister Varoufakis kündigte an, in diesem Fall sein Amt niederzulegen.

Die Menschen könnten "in eine humanitäre Katastrophe" rutschen

Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), warnt vor einer "humanitären Katastrophe" in Griechenland. Sollte das griechische Volk bei dem Referendum an diesem Sonntag mehrheitlich mit Nein stimmen, würden die Banken nicht mehr so bald öffnen und es werde Probleme bei der Gesundheitsversorgung geben, sagte Weber am Samstagmorgen vor einer außerordentlichen Sitzung des CSU-Vorstands in München.

Die Verantwortung dafür, dass die Verhandlungen zwischen der EU und Griechenland zuletzt gescheitert seien, "liegt allein in Athen". Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras spiele mit dem Feuer. "Es ist unverantwortlich, was er seinem Volk antut", sagte Weber.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2551098
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/sana/gam/dku/afis
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.