Süddeutsche Zeitung

Griechenland spart nicht genug:EU droht Athen mit Ende aller Finanzhilfen

Vor allem Griechenlands konservative Partei trotzt der EU, die dem Land eisernes Sparen diktiert. Der Chef der griechischen Konservativen fordert gar Steuersenkungen. Der Euro-Gruppe wird es nun langsam zu bunt und sie fordert von den griechischen Politikern ein Einlenken - sonst werde es keine Hilfen mehr geben.

Cerstin Gammelin, Brüssel

Die Euro-Länder stellen Griechenland erneut ein Ultimatum. Damit wollen sie Athen zwingen, die vereinbarten Spar- und Reformprogramme umzusetzen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte nach einem Treffen mit seinen europäischen Ressortkollegen in Brüssel, man werde jede weitere Finanzhilfe an die Zusage aller politischen Parteien knüpfen, die Spar- und Reformpläne verbindlich umzusetzen. Andernfalls werde der Geldhahn zugedreht. "Wenn nicht alle politischen Kräfte zusichern, unabhängig vom Ergebnis der kommenden Parlamentswahlen die vereinbarten Ziele umzusetzen, wäre es völlig unverantwortlich von uns, ihnen weitere Kredite zu geben", sagte Schäuble.

Die Drohung richtet sich besonders an die konservative Partei "Neue Demokratie". Deren Chef Antonis Samaras blockiert die Pläne - obwohl seine Partei in der amtierenden Übergangsregierung unter Premier Lukas Papademos sitzt. Alle Bitten und Mahnungen der konservativen europäischen Parteifreunde von Bundeskanzlerin Angela Merkel bis zu Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy ließen ihn nicht einlenken.

Am Dienstag sperrte sich Samaras erneut. Die Ziele ließen keine Erholung der Konjunktur zu, sie seien falsch. Er forderte erneut, Steuern zu senken. Im April wird in Griechenland gewählt. Samaras hofft, seine Partei durch die Blockade der ungeliebten Reformen zum Sieg zu führen.

Am Montagabend berichteten die Experten der sogenannten Troika, dass das Land auch in den vergangenen Monaten nicht die vereinbarten Reformziele erfüllt habe. Die Kreditgeber von Internationalem Währungsfonds (IWF), EU-Kommission und Europäischer Zentralbank prüfen derzeit die Bücher vor Ort. Für die Verzögerungen machen sie vor allem politische Blockaden verantwortlich. EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn sagte, die parteiübergreifende Verpflichtung sei eine Vorbedingung, ohne die es kein zweites Hilfspaket geben werde. Bisher ist geplant, weitere 130 Milliarden Euro für Athen bereitzustellen.

Gespräche mit privaten Gläubigern bisher ergebnislos

Unterdessen gehen die Verhandlungen um den avisierten Schuldenerlass weiter. Man sei "noch ein Stück weit davon entfernt", die privaten Gläubiger zu überzeugen, Athen mindestens 100 Milliarden Euro Schulden zu erlassen, sagte Schäuble. Die Summe hatte der Internationale Bankenverband auf dem EU-Gipfel im vergangenen Oktober zugesagt, sie entsprach damals einem Verzicht auf 50 Prozent des Nennwerts griechischer Staatsanleihen.

Der Verzicht sollte die Verschuldungsquote Griechenlands bis 2020 auf 120 Prozent der Wirtschaftskraft drücken. Der Schuldenerlass ist eine weitere Vorbedingung für das zweite Hilfspaket - und dafür, dass sich der IWF weiter an den Hilfen beteiligt.

Die Gespräche zur Umsetzung blieben bisher ergebnislos. Die Unterhändler streiten um die Höhe der Zinssätze, welche die Griechen beim geplanten Umtausch alter Staatsanleihen in neue Anleihen bieten müssen. Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker sagte, die Sätze müssten "deutlich unter vier Prozent liegen". Die Gläubiger wollen mehr. Die Zeit drängt. Athen braucht am 20. März 14 Milliarden Euro. Die Ratingagentur Standard & Poor's teilte mit, sie werde Athen wohl einen teilweisen Zahlungsausfall bescheinigen. Dadurch könnten Versicherungen für Kreditausfälle in Millionenhöhe fällig werden.

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SZ vom 25.01.2012/bbr
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