Der Berliner Anwalt Hans-Peter Huber hat für seine Mandanten, meist große Unternehmen, schon viele knifflige Fälle gelöst. Doch am Dienstag war der Jurist besonders gefordert. Er musste auch diplomatisches Geschick beweisen. Huber weilte in Athen, im Auftrag des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall. Der hat früher griechische Ministeriale und Militärs kräftig geschmiert, um sein Luftabwehrsystem Asrad weit überteuert für 160 Millionen Euro nach Hellas verkaufen zu können. Jetzt verlangen Justiz und Regierung in Athen Buße und Schadenersatz. Auf einen Prozess wollen es die Rheinmetall AG und ihr Vorstandschef Armin Papperger aber erst gar nicht ankommen lassen. Anwalt Huber sondierte, ob eine außergerichtliche Einigung denkbar sei. Signale in diese Richtung gibt es auch aus Griechenland. Aus Athen sind aber auch ganz andere Töne zu hören. Das macht es so schwer für Huber und Rheinmetall - und für andere Unternehmen aus Deutschland bis hin zu Siemens.
Die neue Links-Regierung von Alexis Tsipras und ihr rechtspopulistischer Verteidigungsminister Panos Kammenos, der angeblich 100 Millionen Euro von der deutschen Rüstungsindustrie haben will, vermengen Politik und Justiz. Berechtigte Schadenersatzforderungen für Geschäfte, die auf Korruption beruhten, gehen einher mit dem Versuch, deutsche Unternehmen und deren Manager doppelt zu bestrafen. Das Gelände in Athen ist vermint. Huber tastete sich bei seinen Gesprächen bei Gericht und Regierung Schritt für Schritt vor, um zu erkunden, unter welchen Umständen und in welchem Rahmen Verhandlungen möglich seien. Ein Kompromiss könnte aus Sicht von Rheinmetall offenbar so aussehen: Lieferung von Ersatzteilen und Munition, auch für Leopard-2-Panzer; Wartung der Waffensysteme vor Ort; vielleicht auch Investitionen; und so Sicherung von Arbeitsplätzen in Griechenland. Allein mit Paragrafen lässt sich der Streit nicht schlichten.
Ein drei Jahre alter Vergleich mit Siemens könnte platzen
Hat der Anwalt Huber Erfolg, dann könnte eine Lösung bei Rheinmetall Vorbild sein für andere, ähnliche Fälle und Vorwürfe bei Thyssen-Krupp und eventuell auch bei Krauss-Maffei Wegmann (KMW).
Beim Verkauf von U-Booten von Thyssen-Krupp nach Griechenland ist, über eine dazwischen geschaltete Handelsgesellschaft, ebenfalls bestochen worden. Gleiches soll bei einem Leopard-2-Deal von KMW geschehen sein, und bei der Lieferung von Panzerhaubitzen. KMW weist das zurück. Vieles ist schon aufgeklärt, aber manches eben noch nicht.
Scheitert der Rheinmetall-Emissär Huber, dann könnten die zuletzt stark belasteten deutsch-griechischen Beziehungen auch auf der Wirtschaftsebene schwer leiden. Jahrelange Prozesse wären vermutlich die Folge, bis hin zum Verfassungsgericht in Athen. Dort ist jetzt schon eine Sache anhängig, die eigentlich längst geklärt war. Ein griechischer Steuerzahlerbund versucht per Klage einen Vergleich zu kippen, den Siemens vor drei Jahren mit der damaligen, von den Konservativen geführten Regierung in Athen geschlossen hatte. Als Ausgleich für hohe Schmiergeldzahlungen etwa bei Telekommunikationsprojekten in Milliardenhöhe sagte Siemens Investitionen und anderweitige Unterstützung für das Land in Höhe von 190 Millionen Euro zu. Hinzu kamen 80 Millionen Euro Schuldenerlass bei noch offenen Rechnungen. Dem Steuerzahlerbund ist das zu wenig. Sollte die Klage beim Verfassungsgericht Erfolg haben, wäre das ganz im Sinne mancher Politiker aus dem Lager von Tsipras und Kammenos.
Sollte der Vergleich mit Siemens nachträglich doch noch platzen, würde das neue Geschäfte ungemein erschweren. Ein Investor brauche Rechtssicherheit, hat der Siemens-Vorstand schon vor Jahren gemahnt. Um diese Rechtssicherheit ist es schon jetzt nicht gut bestellt. Das Oberlandesgericht Athen hat einen Korruptions-Prozess gegen Ex-Siemens-Chef Heinrich von Pierer und andere frühere Konzernmanager beschlossen, obwohl deren Fälle in der Regel schon von der deutschen Justiz abgehandelt wurden und keine neuen Erkenntnisse vorliegen, die ein neues Verfahren rechtfertigen würden. Niemand darf aber in ein- und derselben Causa zweimal belangt werden, besagt ein europäischer Rechtsgrundsatz.
Darauf will sich dem Vernehmen nach auch Rheinmetall berufen und deshalb keine Strafe in Athen zahlen, sondern nur über Schadenersatz reden. Die Bestechung in Griechenland ist bereits in Deutschland geahndet worden, mit einer Geldbuße in Höhe von 37 Millionen Euro, auch wegen "Betrug zum Nachteil des griechischen Staates". Darin enthalten war die Abschöpfung der durch die Korruption illegal erzielten Gewinne. Den Schaden in Athen würde Rheinmetall wohl gerne in Form von Sachleistungen begleichen. Die Konzernkasse ist nicht üppig gefüllt.
Andererseits: Wie viele Waffen braucht Griechenland wirklich? Schmiergeldzahlungen von Rüstungskonzernen aus aller Welt haben dazu beigetragen, dass die Regierungen in Athen jahrzehntelang mehr Panzer, U-Boote und Raketen kauften, als das Land zur Abschreckung und für seine Dienste in der Nato benötigt. Hinzu kommt, dass die deutsche Justiz nicht alle Bestechungsdelikte deutscher Firmen in Griechenland bereits aufgeklärt beziehungsweise geahndet hat. In manchen Fällen könnten die griechischen Ermittler noch zupacken.
Anwalt Huber wird noch öfter nach Athen reisen müssen. Und dort auch weiterhin wie ein Diplomat agieren müssen.