Griechenland:Mühsame Reformen

Die Griechen streiten über höhere Steuern. Der Bildungssektor bleibt erst mal außen vor. Stattdessen sollen Weintrinker zur Kasse gebeten werden.

Von Mike Szymanski, Istanbul

Trinken und Spielen für die Bildung - nach wochenlangen Verhandlungen mit den Kreditgebern hat sich die griechische Regierung mit Brüssel darauf verständigt, wie und vor allem wo Griechenland Geld auftreiben soll, um das Land zu sanieren. Als Premier Alexis Tsipras aus der Not heraus entgegen seiner früheren Versprechen den Besuch von Privatschulen mit 23 Prozent besteuern lassen wollte, standen die Bürger Kopf. Für Tsipras hieß das: weitersuchen. Am Dienstag präsentierte Finanzminister Euklid Tsakalotos Ergebnisse: Die Flasche Wein soll teurer werden, um 30 Cent. Und auch die Wettspiele werden künftig höher besteuert, damit die Bildung nicht teurer werden muss.

Tsipras befindet sich im Reform-Praxistext. Im Sommer vereinbarten er und die europäischen Geldgeber ein Hilfsprogramm von 86 Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren für das hochverschuldete Land. Geld gibt es aber nur gegen Leistung. Das Land wartet dringend auf zwei weitere Milliarden. Weil Athen aber in Verzug geraten war - nur ein Drittel der geplanten Vorhaben - waren rechtzeitig umgesetzt, stockte der Geldfluss. Bis Dienstag. Da meldete sich früh am Morgen Tsakalotos zu Wort: "Wir haben uns auf das, was erforderlich war, geeinigt." Später am Tag sagte EU-Währungskommissar Pierre Moscovici in Brüssel: "Das ist ein guter Tag." Das griechische Parlament muss nun, wohl am Donnerstag, noch die nötigen Gesetze beschließen.

Im Berliner Bundesfinanzministerium will man das Votum der Griechen erst einmal abwarten. Finanzstaatssekretär Jens Spahn sagte: "Jetzt muss Griechenland auch liefern. Und nach einer zügigen Gesetzgebung in Griechenland muss dann die Troika die korrekte Umsetzung schriftlich bestätigen." Erst danach könne über die Freigabe der Mittel entschieden werden. Das werde im Zweifel erst Anfang nächster Woche sein.

In jedem Fall bringt die Einigung neue Härten für die Griechen mit sich. Dieses Mal trifft es auch die verschuldeten Wohnungs- und Hausbesitzer, für die sich Tsipras vor Wochen in einen regelrechten Häuserkampf gestürzt hatte. Gestritten wurde mit den Geldgebern darüber, wann Banken die Immobilien von Schuldnern, die ihre Kredite nicht mehr bedienen können, zwangsversteigern können.

In der Krise waren auch zahlreiche Kreditnehmer unter Druck geraten. Schätzungen zufolge sind 320 000 Wohnungsbesitzer mit ihren Raten im Rückstand. Die Not der griechischen Banken ist auch wegen dieser vielen faulen Kredite so groß. Gegen die Schuldner hatten sie bisher kaum eine Handhabe. Bisher musste niemand wirklich fürchten, seinen Erstwohnsitz zu verlieren.

Hausbesitzer mit schwachem Einkommen sollen geschont werden

Eine Art Vollschutz soll es - so die Vereinbarung - nur noch für 25 Prozent der Eigentümer geben, die ihre Raten nicht mehr zahlen können. Es soll niemand seine Immobilie verlieren, wenn sie einen Wert von 170 000 Euro nicht überschreitet und das Jahreseinkommen für den Einzelnen 8180 Euro nicht übersteigt, für die vierköpfige Familie gilt als Obergrenze 21 000 Euro. Bei Fällen mit mehr Einkommen entscheidet unter anderem die Zahlungsmoral und der Immobilienwert über das weitere Vorgehen. In vier Jahren soll die Regelung überprüft werden.

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