Griechenland:Tsipras streitet mit seiner obersten Steuereintreiberin

Refugees and migrants sleep in front of a graffiti covered wall depicting a face and the Greek national flag at the port of the city of Mytilene on the island of Lesbos

Migranten in der Hafenstadt Mytilene auf der Insel Lesbos.

(Foto: Dimitris Michalakis/Reuters)
  • Premier Alexis Tsipras und seine Regierung liegen mit ihrer obersten Steuereintreiberin im Clinch: Aikaterini Savvaidou.
  • Einer IT-Firma soll sie angeblich eine Strafzahlung von 78 Millionen Euro erspart haben.
  • Das Land ist mit den Reformen in Verzug. Nicht einmal die Hälfte der Sofortvorhaben wurde bislang umgesetzt.

Von Mike Szymanski, Istanbul

Die internationalen Kreditgeber haben am Mittwoch ihre Prüfer in die griechische Hauptstadt entsandt. Sie sollen schauen, wie weit das Land mit seinen Reformen gekommen ist. Milliarden gibt es nur gegen Reformen. Das ist der Deal mit Athen. Das Land muss sich jede Tranche aus dem 86-Milliarden-Euro schweren Hilfspaket, auf das man sich im Sommer verständigt hat, hart erarbeiten. Am Mittwoch bekam die Gläubiger-Delegation im Land gleich mal eine der handfesten Streitigkeiten der griechischen Politik ums Geld mit.

Premier Alexis Tsipras und seine Regierung liegen mit ihrer obersten Steuereintreiberin im Clinch: Aikaterini Savvaidou. Seit Mitte 2014 ist die frühere Wirtschaftsprüferin im Amt, das ihr unabhängiges Arbeiten zusichern soll. Ihr offizieller Titel lautet "Generalsekretärin für öffentliche Einnahmen".

Zurücktreten? Nein!

Sie soll das Geld auch von den Reichen und Mächtigen eintreiben. Im Mai berichtete sie von den Vorzügen eines speziellen Steueramtes für Leute mit großen Vermögen. Allein 2014 hätte es nach etwa 700 Steuerprüfungen 300 Millionen Euro nachgefordert. Nun soll die Steuereintreiberin angeblich nachlässig geworden sein und in zwei Fällen ihre Arbeit nicht richtig gemacht haben: Einer IT-Firma habe sie - so der Vorwurf - eine Strafzahlung von 78 Millionen Euro erspart. Den Fernsehsendern habe sie Aufschub bei einer Steuer auf TV-Werbeerlöse gegeben.

Am Dienstag musste Aikaterini Savvaidou zum Anti-Korruptions-Ermittler. Finanzminister Euklid Tsakalotos hatte zuvor schon die Botschaft des Premiers überbracht: Sie möge bitte zurücktreten. Aber das macht die Frau nicht. "Grundlos" nennt sie die Anschuldigungen. Regierungsbehörden hätten die von ihr eingeleiteten Schritte zuvor auf deren Rechtmäßigkeit überprüft, ihre Entscheidungen seien der Regierung lange bekannt gewesen. Und sie führt noch einen Grund an: Sie werde nicht zulassen, dass ihre Behörde den Eindruck erwecke, sich einschüchtern zu lassen. Tatsächlich überrascht die Härte und Eile, mit der die Regierung vorgeht.

Die konservative Vorgängerregierung hatte Aikaterini Savvaidou auf diesen Posten gesetzt, nachdem sie Haris Theoharis zum Rücktritt genötigt hatte. Der hatte reiche Regierungsfreunde ins Visier genommen und sich bei den Konservativen unbeliebt gemacht. Nun sieht es so aus, als ob Tsipras auf dieser Schlüsselstelle lieber einen vertrauten Mann oder eine vertraute Frau haben will. Dass Aikaterini Savvaidou und die Regierung nach diesem Streit wieder zu einer professionellen Zusammenarbeit zurückfinden, scheint jedenfalls sehr unwahrscheinlich zu sein. Als ausweglos bezeichnen griechische Medien ihre Situation bereits. Bisher hat sich Tsipras noch gegen alle seine Gegner durchsetzen können. Die Gläubiger-Vertreter jedenfalls haben gleich wieder einen tiefen Einblick in die griechischen Verhältnisse bekommen.

Bei den Reformen im Verzug

Was die Reformen angeht, ist das Land in Verzug. Im September hatte Tsipras seine Regierung bei Neuwahlen bestätigen lassen. Das hatte einerseits die Verhältnisse geklärt - er und sein Linksbündnis Syriza sind jetzt dafür gewählt, Sparpolitik zu betreiben. Als sie im Januar an die Macht kamen, wollten sie diese Politik noch beenden. Andererseits dauerte es durch die Abstimmung viel länger, die Reformgesetze durchs Parlament zu bringen. Von 49 Sofortvorhaben seien bislang nur 16 umgesetzt worden, heißt es in Athener Medien. Am Wochenende setzte Tsipras Regierungskoalition Rentenkürzungen, die Anhebung des Pensionsalters auf 67 und härtere Strafen für Steuerbetrüger durch.

Es geht um drei Milliarden Euro

Es ist der erste Besuch von Vertretern der Kreditgeber seit der Neuwahl. Bis Freitag sind die Unterhändler der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB), des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Athen, um die Fortschritte zu bewerten. Eine erste Tranche von 13 Milliarden Euro aus dem Hilfspaket floss im August an Athen. Drei weitere Milliarden Euro hängen am Ergebnis dieser Prüfung.

Tsipras muss im November ein weiteres Paket mit harten Sparvorhaben vom Parlament billigen lassen, darunter das Ende aller Steuerprivilegien für Bauern. Das Rentensystem soll reformiert werden. Sozialminister Giorgos Katrougalos brachte eine Grundrente von 390 Euro im Monat ins Gespräch. Die Landwirte wollen aus Protest mit ihren Traktoren die Straßen blockieren, die Gewerkschaften haben für den 12. November zu Streiks aufgerufen. Eine gute Nachricht hatte am Mittwoch nur Vizefinanzminister Yorgos Chouliarakis: Wenn alles glatt läuft, könne man die strengen Kapitalverkehrskontrollen im ersten Quartal 2016 aufheben. Wegen der angespannten Lage geben die Baken nur begrenzt Geld aus.

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