Süddeutsche Zeitung

Gespräche mit der EU:Wer anstelle von Varoufakis die Griechen retten soll

Lesezeit: 2 min

Von Christiane Schlötzer und Cerstin Gammelin, Brüssel/München

Nach der Teil-Entmachtung von Finanzminister Yanis Varoufakis drückt Premier Alexis Tsipras in Athen aufs Tempo. Schon vor der nächsten Beratung der Euro-Finanzminister am 11. Mai rechne er mit einem Kompromiss zur griechischen Reformagenda, sagte Tsipras am Dienstag. Eine Einigung wäre Voraussetzung für neue Kredithilfen an Athen. Das Datum ist bedeutend, denn bereits am 12. Mai muss Griechenland 700 Millionen Euro an den IWF zurückzahlen.

In einem gut zweieinhalb Stunden langen Interview im griechischen Privatsender Star gestand Tsipras am Montagabend ein, dass die Gespräche in der Euro-Zone mit Varoufakis in einer Sackgasse gelandet seien. "Ich muss zugeben, es gibt ein negatives Klima", sagte er, die anderen EU-Finanzminister wollten "definitiv nicht mehr mit Varoufakis verhandeln". Tsipras fügte aber hinzu, Varoufakis sei nach wie vor "ein Aktivposten" der Regierung.

"Keine Diven"

Wer in Athen nach Einschätzungen zu den neuen Verhandlern Euklides Tsakalotos und Giorgos Houliarakis fragt, hört Sätze wie: "Beide sind keine Diven." Während der kantige Varoufakis glamouröse Auftritte sichtlich genießt, gelten die zwei Wirtschaftsprofessoren als bescheiden und freundlich. Tsakalotos ist Vize-Außenminister, er soll nun ein neues "politisches Verhandlungsteam" führen.

Der Grieche wurde 1960 in Rotterdam geboren, hat in Oxford und Sussex Ökonomie und Philosophie studiert, er spreche besser Englisch als Griechisch, heißt es. Als der erklärte Marxist jüngst auf einem Kongress der irischen Partei Sinn Féin auftrat, entschuldigte er sich für sein geschliffenes britisches Englisch. Die Zuhörer jubelten; auch über diesen Satz: "Wir verlangen keine Sonderkonditionen, aber wir wollen gleiche Behandlung in einem Europa der Gleichen."

Seit 2012 ist Tsakalotos Mitglied des griechischen Parlaments, er gehört auch der Parteiführung von Syriza an. Mit Tsipras dürfte er sich schon deshalb enger absprechen als Varoufakis dies tat, der überwiegend als Solist auftrat.

Die Euro-Gruppe ist trotzdem unzufrieden

Giorgos Houliarakis, der für die Gespräche mit der "Brussels Group" verantwortlich ist, wo es um Daten und Fakten geht, gilt als kompetent und verbindlich. Er hat in Athen und England Wirtschaft studiert und zuletzt in Manchester gelehrt. Wie Tsakalotos hat Houliarakis einen guten Draht zu Giannis Stournaras, der Finanzminister in der konservativen Samaras-Regierung war und nun Zentralbankchef ist.

Schon am Montagabend legten die griechischen Unterhändler den Kollegen aus der Euro-Gruppe erstmals einen Entwurf für ein Reformgesetz vor. Für einen Durchbruch habe es aber "bei weitem nicht gereicht", hieß es nach einer Telefonkonferenz. Es fehlten weiterhin Reformen zum Arbeitsmarkt und im Rentensystem. Mit solchen Maßnahmen sollen mittelfristig drei Milliarden Euro eingespart werden. Zwar hat Tsipras fiskalische Reformen in Aussicht gestellt, sie gelten in Athen aber als Verhandlungsmasse. Unzufrieden ist die Euro-Gruppe auch mit der griechischen Idee, Fünf-Sterne-Hotels mit einer Luxussteuer zu belegen. Eine solche Steuer verhindere die angestrebte Angleichung der Mehrwertsteuersätze, hieß es. Am Mittwoch wollen die Staatssekretäre der Euro-Gruppe erneut telefonieren.

Tsipras will, dass sein Kabinett in Athen schon am Donnerstag ein neues Reformprogramm verabschiedet. Danach soll das Parlament das Gesetzespaket billigen. Dies dürfte für Syriza ein abermaliger Test werden, da Teile des Linksbündnisses die von den Kreditgebern verlangten Reformen von Renten und Arbeitsmarkt klar ablehnen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2456296
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 29.04.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.