Griechenland kämpft um Steuern:Ein Loch von 60 Milliarden Euro

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Griechenland benötigt dringend Geld, kommt aber nicht ran - selbst im eigenen Land nicht: Athen wird einen großen Teil seiner ausstehenden Steuereinnahmen abschreiben müssen. Hinzu kommt: Hunderte Milliarden Euro von reichen Griechen sollen in der Schweiz liegen.

Christiane Schlötzer

Griechenland sind in den vergangenen Jahren durch Steuerhinterziehung riesige Summen entgangen. Derzeit wartet der griechische Staat noch auf ausstehende Steuern in Höhe von rund 60 Milliarden Euro. Einen großen Teil davon müssen die Finanzbehörden wohl in den Wind schreiben. Denn allein 30 Milliarden Euro sind Gegenstand von insgesamt 165.000 Steuerverfahren vor den Gerichten. Einige davon ziehen sich schon länger als zehn Jahre hin.

"Es gibt eine Kultur, die eher die Produktion von Gesetzen fördert als die von Ergebnissen." (Foto: AFP)

Dies geht aus dem ersten Bericht der "Task Force Griechenland" hervor, die auf Wunsch der Athener Regierung von der EU-Kommission seit September die Verwaltung des Krisenlandes durchleuchtet und Verbesserungsvorschläge macht.

Der Leiter der Gruppe, der deutsche EU-Beamte Horst Reichenbach, sprach am Donnerstag in Brüssel zudem von "gewaltigen Summen, die von Griechen in die Schweiz" gebracht worden seien. Genauere Angaben machte Reichenbach dazu nicht. Schweizer Medien schätzten das Vermögen reicher Griechen in ihrem Land zuletzt auf rund 350 Milliarden Franken (286 Milliarden Euro). Die Finanzbranche des Alpenlandes wies dies aber als übertrieben zurück.

Rasche Erfolge ermöglich

Griechenland leidet unter einem Schuldenberg von rund 350 Milliarden Euro. Dafür werden neben Korruption und Misswirtschaft auch die Unfähigkeit und Unwilligkeit der Behörden beim Eintreiben von Steuern verantwortlich gemacht. Besonders Großverdiener und große Unternehmen wurden offenbar immer wieder geschont oder schafften es, sich um das korrekte Steuerzahlen herumzudrücken.

Die griechische Regierung wolle nun für diesen Personenkreis spezielle Steuerbüros einrichten, heißt es in dem Bericht. Dass rasche Erfolge möglich sind, erwähnte Reichenbach auch. So hätten einige wenige Finanzbeamte in den vergangenen sechs Monaten durch Anwendung neuer Methoden allein 112 Millionen Euro an ausstehenden Steuern eingetrieben. Experten aus verschiedenen EU-Ländern, unter anderem aus Deutschland, Frankreich, Österreich, Norwegen, Dänemark und Estland, haben Athen in diesem Bereich nun ihre Hilfe angeboten.

Ein großes Problem bleibt aber, wie der Bericht anmerkt, die völlig überlastete und überforderte Justiz in Griechenland. Der Hang, Streitigkeiten mit den Behörden vor Gericht auszutragen - nicht selten in der Hoffnung, eine Lösung bis auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben - ist groß. Die Komplexität und Widersprüchlichkeit griechischer Gesetze und staatlicher Verordnungen erschwert die Situation zusätzlich. Dies wurde Reichenbachs kleinem Team, das in Athen und Brüssel arbeitet, rasch klar: "Es gibt eine Kultur, die eher die Produktion von Gesetzen fördert als die von Ergebnissen." Auch die Umsetzung administrativer Reformen werde oft nicht überwacht. Es fehle an der Koordination zwischen den einzelnen Teilen der Verwaltung.

Mängel sieht Reichenbach auch bei der öffentlichen Ausschreibung staatlicher Aufträge. Im Durchschnitt dauere die Vergabe eines öffentlichen Auftrags 230 Tage - das ist mehr als doppelt so lange wie im EU-Durchschnitt. Auch hier landet zu vieles vor Gericht, und viele Aufträge werden freihändig verteilt. Das wiederum lädt zu Korruption und Preisabsprachen geradezu ein.

Reformen hält die Kommission auch im viel zu teuren staatlichen Gesundheitswesen für nötig. Die Privatisierung von Staatsbetrieben kommt zudem viel langsamer voran als geplant, auch das geht aus dem Bericht hervor. Der Chef der griechischen Privatisierungsbehörde, Kostas Mitropoulos, protestierte am Donnerstag umgehend gegen die entsprechenden Passagen in Reichenbachs Resümee. Kleineren und mittleren Privatbetrieben will die Task Force durch erleichterten Zugang zu EU-Fördermitteln unter die Arme greifen.

© SZ vom 18.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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