Griechenland-Krise:Wenn Merkel den Papandreou machen würde

Spart! Spart mehr! Und spart noch mehr! Diese Aufforderung müssen sich die Griechen seit Monaten anhören. Dabei stellt sich die Frage: Was käme auf die Menschen in Deutschland zu, wenn das Land so sparen müsste wie Griechenland?

Johannes Aumüller

Die Griechen sind zu bedauern. Sparaufforderung folgt auf Sparaufforderung, vergangenes Jahr knapp zwölf Milliarden Euro, bis 2015 noch mal 28 Milliarden, dazu bitte Privatisierungen, so 50 Milliarden wären nicht schlecht - und als Krönung des Ganzen auch noch die ständigen Ratschläge aus dem Ausland, da sei doch auf der Ausgabenseite wohl noch was zu machen. An diesem Mittwoch hat der hellenische Ministerpräsident Giorgos Papandreou das neue Sparpaket durchs Parlament gebracht.

Greece's Prime Minister Papandreou walks past Germany's Chancellor Merkel after a family photo at an European Union leaders summit in Brussels

Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou zusammen mit Kanzlerin Angela Merkel nach einem Treffen in Brüssel.

(Foto: REUTERS)

Mal abgesehen davon, dass es selbst aus ökonomischer Sicht problematisch ist, nur zu sparen, drängt sich dabei vor allem eine Frage auf: Ist den Beobachtern aus der Ferne bewusst, welche Auswirkungen all diese Entscheidungen auf das Leben der Griechen haben?

Ausgaben wurden im letzten Jahr um fünf Prozent und damit um rund zwölf Milliarden Euro reduziert - in Relation zur deutschen Wirtschaft entspräche das knapp 120 Milliarden Euro. Beim aktuellen Sparpakte ging es um 28 Milliarden Euro, umgemünzt auf die Verhältnisse hierzulande wären das fast 300 Milliarden Euro. Und die Privatisierungen in Höhe von 50 Milliarden Euro entsprächen dann 550 Milliarden Euro. Es scheint unvorstellbar, dass die deutsche Politik so etwas stemmen könnte.

Gewiss: Solche Vergleiche hinken immer, Zahlen und Daten lassen sich kaum übertragen. Die Summe von 28 Milliarden Euro ist streng genommen kein reines Sparpaket, sondern ein Mix aus Kürzungen und Steuererhöhungen, manche Maßnahme bleibt nebulös. Dennoch können solche Vergleiche nützlich sein, um die derzeitige Situation der griechischen Bürger zu verstehen. Was also wären die Folgen, wenn Kanzlerin Angela Merkel den Papandreou machen würde - und Deutschland das griechische Sparprogramm eins zu eins umsetzen müsste?

Die erste Folge: Die meisten Menschen hätten erheblich weniger Geld zur Verfügung. Ein durchschnittlicher Rentner käme nur noch auf knapp 900 Euro monatlich statt auf gut 1000 Euro. Unverheiratete Geringverdiener mit einem monatlichen Einkommen von lediglich 450 Euro müssten Steuern zahlen. Ein junger Lehrer erhielte monatlich nicht mehr rund 3300 Euro brutto, sondern nur noch zirka 3000 Euro. Auf fast alle Arbeitnehmer käme einerseits eine Gehaltskürzung von 20, 30 oder gar 50 Prozent, andererseits eine neue Krisensteuer von ein bis vier Prozent zu.

Die zweite Folge: Das Leben würde teurer werden, denn auf viele Güter gäbe es deutlich höhere Steuern. Wirte, Tankstellenbesitzer oder Handwerker würden sie wohl größtenteils an die Verbraucher weitergeben. Eine Pizza könnte statt 5,90 Euro schnell 6,40 Euro kosten, die jährliche Kfz-Steuer für einen Golf IV Diesel betrüge nicht mehr 226 Euro, sondern knapp 250 Euro, und für eine 17-Stück-Schachtel Zigaretten müssten knapp fünf Euro gezahlt werden. Im Einzelfall sind das keine üppigen Posten, doch in der Summe kommt da einiges zusammen - zumal die Menschen netto über viel weniger Geld verfügen.

Die dritte Folge: Die Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt wären übel. Die meisten Unternehmen würden entweder gar nicht mehr einstellen oder nur mickrige Löhne bezahlen. Die Zahl der Beamten müsste in den kommenden Jahren um ein Viertel sinken, also um rund 500.000; nur noch jede zehnte freiwerdende Stelle würde neu besetzt.

Die vierte Folge: Die Bildungspolitik würde massiv leiden. Zwar ist in den griechischen Sparplänen hier keine Rede von Kürzungen - allerdings auch nicht von Erhöhungen. Sämtliche Projekte in diesem Ressort blieben also erst einmal auf der Strecke.

Die fünfte Folge: Der Staat müsste sich von einigen wichtigen Besitztümern verabschieden, um auf die Summe von 550 Milliarden Euro zu kommen. Von Immobilien, Ländereien oder auch dem Schienennetz der Deutschen Bahn, dessen Wert auf zirka 130 Milliarden Euro geschätzt wird.

Die Zahlen zeigen, wie einschneidend die Bemühungen in Griechenland sind. Welche gesellschaftlichen Auswirkungen derart drastische Einsparungen in Deutschland hätten, kann niemand abschätzen. Reaktionen und Demonstrationen wie derzeit in Griechenland wären aber wohl auch hier zu erwarten.

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