Griechenland:Fünf Aufgaben, die Tsipras jetzt anpacken muss

Leftist Syriza party leader and winner of the Greek general elections Tsipras writes down notes at this office at the party's headquarters in this handout photo released by the Syriza press office in Athens

Griechenland: Syriza-Chef Alexis Tsipras nach seinem Sieg bei den Parlamentswahlen

(Foto: Andrea Bonetti/Reuters)
  • Griechenlands künftiger Premier Tsipras steht vor großen Herausforderungen.
  • Er muss die Banken stabilisieren, die Forderungen der Gläubiger erfüllen, die Wirtschaft stärken und Jobs schaffen.
  • Für dezidiert linke Politik könnte Tsipras nur wenig Raum haben.

Analyse von Jakob Schulz

Aufgabe eins: Kreditgeber bei Laune halten

Menschen jubeln, schwenken rote Syriza-Fahnen, Hoffnung liegt in der Luft: Die Stimmung bei den Syriza-Anhängern ist nach dem klaren Sieg der Partei bei den Parlamentswahlen ausgezeichnet. Doch schon am Tag nach der Wahl muss Parteichef Alexis Tsipras das Feiern einstellen. Er und seine Regierung stehen vor gewaltigen Herausforderungen.

Am wichtigsten: Tsipras muss das Memorandum of Understanding (MoU) implementieren, also die Vereinbarungen mit den internationalen Kreditgebern einhalten. Dies ist umso wichtiger, als von Oktober an eine Überprüfung der Reformfortschritte geplant ist. Nur wenn die Regierung die vereinbarten Reformen durchsetzt, fließen dringend benötigte Milliarden aus dem dritten Kreditpaket.

Zwar hatte Tsipras vor der Wahl behauptet, dass er das Spar- und Reformprogramm nachverhandeln wolle. Das dürfte jedoch Wahlkampfgetöse gewesen sein, sagt der Athener Ökonom Jens Bastian der SZ. "Das Kreditpaket wieder aufzuschnüren ist Zukunftsmusik. Im Moment geht es vielmehr darum, es zu implementieren."

Aufgabe zwei: Banken wieder arbeitsfähig machen

Griechenlands Banken spielen in der Schuldenkrise eine große Rolle. Sie unterstützten die Regierung zuletzt massiv, indem sie ihr regelmäßig kurzfristig Geld liehen. Im Sommer gerieten die Institute immer mehr unter Druck: Angesichts eines drohenden Euro-Austritts hoben zahllose Griechen panisch Geld ab. Die Bargeldvorräte gingen zur Neige, die Regierung schloss die Banken und führte Kapitalverkehrskontrollen ein.

Aktuell werden die griechischen Banken einem Stresstest unterzogen. Sobald die Ergebnisse vorliegen, muss die Regierung entscheiden, ob Banken fusioniert oder abgewickelt werden müssen. In jedem Fall müssen die Institute dringend rekapitalisiert werden, sprich, sie brauchen neues Geld. Im Kreditpaket der internationalen Geldgeber sind dafür schon bis zu 25 Milliarden Euro reserviert. Mit diesen Milliarden würde der griechische Staat dann Anteile an den Banken erwerben oder den Banken notleidende Kreditforderungen abkaufen, erklärt Ökonom Matthias Kullas vom Centrum für Europäische Politik (cep) der SZ.

Anschließend muss Tsipras die Kapitalverkehrskontrollen schnell aufheben. Die meisten Bürger können damit leben, pro Woche nur 420 Euro abheben zu dürfen. Zahllose Firmen leiden jedoch extrem unter den Beschränkungen. So können etwa Unternehmen, die auf Teile aus dem Ausland angewiesen sind, diese wegen der Beschränkungen nicht bezahlen. Neue Kredite vergeben die Banken derzeit ebenfalls nicht. Das setzt auch gesunde Firmen unter Druck. Regulär arbeitende, solvente Banken sind also essenziell, dass die griechische Wirtschaft wieder in Gang kommt.

