Griechenland:Wie der griechische Schuldenpoker weitergeht

A man grasps a bag of tangerines as people receive free produce, handed out by farmers, during a protest over the government's proposal to overhaul the country's ailing pension system in Athens

Verteilungskämpfe: Menschen greifen nach Lebensmitteln, die während einer Demonstration gegen die Rentenpolitik verschenkt wurden.

(Foto: Alkis Konstantinidis/Reuters)

Diese Woche wollen sich die internationalen Kreditgeber mit Griechenland einigen. Doch die politisch brisanteste Frage kommt erst danach.

Von Alexander Mühlauer, Amsterdam

Nein, sagte Wolfgang Schäuble, er habe nicht das Bedürfnis, dass sich die Aufregung des vergangenen Jahres wiederhole. Die Situation sei nun auch sehr viel weniger aufgeregt und er sehe auch keinen Grund, eine künstliche Aufregung zu produzieren, erklärte der Bundesfinanzminister am Samstag in Amsterdam. So viele unaufgeregte Worte wie beim Treffen der Euro-Finanzminister gab es selten im Reformstreit mit Griechenland. Und weil eine Einigung aus Sicht der Minister möglich scheint, wollen sie sich an diesem Donnerstag zu einer Sondersitzung der Euro-Gruppe wieder treffen.

In den Verhandlungen geht es nun um drei Punkte. Erstens muss Athen das bereits im Sommer 2015 vereinbarte Reformpaket, das Einsparungen in Höhe von 2,5 bis drei Prozent der Wirtschaftsleistung bringen soll, beschließen. Dann gibt es, als zweite Voraussetzung für die nächste Auszahlung, das sogenannte Notfallpaket auf Vorrat. Alle Euro-Finanzminister sprachen sich dafür aus. Die griechische Regierung soll deshalb Reformen beschließen, die erst in Kraft treten, wenn die vereinbarten Haushaltsziele nicht erreicht werden sollten. Insgesamt müssen die Einsparungen zwei Prozent der Wirtschaftsleistung beinhalten. Griechenlands Finanzminister Euklid Tsakalotos zweifelt allerdings daran, dass es juristisch möglich ist, Maßnahmen im Parlament zu beschließen, die nur greifen, wenn bestimmte Ziele nicht erreicht werden. Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem will deshalb nur eine Sondersitzung für Donnerstag einberufen, wenn es auch in dieser Frage Fortschritte gibt.

Für Schäuble ist die Beteiligung des IWF am Hilfsprogramm eine "conditio sine qua non"

Abgesehen von Reformen gibt es allerdings noch einen dritten Punkt zu besprechen - und der ist politisch am brisantesten. Es geht um mögliche Schuldenerleichterungen. Die Arbeiten dafür laufen bereits auf technischer Ebene. Politisch wurde darüber nicht in der Euro-Gruppe diskutiert. Schäuble wies in Amsterdam darauf hin, dass er eine Schuldenerleichterung "für die nächsten Jahre nicht notwendig" hält. Allerdings dringt vor allem Berlin darauf, dass sich der Internationale Währungsfonds (IWF) am dritten Hilfspaket für Griechenland beteiligt. Schäuble nannte das eine "conditio sine qua non", eine unabdingbare Voraussetzung. Auch der IWF hat eine Voraussetzung dafür, dass er an Bord kommt: die Schuldenlast Athens muss tragfähig sein. Ob sie das auch ist, soll eine Schuldentragfähigkeitsanalyse ergeben. Die wiederum hängt von ökonomischen Prognosen ab, die in Brüssel und Washington unterschiedlich ausfallen könnten.

Bislang ist nur klar, dass Griechenland im Jahr 2018 einen Haushaltsüberschuss (ohne Schuldendienst) von 3,5 Prozent erreichen muss. So haben es die Kreditgeber mit Athen im Juli 2015 vereinbart. Doch was ist dann? Die künftigen Haushaltsziele müssen erst noch verhandelt werden. Der IWF dringt darauf, diese niedriger festzulegen, ganz einfach deshalb, weil er es für ökonomisch realistischer hält. Außerdem ist dem Fonds wichtig, diese möglichst langfristig niederzuschreiben, denn nur dann haben ausländische Investoren Sicherheit. In der Euro-Gruppe gibt es aber Stimmen, die Schuldenerleichterungen auf Raten besser finden. Ihr Kalkül: So könnte man den Druck auf Griechenland besser aufrecht erhalten.

Den Weg dafür haben die Finanzminister bereits im August 2015 geebnet. Weil ein echter Schuldenschnitt nicht mehrheitsfähig ist, erklärte sich die Euro-Gruppe dazu bereit, "zusätzliche Maßnahmen zu erwägen, die sicherstellen, dass der Bruttofinanzierungsbedarf Griechenlands auf einem tragfähigen Niveau bleibt. Diese Maßnahmen könnten einen möglichen längeren Tilgungsaufschub und mögliche längere Zurückzahlungsfristen umfassen".

Doch all diese Details stehen nicht für kommenden Donnerstag auf der Tagesordnung. Es geht vor allem um die ersten beiden Punkte, die Griechenland erfüllen muss. Sie sind die Voraussetzung für die nächste Kreditrate. Gemäß Auszahlungsplan sind 5,4 Milliarden Euro vorgesehen. Das Geld hätte eigentlich bereits im Herbst 2015 fließen sollen. Doch die Überprüfung der Reformen zieht sich bis heute. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass die Auszahlungssumme höher sein wird. Denn laut ursprünglichem Plan sollte Athen auch im ersten Halbjahr 2016 Geld bekommen. Die Zeit drängt: Spätestens im Juli braucht Griechenland die Hilfen, denn es muss Schulden bei Gläubigern begleichen. Athen muss also baldmöglichst Reformen und Notfallplan beschließen.

Doch selbst wenn das alles klappt, werden die nächsten Reform-Checks nicht lange auf sich warten lassen. Normalerweise wird ein Programm des Euro-Rettungsfonds ESM alle drei Monate überprüft. Sollte es also nun eine Einigung geben, würde im August die nächste "Review" in Griechenland stattfinden. Weil es im Falle Athens aber immer etwas länger dauert, dürfte es bis Herbst dauern. Mal ganz abgesehen davon, dass noch vollkommen unklar ist, wann genau die Maßnahmen, die auf Vorrat beschlossen werden sollen, ausgelöst werden können - und durch was. Auch da müssen sich Euro-Partner und IWF noch auf die genauen Bedingungen einigen. IWF-Chefin Christine Lagarde meldete in Amsterdam bereits Zweifel an den Prognosen der Europäer an. Der Währungsfonds hat seine eigenen Experten - und die sehen die Wirtschaftslage in Griechenland nicht ganz so positiv wie die Kollegen in Europa. Um es mal unaufgeregt auszudrücken.

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