Über Monate hat sich die griechische Krise durch alle Instanzen nach oben gearbeitet. Jetzt, in der Nacht zu Dienstag, saßen gleich vier Präsidenten und die deutsche Regierungschefin zusammen, um ein letztes Angebot an Athen abzustimmen. Es dürfte das Angebot werden, an dem sich der Verbleib Griechenlands im Euro entscheidet.
Dass die Chefs persönlich zusammensaßen, ist der komplizierten Lage geschuldet. Gleich an zwei Stellen müssen politische Mehrheiten gefunden werden, die bisher nicht möglich zu sein schienen. Zugleich müssen die Chefs verhindern, dass Griechenland per Zufall ins Aus rutscht - was rasch passieren würde, wenn Athen seine Kredite nicht mehr bedienen kann. Das zu verhindern, ist die schwierigste Aufgabe in fünf Jahren Krisenpolitik.
Die nächtliche Runde im Kanzleramt betraf den ersten Teil dieser Aufgabe. Dieser besteht darin, dass sich die drei Kreditgeber - also die Euro-Länder, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds - auf ein Angebot an Athen einigen. Dass sich nach dem Treffen zumindest eine Einigung abzeichnet, zeigt, wie schwierig es ist, in dieser Dreierkonstellation zu arbeiten. Nur wenn sich alle drei einig sind, fließt Geld.
Gläubiger und Schuldner ringen - miteinander und untereinander
Allerdings sind die drei Gläubiger aus unterschiedlichen Interessen an der Unterstützung Athens interessiert. Die Euro-Länder haben die Währungsunion auch aus politischem Kalkül gegründet, weshalb das chronisch defizitäre Griechenland überhaupt in den Euro-Klub aufgenommen wurde. Sie sind folglich eher zu Zugeständnissen bereit als die Partner.
Die Europäische Zentralbank folgt klaren Regeln. Verletzt sie diese sichtbar - etwa indem sie einen Staat finanziert -, verliert sie an Glaubwürdigkeit; und mit ihr die gesamte Währungsunion. Für den Weltwährungsfonds wiederum zählen die Grundrechenarten. Errechnet der Fonds aus den vorliegenden Daten, dass sich Finanzhilfe lohnt, weil sie einen Staat wieder auf die Beine kommen lässt, ist der IWF dabei. Ergibt das Addieren und Multiplizieren dagegen ein Ergebnis, das diesem Ziel widerspricht, steigt der IWF aus.
Daraus ergibt sich im Fall Griechenland ein bislang unlösbares Dilemma. Der IWF hat ausgerechnet, dass Athen seine Schulden nicht tragen kann und fordert einen Schuldenschnitt. Die Euro-Länder sollen einen Teil der Kredite abschreiben. Für Berlin ist das aber nicht verhandelbar. Ergebnis: Im Kanzleramt war nur mit Mühe ein Kompromiss zu finden.
Das internationale Vertrauen schwindet, die Partner sind nervös
Den zweiten Teil der Aufgabe hat Athen zu erfüllen, insbesondere Premierminister Alexis Tsipras. Er muss in seiner Koalition und im Parlament eine Mehrheit finden, die dem Angebot der Kreditgeber zustimmt - und verspricht, alle Verpflichtungen umzusetzen. Womöglich muss Tsipras dafür neue Verbündete suchen und seine Koalition umbilden. Scheitert er, ist er nicht nur sein Amt los. Sondern Griechenland auch den Euro.
Die ohnehin schwierigen Aufgaben werden erschwert durch die Tatsache, dass Athen praktisch keinen Cent mehr in den Kassen hat, um Kredite zu bedienen und Staatsbedienstete zu bezahlen. Zugleich heben die Bürger wöchentlich Millionen Euro von den Banken ab; der ganz normale Zahlungsverkehr steht vor dem Zusammenbruch. Um das Schlimmste zu verhindern, erhöht die Europäische Zentralbank beinahe wöchentlich ihre Nothilfe.
Nie zuvor in der Geschichte der Euro-Zone musste die Gemeinschaft mit einer so großen Unsicherheit über ihre eigene Zukunft umgehen wie jetzt. Das internationale Vertrauen schwindet, die Partner sind nervös. Die Mahnungen, die sich die Euro-Länder auf dem G-7-Gipfel werden anhören dürfen, könnten nützlich sein, Athen weiter als Chefsache zu behandeln.