Griechenland:Griechenland braucht eine Pause vom Sparen

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Demonstranten gehen in Athen gegen die Austeritätspolitik auf die Straße. (Foto: dpa)

Sonst hat die griechische Wirtschaft keine Chance, sich zu erholen.

Von Nikolaus Piper

Es war ein bitteres und ein brandgefährliches Wochenende. Das Ringen um ein neues Hilfspaket für den strauchelnden griechischen Staat hat Wunden geschlagen, die so schnell nicht heilen dürften. Damit sie überhaupt heilen können, muss das Paket mit seinen harten Auflagen, mit seinen Eingriffen in die Souveränität des Landes Erfolg haben, einen Erfolg, den die Menschen in Griechenland spüren. Das mag trivial klingen, ist es aber nicht.

Bisher geht es in der Griechenland-Frage um Politik: Welche Mehrheit bekommt Tsipras für das Hilfspaket im Parlament? Wie wird sich die CDU/CSU-Fraktion entscheiden? Künftig geht es um Ökonomie, und nach jetziger Lage sieht es nicht gut aus. Das ausgehandelte Programm ist zwar im Kern richtig. Wenn es jedoch so wie geplant umgesetzt wird, dann dürfte es scheitern. Letztlich reduziert sich alles auf eine Kennzahl: Wirtschaftswachstum. Wenn Griechenland wieder kräftig wächst, etwa wie das einstige Krisenland Irland mit seinen 4,8 Prozent, dann ist das Schlimmste vorbei. Dann haben die Gläubiger auch Chancen, einen Teil ihres Geldes wiederzusehen. Schrumpft die Wirtschaft weiter, dann nähert sich Griechenland dem Status eines failed state, dann wäre alles vergebens gewesen, dann gehen auch die Gläubiger leer aus.

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Entscheidend ist, dass wieder in das Land investiert wird

Viel steht auf dem Spiel. Zunächst ist mit dem Missverständnis aufzuräumen, die Griechen hätten nicht gespart. Natürlich habe die Griechen gespart, und wie. Im Herbst, also vor dem Amtsantritt von Alexis Tsipras, erwirtschaftete die Regierung im Primärhaushalt, also ohne Berücksichtigung des Schuldendienstes, einen Überschuss. Die Reallöhne sind seit Ausbruch der Finanzkrise um 20 bis 25 Prozent gesunken, je nachdem welche Statistik man zu Rate zieht. Was fehlt, ganz oder weitgehend, sind Strukturreformen: eine moderne Arbeitslosenversicherung, funktionierende Finanzämter, eine unabhängige Steuerbehörde. Manches wurde beschlossen und nicht umgesetzt, anderes verschleppt oder gar nicht erst verabschiedet.

Diese Mischung aus sparen und Reformdefiziten ist mit dafür verantwortlich, dass die Lage Griechenlands wirtschaftlich heute nur mit der Deutschlands in der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre zu vergleichen ist. Schuld daran sind die früheren Regierungen in Athen, rechte wie linke, schuld sind die Gläubiger, die Kürzungen wesentlich konsequenter verlangten als Reformen. Schuld ist schließlich Alexis Tsipras, unter dessen Herrschaft die Wirtschaft in den freien Fall überging.

Diese fatale Dynamik muss gedreht werden. Die Ziele der Gläubiger lassen sich nicht mit mehr sparen erreichen. Stattdessen muss es darum gehen, beschleunigt zu reformieren und behutsam zu sparen. Es wäre sogar gut, Griechenland für ein Jahr ein Spar-Moratorium zu gönnen. Welcher vernünftige Mensch käme auf die Idee, mitten in der Krise die Mehrwertsteuer zu erhöhen? Griechenlands Gläubiger fordern es.

Alles hängt davon ab, ob in Griechenland wieder investiert wird

Das wird weiteres Wachstum kosten. Alles wird davon abhängen, ob in Griechenland wieder investiert wird. Das können öffentliche Investitionen sein, noch wichtiger sind aber private. Deshalb ist es so wichtig, die Banken so schnell wie möglich mit Kapital auszustatten. Kein Unternehmer kann ohne Kredit eine Fabrik bauen. Ein fataler Fehler von Tsipras war es vor diesem Hintergrund, die Privatisierungen in Griechenland zu stoppen. Es geht dabei ja nicht nur darum, Geld in die Staatskasse zu bringen, sondern auch privates Kapital zu mobilisieren. Wer einen Staatsbetrieb kauft, der steckt in der Regel Geld hinein, der bringt Wissen und Management-Erfahrung mit. All das macht die Betriebe produktiver.

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Das betrifft zunächst die Regierung in Athen. Tsipras muss die Reformen zu seinen eigenen machen: Wer sollte in einem Land investieren, dessen Regierung nur Befehle ausführt? Die Gläubiger müssen mehr Weisheit zeigen als bisher. Das Thema Grexit muss vom Tisch, zumindest für die nächsten drei Jahre. Und vor allem: Die Schulden müssen tragbar sein. Griechenland braucht dazu einen viel höheren Schuldennachlass als bisher gedacht. Dazu müssen die Schulden nicht unbedingt nominell gestrichen werden, aber die Gläubiger müssten für bis zu 30 Jahre auf Zins und Tilgung verzichten, wie der Internationale Währungsfonds vorgerechnet hat. Ja, das Hilfspaket kann Erfolg haben. Aber die Voraussetzungen fehlen noch.

© SZ vom 16.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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