Aufgabe drei: Wirtschaftsabsturz stoppen, Arbeitslosigkeit mindern

Premier Tsipras muss die darbende griechische Wirtschaft wieder flottmachen. Basis dafür sind nicht nur gesunde Banken, sondern auch schnelle Deregulierungen, sagt Ökonom Matthias Kullas. Diese Deregulierungen sind Teil des Memorandums und wurden teils schon vom Parlament in Athen verabschiedet.

Die Arbeitslosigkeit in Griechenland ist mit mehr als 25 Prozent die höchste in Europa. Angesichts der leidenden Unternehmen wird sich daran schnell nichts ändern. Umso wichtiger ist es, dass die Wirtschaft insgesamt zügig gestärkt wird - mit solventen Banken, dem Ende der Kapitalverkehrskontrollen und Strukturreformen wie Deregulierungen.

Darüber hinaus muss Tsipras ausländische Investoren wieder nach Griechenland locken. Wenig verschreckt Geldgeber so sehr wie politische und wirtschaftliche Unsicherheit. "Tsipras muss sich als verlässlicher Partner zeigen", sagt Ökonom Kullas. So ist es an Tsipras, ausgerechnet das Versprechen seines Rivalen Evangelis Meimarakis von der konservativen Nea Dimokratia einzulösen: Der hatte den Bürgern im Wahlkampf Stabilität und Ruhe versprochen.

Aufgabe vier: Millionen Griechen auf die Füße treten

Je konkreter sich die anstehenden Reformen abzeichnen, desto größer dürfte der Widerstand dagegen werden. "Für viele Griechen werden Pfründe wegfallen", sagt Experte Matthias Kullas. "Es ist ein riesiges Minenfeld, vor dem Tsipras nun steht."

Die mit den Gläubigern vereinbarte Rentenreform betrifft Hunderttausende ältere Griechen unmittelbar. Steuervorteile etwa für Landwirte oder Reeder sollen abgebaut werden, viele Betroffene sträuben sich schon jetzt massiv. Auch hier stehen Tsipras und seiner Regierung heftige Auseinandersetzungen bevor. Die von Syriza stets wortgewaltig abgelehnten Privatisierungen muss der alte und neue Premier Tsipras nun ebenfalls durchsetzen.

Immerhin muss Tsipras keine völlig unrealistischen Wachstumsziele einhalten. Stattdessen ist vereinbart, dass der Primärüberschuss Griechenlands in den kommenden Jahren moderat steigen soll. Der Primärüberschuss bezeichnet den Saldo von Staatsausgaben und Staatseinnahmen vor Abzug des Schuldendienstes. Eine Übersicht von Bloomberg zeigt, dass Tsipras in dieser Hinsicht bereits große Zugeständnisse gegenüber den Geldgebern erreicht hat. So muss Griechenland 2015 nur noch einen Primärüberschuss von minus 0,25 Prozent erzielen, 2016 sind mindestens 0,5 Prozent, 2017 dann 1,75 Prozent gefordert. Diese niedrigeren Ziele erlauben es dem Premier, weniger zu sparen beziehungsweise mehr zu investieren.

Aufgabe fünf: Trotz allem linke Politik machen

Angesichts der drängenden Aufgaben sehen Beobachter in Athen wenig Spielraum für eigene Akzente. Doch die dürften dringend nötig sein. "Angesichts der Ansprüche, mit denen Syriza dieses Jahr in die Regierung gekommen ist, war sehr wenig linke Politik erkennbar", sagt der Athener Ökonom Jens Bastian.

Gerade im Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft kann Tsipras noch keine beeindruckende Bilanz vorweisen. In der Wahlnacht wählte der künftige Premier denn auch die Korruption zum Hauptthema seiner Rede. Vier Jahre bleiben ihm nun theoretisch, um die über Jahrzehnte gewachsenen Verflechtungen und Abhängigkeiten zu beseitigen.

Es ist eine eigentlich unmögliche Balance: Einerseits muss Tsipras die Vereinbarungen mit den Gläubigern in Gesetze gießen. Andererseits müsste er im Sinne seiner Wähler endlich linke Politik durchsetzen. Stattdessen wird der Premier mittelfristig vor allem die Forderungen der Kreditgeber abarbeiten. Das dürfte die Syriza-Basis über kurz oder lang verärgern - und auch moderate Linke an ihrem charismatischen Parteichef zweifeln lassen.

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