st Griechenland zu retten oder nicht? Die Frage belastet die Politik seit fast zwei Jahren. Es sieht eng aus, in diesen Tagen - die Zeit wird knapp. Es hakt bei den aktuellen Krisengesprächen mit den privaten Gläubigern des südeuropäischen Landes: Diese sollen freiwillig auf 50 Prozent ihrer Forderungen aus griechischen Staatsanleihen verzichten. Das würde die hellenische Schuldenlast um rund 100 Milliarden Euro senken.
Gleichzeitig ist diese Form der Erleichterung die Voraussetzung für weitere Hilfen durch die berühmt gewordene Troika: jenen Dreierbund aus Internationalem Währungsfonds (IWF), EU und Europäischer Zentralbank (EZB), ohne den Griechenland im März pleitegehen würde. Dann muss der Staat Anleihen von 15 Milliarden Euro zurückzahlen.
Doch offensichtlich kommen die Gespräche mit den privaten Gläubigern nicht voran. Außerdem wird Unmut bei den Banken laut - weil sich öffentliche Gläubiger wie die EZB nicht an dem freiwilligen Schuldenschnitt beteiligen.
"Man kann am Ende froh sein, wenn mehr als 50 Prozent der privaten Gläubiger mitziehen", sagt ein Frankfurter Banker, der mit den Gesprächen vertraut ist. EU-Währungskommissar Olli Rehn verbreitet dagegen Optimismus: Das Abkommen sei in Reichweite und damit die Voraussetzung für das zweite Hilfspaket erfüllt.
In EU-Kreisen heißt es, die Beteiligung der Privaten werde zwar nicht 100 Prozent erreichen, aber nicht weit darunter liegen. Insgesamt ist Griechenland mit 350 Milliarden Euro verschuldet. 200 Milliarden Euro davon halten private Investoren wie Banken, Fondsgesellschaften, Pensionsfonds und Hedgefonds. Die Investoren würden ihre bestehenden Anleihen in länger laufende, niedriger verzinste Anleihen tauschen. Dadurch soll die griechische Verschuldung von derzeit 160 Prozent der Wirtschaftsleistung bis 2020 auf 120 Prozent sinken.
Ist der Schuldenverzicht sicher, könnten die Hilfen des IWF und des Rettungsfonds EFSF fließen. Sie machen insgesamt 130 Milliarden Euro aus. Griechenland braucht das Geld dringend.
Zu einem immer größeren Problem wird die Rolle der Hedgefonds. Diese haben sich in den vergangenen Wochen stark mit griechischen Anleihen und entsprechenden Kreditausfallversicherungen eingedeckt, heißt es in Finanzkreisen. Damit würden sie an einer Pleite Griechenlands verdienen. Folglich sind Hedgefonds offenbar gar nicht daran interessiert, dass es zu einer Lösung kommt. Analysten der Bank of America schätzen, dass bereits die Hälfte der Griechen-Anleihen privater Investoren bei Hedgefonds liegen. "Da wird bilateral viel Überzeugungsarbeit nötig werden", erklärt ein Banker.
Verzicht auf 70 bis 80 Prozent der privaten Schulden?
Ohnehin gibt es Zweifel, ob ein Verzicht der privaten Investoren auf 50 Prozent ihrer Forderungen überhaupt reicht. Die Verschuldung Griechenlands steigt immer weiter an; das Land muss einen Großteil des Etats für Zinsen aufwenden. Am Mittwoch wurde bekannt, dass das Staatsdefizit auch 2011 höher war als geplant. Es werde vermutlich bei 9,6 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen, erklärt Entwicklungsminister Michalis Chrysochoidis. Angestrebt waren 9,1 Prozent.
Schon gibt es Vorschläge, dass die privaten Gläubiger auf 70 oder sogar 80 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Die Banken reagieren darauf verärgert. Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, erwidert, die Geldhäuser seien "sehr stark in Vorlage" gegangen - der öffentliche Sektor verzichte dagegen bisher noch nicht auf seine Forderungen. Dies führe dazu, dass immer noch Zweifel bestünden, ob ein Forderungsverzicht der Privaten reiche, die Insolvenz Griechenlands abzuwenden.
150 Milliarden Euro griechische Schulden liegen im öffentlichen Sektor. Dieser war bei der Vereinbarung im vorigen Jahr verschont worden, weil die Politik vor allem Banken für ihr Engagement in Griechenland haften lassen wollte. Ein großer Teil der Forderungen liegt bei der EZB selbst, weil sie Banken in den vergangenen Monaten viele griechische Anleihen abgenommen hat. Ein 50-Prozent-Schuldenschnitt würde die Zentralbank rund 20 Milliarden Euro kosten - eine Belastung für die Bilanz. Für Kritiker ist das Institut von der Frankfurter Kaiserstraße ohnehin längst eine "Bad Bank".
Auch der Chef des privaten Bankenverbandes BdB, Andreas Schmitz, nennt die Lage in Griechenland "weiterhin hoch explosiv". Das Erlassen der Schulden durch Privatgläubiger reiche nicht aus: "Das muss schon Hilfe zur Selbsthilfe sein." Die Wettbewerbsfähigkeit des Landes müsse sich nachhaltig verbessern. Seiner Ansicht nach können nur die Euro-Politiker die Schuldenmisere bekämpfen. Teilweise jedoch hätten ihre bisherigen Lösungsansätze gewirkt wie "Flugversuche eines Pinguins", so Schmitz. Wichtig sei, dass die vereinbarten Beschlüsse zu Rettungsschirmen oder zum Fiskalpakt "zügig umgesetzt werden".