Es ist ein Vormittag in einem Vorort in Athen. Normalerweise müsste in diesem Gebäude viel los sein. Immerhin ist es die größte Schuhfabrik Griechenlands - und mit fast 100-jähriger Unternehmensgeschichte eine der ältesten dazu. Doch auf den ersten Blick: keiner da. Die Eingangshalle: leer. Die mächtigen Marmortreppen: verlassen. Die Flure: still.
Das Büro der Chefin befindet sich im ersten Stock. Ein großer Raum mit schweren Eichenmöbeln und wohnlichen Vorhängen. Zunächst sieht man sie kaum zwischen den Unterlagen an diesem mächtigen Schreibtisch. Sie - das ist Mina Fidas, 79 Jahre alt und seit 25 Jahren die Chefin von D.J. Fidas. Der Tisch hat auf der Vorderseite ein großes geschnitztes M. für Mina.
Es ist ein denkbar schlechter Tag für das Unternehmen: Eine Lieferung mit Leder hätte eintreffen sollen - aber sie kam nicht, weil der griechische Importeur von der Bank keinen Kredit erhielt. Der Verkäufer in Italien bestand aber angesichts der aktuellen Situation im Land auf Vorkasse. Leider konnte auch D.J. Fidas mangels Geld nichts vorstrecken, und so musste die Firma ohne das Leder die Produktion herunterfahren. Ein Teil der Beschäftigten kam gar nicht mehr zur Arbeit.
Wo soll das Geld derzeit auch herkommen?
Was D.J Fidas derzeit mitmacht, ist symptomatisch für die Situation der Unternehmen in Griechenland: Wenn sie Aufträge bekommen, fehlt das Geld, um sie vorzufinanzieren. Wo soll das Geld derzeit auch herkommen? Die meisten Griechen haben gerade andere Sorgen als neue Schuhe zu kaufen. Und die Banken lehnen Kreditwünsche ab. Sie haben selbst kein Geld mehr.
Und selbst, wenn es da wäre: Jetzt, wo das Land Kapitalverkehrskontrollen eingeführt hat, müssen Überweisungen ins Ausland vom Finanzministerium genehmigt werden. Das kann dauern.
Über das Referendum am Wochenende mag Mina Fidas gar nicht erst reden. In dieser Zeit, wo die Gesellschaft zwischen "Nai" und "Ochi", zwischen Ja und Nein zum Referendum gespalten ist, positioniert man sich als Unternehmerin nicht öffentlich. Kunden könnten ein Problem damit haben.
Sie lässt freilich keinen Zweifel daran, dass die Rückkehr zur Drachme ein Desaster wäre. Hätte man die Drachme nie gegen den Euro getaucht - ok, dann wäre nun vielleicht manches besser. Aber der Euro ist seit anderthalb Jahrzehnten Realität. Und nun wieder zurück auf Los? Sie sagt natürlich nicht: ein Wahnsinn. Doch das Wort hängt in der Luft.
Universität für das Schuhemachen
Auf den Schuhen des Unternehmens steht der Markenname Boxer. Box ist eine Ledermarke. Irgendjemand kam dann auf die Idee, Boxer als Name für die Schuhe zu wählen. Damit das Wort freundlicher klingt, wurde als Symbol der Hund gewählt. Ein Boxer, sagt Fidas, sei ein sehr loyales Tier. Ähnlich eben wie die Schuhe, die "so gut sein sollen, dass man sie nie wieder ausziehen will". Wir sind hier eigentlich eine Universität für das Schuhemachen, sagt Fidas. Wer in die Produktion geht, sieht, was sie damit meint: Hier kann man bis ins letzte Detail studieren, wie Schuhe gefertigt werden.
Als 2010 die Krise ausbrach, war man bei D.J. Fidas noch zuversichtlich: Zwei, vielleicht drei Jahre würde die Rezession dauern. Das könnte man überstehen. Vielleicht eine Form von Zwangsoptimismus, denn ausgerechnet in diesem Jahr öffnete das Unternehmen seine neue Produktionsanlage. 5000 Paare produzierte man in jener Zeit pro Tag, mit den neuen Fertigungsanlagen sollten es dann 8000 sein.
Kunden schien es genug zu geben: Verhandlungen gab es mit Abnehmern in Deutschland, Dänemark und Russland. Fidas sollte allerdings 70 Prozent der Kosten für die Fertigung vorfinanzieren. Vor der Krise wäre das kein Problem gewesen, da machte D.J. Fidas noch 30 Millionen Euro Umsatz, doch 2010 brach das Geschäft ein. Da ging das schon nicht mehr. Aktuell setzt das Unternehmen 13 Millionen Euro um. Und die Abnehmer sitzen nun nicht wie geplant in Deutschland und Dänemark, sondern in Bulgarien, Zypern und Israel.