Griechenland:Notenbanken rüsten sich gegen Panik an den Finanzmärkten

Griechenland wählt am Sonntag ein neues Parlament - und entscheidet damit womöglich über die Zukunft der Euro-Zone. Sollte sich ein Austritt Griechenlands abzeichnen, drohen schwere Marktturbulenzen. Die G-20-Länder sind alarmiert, weltweit bereiten sich Notenbanken auf den Ernstfall vor.

Die wichtigsten Notenbanken der Welt bereiten sich auf schwere Marktturbulenzen nach der Schicksalswahl in Griechenland vor. Die Zentralbanken stehen für eine koordinierte Aktion zur Stabilisierung der globalen Finanzmärkte bereit, wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf G-20-Vertreter meldet.

Die Notenbanker wollen demnach vor allem eine Versorgung der Finanzmärkte mit Liquidität sicherstellen. Denn der Ausgang der Parlamentswahl in Athen könnte das Ende des Euro in Griechenland besiegeln, sofern sich die Spar- und Reformgegner durchsetzen.

Noch allerdings herrscht an den Finanzmärkten Zuversicht. Am Freitag stiegen im frühen Geschäft die deutschen Aktien deutlich.

Bereit für "Grexit"

Weltweit laufen damit die Vorbereitungen für den möglichen Exit Griechenlands, den "Grexit", auf Hochtouren. Die Finanzminister der Euro-Zone wollen am Sonntagabend in einer Telefonkonferenz über das Ergebnis der Wahl beraten. Die Hauptsorge sei das Risiko von großen Kapitalabflüssen aus Griechenland, wenn sich die radikale Linkspartei Syriza eindeutig durchsetzen sollte, sagte ein Euro-Zonen-Vertreter. Syriza lehnt die Spar-Auflagen der internationalen Geldgeber ab, will das Land aber dennoch im Euro halten. Am Donnerstag bekräftigte Parteichef Alexis Tsipras seine Entschlossenheit, die Bedingungen für die Hilfe nach einem Wahlsieg zu kippen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel verschob ihre Abreise zum G-20-Gipfel im mexikanischen Los Cabos am Sonntag um etwa zwölf Stunden. Aus Regierungskreisen verlautete, die Verschiebung habe "terminliche und reisetechnische" Gründe. Mit Ergebnissen der Wahl wird am Abend gerechnet.

Um schweren Marktreaktionen entgegenzuwirken, sind auch Währungsinterventionen möglich. Japan und die Schweiz könnten eingreifen und ihre Währungen schwächen, sollten Anleger auf der Suche nach einem sicheren Hafen den Wert von Franken und Yen in die Höhe treiben.

Ein G-20-Vertreter sagte Reuters, abhängig von der Heftigkeit der Reaktionen könnte am Montag oder Dienstag ein Krisentreffen von Ministern der Gruppe der sieben größten Industriestaaten (G 7) angesetzt werden. Per Telefon könnten die Notenbanker zugeschaltet werden.

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, kündigte an, notfalls die Geldschleusen weiter zu öffnen. Die EZB habe während der Krise durchgehend darauf geachtet, dass die Banken genug Geld bekämen, um die Wirtschaft am Laufen zu halten, sagte Draghi. "Das Euro-System wird weiter Liquidität bereitstellen, wenn das benötigt wird."

Großbritannien will sich selbst schützen

Auch Großbritannien bereitet sich vor. Das Land will sein Bankensystem angesichts der Krise mit mehr als 100 Milliarden Pfund fluten. In einer koordinierten Aktion von Regierung und Zentralbank soll die Kreditvergabe angekurbelt werden. Das Land werde in wenigen Wochen ein entsprechendes Programm auflegen, sagte Notenbank-Chef Mervyn King. Die Geldhäuser sollen damit auf eine günstige langfristige Finanzierung zugreifen können und zur Kreditvergabe an Unternehmen und Verbraucher ermutigt werden. Nach Angaben aus dem Finanzministerium könnte allein der Plan der Regierung neue Darlehen in Höhe von schätzungsweise 80 Milliarden Pfund unterstützen.

Auch Unternehmen schmieden Notfallpläne

Nicht nur Staaten schnüren Notfallpläne, auch Unternehmen haben sich längst damit beschäftigt. Ein ungeordneter Austritt Griechenlands könnte eine Pleite-Welle unter den Firmen im Land nach sich ziehen. Ausländische Lieferanten blieben dann etwa auf ihren offenen Rechnungen sitzen.

Ein Sprecher des Lastwagenbauers MAN sagte: "Wir beobachten die Situation in Griechenland sehr genau, um auf mögliche Auswirkungen schnell reagieren zu können." Sobald sich für MAN ein verändertes Risiko ergebe, würden Gegenmaßnahmen wie Zahlungssicherungsinstrumente oder veränderte Vertragsbedingungen ergriffen. Der Dax-Konzern erzielte im vergangenen Jahr weniger als ein Prozent des Gesamtumsatzes in Griechenland.

Siemens hat angeblich kein Szenario durchgespielt. Ein Sprecher betonte jedoch, dass die gemeinsame Währung "extrem wichtig für die europäische Industrie" sei. "Wir glauben an die Zukunft des Euro." Die Deutsche Telekom ist als größter Aktionär des früheren staatlichen Telekommunikationskonzerns OTE einer der wichtigsten ausländischen Investoren in Griechenland. Die Finanzierung von OTE sei aber bis weit über die zweite Jahreshälfte 2013 gesichert. Der Konzern brauche keine Hilfen der Mutter, sagte eine Unternehmenssprecherin.

Ifo-Institut befürwortet Austritt

Das Münchner Ifo-Institut sieht in einem Abschied der Griechen vom Euro hingegen die bessere Alternative im Gegensatz zu einer Verlängerung des Status quo. Laut Ifo-Konjunkturchef Kai Carstensen hätte ein Austritt zwar erhebliche wirtschaftliche Turbulenzen im Land zur Folge. "Die Erfahrung mit vergleichbaren Fällen legt aber nahe, dass nach gut einem Jahr das Schlimmste ausgestanden ist", sagte Carstensen.

Dem größten europäischen Einzelhändler Carrefour ist die Lage bereits zu unsicher geworden. Der französische Konzern kündigte am Freitag an, seinen Anteil an dem griechischen Joint Venture komplett an den dortigen Partner Marinopoulos zu verkaufen. In Folge der Veräußerung würden 220 Millionen Euro abgeschrieben. Carrefour begründete den Rückzug aus dem Joint Venture, das auch auf Zypern präsent ist, mit "den Herausforderungen für Griechenlands Wirtschaft". Die Umsätze des Metro-Konkurrenten sind in Griechenland im ersten Quartal um 16 Prozent eingebrochen. Carrefour ist auch besonders stark in aktuellen Problemländern wie Spanien und Italien vertreten.

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