Griechenland:Ein Weg voller Stolperfallen

Reaction As Greece Capitulates To Creditors Demands

Was von Tsipras und den Griechen nun verlangt wird, ist äußert hart: Der Premier muss seinen Bürgern erklären, dass ihre Renten erneut schrumpfen, ihre Steuern noch einmal steigen werden.

(Foto: Bloomberg)

Was mit dem neuen Sparpaket auf die griechischen Bürger zukommt, ist hart. Aber der Grexit wäre noch viel schlimmer gewesen.

Kommentar von Christiane Schlötzer

Am Anfang war das große Nein, ein geschmettertes, ein stolzes Nein. Ausgesprochen von Volkes Stimme, in einem Referendum. Nur eine Woche ist das her, man muss sich kurz erinnern und reibt sich dann die Augen. Weil aus diesem entschiedenen Nein der Griechen nun ein Ja werden soll. Ein schmerzhaft eindeutiges Ja, das Wahlversprechen zur Makulatur macht, und zwar von Griechenland bis Finnland; das Ministerkarrieren in Athen beenden wird und griechischen Sparern sogar noch abverlangt, mit ihrem letzten Geld notfalls die eigenen Banken zu retten. Geht das alles überhaupt, so ein Kraftakt mit einem Kranken?

Dass Griechenland nach diesem Gipfel der Erschöpfung aufstehen wird wie Lazarus, ist alles andere als gewiss. Das neue Rettungsangebot ist ein außerordentliches Wagnis. Der Weg, den die Regierungschefs der Euro-Staaten nun vorgezeichnet haben, um ihr schwächstes Mitglied nicht ins Bodenlose fallen zu lassen, enthält viele Stolperfallen. Es ist keineswegs sicher, dass der griechische Premier Alexis Tsipras all die Etappenziele erreicht, die in diesem Marathonlauf noch auf der Strecke liegen.

Es wird sehr hart - aber der Grexit wäre härter

Was von Tsipras und den Griechen nun verlangt wird, ist äußert hart. Der Premier muss seinen Bürgern erklären, dass ihre Renten erneut schrumpfen, ihre Steuern noch einmal steigen werden, dass der Staat seinen Besitz verkaufen muss, und auch dass der Internationale Währungsfonds weiter wie der sprichwörtliche Knüppel aus dem Sack agieren darf.

Selbst in Halbsätzen des Gipfeldokuments sind noch Härten versteckt, beispielsweise auf Seite zwei in dem Buchstabenkürzel BRRD. Das steht für die EU-Richtlinie zur Bankenabwicklung. Die legt fest, dass bei einer Insolvenz nicht mehr die europäischen Steuerzahler zur Kasse gebeten werden, sondern in einer Kaskade der Haftung zuerst die Anteilseigner des Instituts und am Ende die Konteninhaber. Tsipras' konservativer Vorgänger Antonis Samaras hatte es unterlassen, diese Richtlinie im Athener Parlament verabschieden zu lassen.

Der Gipfel ist schon jetzt ein Erfolg

Tsipras ist politisch nun viel stärker, als Samaras es je war, das legt dem Linken eine große Verantwortung auf die Schultern. Auch wenn der äußerste linke Rand seiner Partei Syriza nun wegbricht, der Regierungschef hat rechts im Parteienspektrum zuletzt so viele Unterstützer dazugewonnen, wie kein anderer griechischer Regierungschef vor ihm. Das ist die paradoxe Folge der Volksabstimmung, politische Konkurrenz muss Tsipras nicht mehr fürchten. Hält diese bislang einmalige griechische Notkoalition, dann besteht erstmals die Chance, dass die politische Klasse in Athen fast geschlossen Verantwortung für das eigene Handeln übernimmt. Daran hat es in den fast sechs Krisenjahren bislang immer gefehlt.

Schon im ersten Satz der Gipfelerklärung steht das Wort "Vertrauen". Dieses war zwischen Athen und seinen Euro-Partnern in der letzten Zeit fast völlig verloren gegangen. Es wieder aufzurichten, ist auch ein Auftrag an Tsipras, zumal die eigentlichen Verhandlungen über die neuen Milliardenkredite aus dem Europäischen Rettungsfonds ESM ja erst dann beginnen, wenn auch die Parlamente von Berlin bis Helsinki dies gebilligt haben.

Aber das Ergebnis der erschöpfenden Brüsseler Gipfelnacht ist schon jetzt ein Erfolg. Weil in allergrößter Not Europa kompromissfähig war, weil der epochale Bruch vermieden wurde. Weder ließen sich die großen Nationen Europas, allen voran Deutschland und Frankreich, auseinanderdividieren, noch am Ende Groß und Klein in der Gemeinschaft.

Schäubles Blick in den Abgrund war nötig

Zu dieser Einigung dürfte auch der deutsche Finanzminister mit seiner Grexit-auf-Zeit-Option beträchtlich beigetragen haben. Noch so ein Paradox: Wolfgang Schäuble machte sich selbst zum Buhmann, zog Wut und Unverständnis auf sich. Aber er lieferte auch jenen Blick in den Abgrund, der nötig war, um Europa zusammenzuhalten. Denn angesichts Schäubles kühler Konsequenz war klar, was die Alternative zu einer Nicht-Einigung der Staats- und Regierungschefs gewesen wäre. Und sie wäre in jedem Fall schlechter gewesen.

Denn Griechenland ohne Euro, das hätte eben erst einmal bedeutet: Firmen im freien Fall, Banken ohne Boden. Europäische Katastrophenhilfe mit Almosencharakter für verarmte griechische Familien.

Europa hätte sich über diese Form der Griechenland-Rettung noch tiefer zerstritten, als es zuletzt schon war. Und was der Euro nach einem solchen Drama noch wert gewesen wäre, wissen wir nicht.

Ob das Drama vom Spielplan bald abgesetzt werden kann, das liegt nun mehr denn je in Händen der Griechen selbst. Das macht alles nicht leichter, aber es sollte das Ja einfacher machen.

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