Süddeutsche Zeitung

Griechenland:Lieber mehr Geld für Athen als Schuldenerleichterungen

Lesezeit: 2 min

Von Cerstin Gammelin und Alexander Mühlauer, Berlin/Brüssel

Die Bundesregierung will umfassende Schuldenerleichterungen für Griechenland verhindern und erwägt, Athen stattdessen mit einem zusätzlichen Milliardenpolster unterstützen. Das geht aus Verhandlungspapieren der europäischen Unterhändler hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Konkret heißt es darin, "wenn ein solcher Cash-Puffer (von Athen) dazu genutzt wird, die finanziellen Verpflichtungen von 2019 an zu begleichen, können die geplanten Schuldenerleichterungen reduziert werden". In den Dokumenten findet sich eine einfache Rechnung: Für jede fünf Milliarden Euro, die zusätzlich ausgezahlt werden, könnten anvisierte Schuldenerleichterungen - wie etwa die Streckung von Krediten - um zwei Jahre verringert werden.

Im Gespräch ist, Athen finanziell so auszustatten, dass das Geldpolster mindestens bis 2022 ausreicht, um alle Kreditraten an die Euro-Staaten und den Internationalen Währungsfonds (IWF) bedienen zu können. Dieses Datum liegt nach der nächsten regulären Bundestagswahl. Deutschland ist fest entschlossen, so wenig Schuldenerleichterungen wie möglich zu vereinbaren. Hintergrund ist die Sorge, dass es im Bundestag bei einem entsprechenden Beschluss großen Widerstand geben könnte, sowohl in der Unionsfraktion als auch von Seiten der FDP und der AfD. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte sich zu seiner Verhandlungslinie bisher bedeckt gehalten und lediglich erklärt, er wolle eine Lösung, die keine neuen Schlagzeilen produziere und für alle Seiten gut sei.

IWF soll nicht mehr beim nächsten Programm mitmachen

Tatsächlich wäre es relativ einfach, aus dem noch bis August laufenden Kreditprogramm mehr Geld auszuzahlen als bisher geplant. Von dem bis zu 86 Milliarden Euro umfassenden Topf hat Griechenland bislang 45,9 Milliarden Euro erhalten. Die EU-Kommission hat bereits ein zusätzliches Finanzpolster von elf Milliarden Euro vorgeschlagen. Dieses müsse allerdings aufgestockt werden, wenn Deutschland auf so wenig Schuldenerleichterungen wie möglich beharre, verlautete aus EU-Kreisen. In Berlin hieß es, dass der Cash-Puffer eine von mehreren Lösungen sei, um ein glaubwürdiges Gesamtpaket zu erreichen.

Eine weitere Option wäre es, dass die Europäer die an Griechenland vergebenen IWF-Kredite zurückkaufen. Frankreich dringt zudem auf einen Mechanismus, der Schuldenerleichterungen an das künftige Wirtschaftswachstum des Landes koppelt. Beides lehnt Berlin ab. Während die Bundesregierung die Laufzeiten der laufenden Kredite gar nicht verlängern will, fordert Frankreich 15 Jahre. Der Cash-Puffer wäre eine Möglichkeit, sich anzunähern.

Eine Einigung soll es kommende Woche beim Treffen der Euro-Finanzminister geben.

EU-Diplomaten zufolge hat man sich intern darauf geeinigt, von einer finanziellen Beteiligung des IWF am dritten Griechenland-Programm abzusehen. Diese war ursprünglich von der Union zur Bedingung dafür gemacht worden, dass man überhaupt weiteren Krediten für Athen zugestimmt hatte. Angesichts der IWF-Forderung nach Schuldenerleichterungen ist die Unionsfraktion davon abgekommen.

Vor dem geplanten Abschluss des dritten Hilfsprogramms im August legte die griechische Regierung dem Parlament in Athen vergangene Woche noch einmal ein Reform- und Sparprogramm vor. Bis 2022 sollen fünf Milliarden Euro eingespart werden - etwa durch Rentenkürzungen, höhere Rentenbeiträge und die Senkung des Steuerfreibetrags.

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Quelle:
SZ vom 12.06.2018
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