Süddeutsche Zeitung

Griechenland:Der Mann, der den Griechen 130 Milliarden Euro geliehen hat

Als die Griechen den Euro bekamen, gehörte Klaus Regling zu den Skeptikern. Trotzdem musste er den Griechen mehr Geld leihen als irgendwer sonst. Die Geschichte eines historischen Irrtums.

Von Christiane Schlötzer und Mike Szymanski, Athen, Alexander Hagelüken und Ulrich Schäfer

Wenn es jemanden gibt, der das griechische Drama erklären kann und all die Wirrungen rund um den Euro kennt, dann ist es Klaus Regling. Denn er war mittendrin in diesem Drama, von Anfang an. Er erlebte in den 80er Jahren als Beamter im Bundesfinanzministerium, wie Deutschland und Frankreich über die Währungspolitik stritten - und wie daraus am Ende der Euro erwuchs. Auf seinem Schreibtisch im Finanzministerium entstand in den 90er Jahren der Stabilitätspakt, jenes Regelwerk, mit dem die Deutschen Krisen wie die in Griechenland verhindern wollten, weil es alle zum Sparen zwingt. Als Generaldirektor der EU-Kommission wurde er schließlich Zeuge, wie Griechenland seine Etatzahlen schönte, den Stabilitätspakt brach, und konnte nichts dagegen tun.

Und nun, Ironie der Geschichte, versucht ausgerechnet dieser Mann, dieses Land zu retten. Klaus Regling, 64, ein Mann mit einer kleinen, runden Brille, hat den Griechen mit dem Segen der Euro-Staaten mehr Geld geliehen als irgendwer sonst. 130 Milliarden Euro schulden sie dem Europäischen Rettungsfonds, den er aufgebaut hat und seit fünf Jahren leitet. Und Regling gab das Geld nur unter der Bedingung her, dass die Griechen sparen.

"Im Nachhinein muss man sagen: Das Land war nicht bereit"

Aber er weiß auch nicht, ob das gelingt; und ob er sein Geld jemals zurückbekommen wird. Manchmal fragt er sich auch, ob Griechenland jemals in den Euro hätte aufgenommen werden müssen: "Im Nachhinein muss man sagen: Das Land war nicht bereit", sagt Regling.

SZ-Reporter haben sich dazu für das Buch Zwei auf Spurensuche begeben. Sie haben mit Regling und anderen gesprochen, die die Regeln für den Euro geschaffen haben; sie haben mit Menschen in Griechenland geredet, die unter den harten Sparauflagen leiden - und sie haben Haris Theoharis getroffen, der einst der oberste Steuerprüfer der Griechen war und dann, weil er allzu eifrig war, vom Premierminister gefeuert wurde: nicht von Alexis Tsipras, sondern schon von dessen Vorgänger Antonis Samaras. Ein Regierungspolitiker bremste Theoharis einst mit den Worten: "Schau mal, Haris, Steuerhinterzieher sind auch Wähler."

War der Euro-Beitritt der Griechen ein historischer Irrtum? Hätte sich Europa diese dramatische Krise nicht ersparen können, wenn die Verantwortlichen damals gesagt hätten: "Ochi", Nein. "Ochi" - so wie es am Sonntag auch oben auf dem Wahlzettel stehen wird, wenn die Griechen über die Reformvorschläge der Euro-Gruppe abstimmen. Wäre es also an der Zeit, diesen Fehler der Geschichte zu korrigieren? Oder ist das unmöglich, weil dann der gesamte Euro auseinanderfliegt?

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