Süddeutsche Zeitung

Griechenland:Retten, was zu retten ist

  • In Griechenland könnten bald Regeln gelten, nach denen die Bürger nur noch begrenzt Geld abheben können. Dies soll verhindern, dass alle auf einmal ihre Konten räumen - und die Banken bankrott gehen.
  • Doch der "Bank-Run" hat bereits begonnen.
  • Der griechische Notenbankchef nannte das Bankensystem trotzdem stabil.

Von Christiane Schlötzer

Griechenland ist noch nicht bankrott, jedenfalls nicht offiziell, auch wenn die Staatskassen fast leer sind. Aber viele Bürger des Euro-Landes stellen sich schon auf eine Staatspleite ein, die die Staats- und Regierungschefs auf einem Krisen-Gipfel am Montag noch abwenden wollen. Die Hoffnung, dass sie eine Lösung finden, ist gering: In dieser Woche hoben die Griechen bis Freitag von ihren Banken rund drei Milliarden Euro ab; allein am Freitag waren es nach inoffiziellen Angaben aus Athen noch einmal 1,5 Milliarden. Die Europäische Zentralbank (EZB) stockte die Soforthilfen für das griechische Banksystem erneut auf, ohne genaue Angaben zu machen. Erst am Mittwoch hatte die EZB 1,1 Milliarden gewährt.

Viele Griechen befürchten, dass es in Kürze Kapitalverkehrskontrollen in ihrem Land geben wird. Die sollen eigentlich einen "Bank-Run", einen "Schaltersturm", verhindern. Der aber hat längst begonnen. Die Panik hat auch Bankangestellte erfasst. Ein ausländischer Unternehmer berichtete der Süddeutschen Zeitung, ihm habe man in einer Filiale im Süden der griechischen Hauptstadt geraten: "Heben Sie alles ab." Schlangen gab es am Freitag nicht vor den Automaten. Aber besorgte Stimmen. Ein 62-jähriger pensionierter Matrose sagte: "Ich hole nur ein bisschen Geld zum Einkaufen. Es ist mir egal, ob die Banken schließen. Mit Euro oder Drachme verhungern wir."

Die Griechen wollen den Euro behalten

Am Donnerstagabend gab es erstmals in Athen eine Pro-Euro-Demonstration mit rund 10 000 Teilnehmern. Die Mehrheit der Griechen ist nach Umfragen weiter für den Verbleib ihres Landes im Euro. Premier Alexis Tsipras versuchte am Freitag zu beruhigen und verwies auf den Sondergipfel der Euro-Staatschefs am Montag. Athen habe sich Verhandlungen "auf höchster politischer Ebene in Europa" gewünscht und arbeite an einem Erfolg des Gipfels. Wer auf ein "Szenario der Angst" setze, werde eines Besseren belehrt.

Tsipras war am Freitag in St. Petersburg, wo er sich zum zweiten Mal seit seinem Amtsantritt mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin traf. Dort sagte er, Griechenland befinde sich inmitten eines Sturms. "Aber wir sind Seeleute." Mit der Reise wollte der Linkspolitiker offenbar auch eine Spitze gegen Brüssel setzen. Er pries Russlands "große Rolle in internationalen Prozessen" und nannte das Land einen "alten Freund". Energieminister Panajotis Lafazanis, der mitgereist war, dementierte von St. Petersburg aus einen Bericht der Athener Zeitung Ta Nea, wonach Griechenland schon Benzin und Diesel für neun Monate bunkere, für den Fall eines Grexits. Eine Staatspleite hätte für das importabhängige Land gravierende Folgen.

Pläne für Kapitalkontrollen liegen in Athen bereits in den Schubladen, zur Umsetzung wäre ein Gesetz nötig. Nach Informationen der SZ könnte dabei das Tageslimit mit 50 Euro anfangs deutlich niedriger liegen als in Zypern, das als erstes Euro-Land 2013 den Geldabfluss bremste. Sollte es zum Äußersten kommen, dem Grexit, würden Bankfilialen von Armee und Polizei gesichert. Die Ableger griechischer Banken in Rumänien und Bulgarien würden wohl sofort nationalisiert.

"Wir haben die teuersten Kissen der Welt"

Auch Notenbankchef Giannis Stournaras bemühte sich am Freitag um Beruhigung und nannte das griechische Banksystem stabil. Am Mittwoch hatte er in einem Bericht für das Parlament explizit vor einem Grexit gewarnt. In dem Bankbericht steht auch, wohin das viele Geld von den Konten (seit November 2014 rund 30 Milliarden Euro) geflossen ist: unter Kopfkissen, in Schränke und Schubladen (20 Milliarden Euro). "Wir haben die teuersten Kissen der Welt", twitterte der Abgeordnete der liberalen Oppositionspartei Potami, Giorgos Mavrotas. Ein anderer Twitterer meinte: "Das Geld ist doch in den Blumentöpfen, wir züchten Geldbäume."

Weniger zu Scherzen aufgelegt war Parlamentspräsidentin Zoi Konstantopoulou. Sie warf Stournaras vor, er habe mit den Mahnungen seine Kompetenzen überschritten. Die Syriza-Abgeordnete Rachel Makri zeigte Stournaras deshalb sogar an und warf ihm vor, für den Ansturm auf die Banken verantwortlich zu sein.

Inzwischen liegt auch der Bericht einer "Wahrheitskommission" des Parlaments vor. Der kommt zu dem Schluss, Athen sollte seine Schulden "nicht zurückzahlen", da diese "illegal" seien. Frühere Regierungen und die EU hätten 2010 "konspiriert", um die "Finanzinstitutionen zu schützen", statt Griechenland zu retten. Die Zeitung Kathimerini meinte, der Bericht mache Tsipras einen Kompromiss noch schwerer.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2529147
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 20.06.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.