Griechenland:Bittere Stunden für Tsipras

SYRIZA's Parliamentary group meeting in Athens

Griechenlands Premier unter Druck: Alexis Tsipras auf einer Aufnahme von Mitte Juni in Athen

(Foto: dpa)
  • Griechenlands Premier Alexis Tsipras erlebt beim Treffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel heftige Kritik. Länder wie Portugal oder Irland greifen Tsipras scharf an.
  • Tsipras schlug offenbar einen Sondergipfel zu Griechenland vor, konnte sich allerdings nicht durchsetzen.
  • Im Falle einer Einigung ist absehbar, dass Griechenland nicht die komplette Kreditsumme auf einmal erhält. Stattdessen soll es einzelne Summen nur bei verabschiedeten Teilreformen geben.

Analyse von Christiane Schlötzer, Athen

Es ist ein hartes Erwachen, wie nach einer durchwachten Nacht. "Die Isolierung von Tsipras auf dem Gipfel" titelt die konservative griechische Zeitung Kathimerini am Freitag. Auch die linken Blätter sehen den griechischen Premier mehr denn je in der Enge. Noch am Donnerstagabend hatte der griechische Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis gehofft, die EU-Regierungschefs würden den Knoten in Brüssel durchschlagen. Nun wissen Alexis Tsipras und seine Mitstreiter: Angela Merkel und die anderen EU-Chefs werden es nicht richten. Der Ball ist zurück bei den Finanzministern. Das ist bitter für Tsipras.

Was der Premier auf dem nächtlichen Gipfel in Brüssel erlebt hat, das lässt sich nach griechischen Quellen nun in etwa so rekonstruieren: Heftige Kritik an Athen kam ausgerechnet von den Iren und den Portugiesen. Die mussten selbst schon harte Sparauflagen erfüllen, ohne dass es überhaupt ausführliche Debatten auf EU-Gipfeln gab, wie der irische Regierungschef Enda Kenny anmerkte. Früher habe Tsipras beklagt, Athen sei nie dieselbe Flexibilität bei den Reformen gewährt worden wie Irland und Portugal. Aber, so fragte Kenny den Griechen: Wo sind eure Strukturreformen?

Auch mit EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte Tsipras einen Zusammenstoß. Als Tusk auf Englisch sagte: "The Game is over" (das Spiel ist aus), explodierte Tsipras, wie die Zeitung Ta Nea schreibt. "Das ist kein Spiel", sagte Tsipras und betonte, hinter ihm stünden "1,5 Millionen Arbeitslose, drei Millionen Arme und Tausende Familien ohne Einkommen, die von der Rente ihrer Großeltern leben". Tusk, so drohte Tsipras, sollte nicht unterschätzen, zu was ein "gedemütigtes Volk" fähig sei. "Künftige Historiker" würden nicht verstehen, "dass wir mit unserem Vorschlag zu keiner Einigung kamen".

Besonders hart ging der bulgarische Premier Bojko Borissow mit Tsipras ins Gericht. In seinem Land betrage die Durchschnittsrente nur 180 Euro, weil man sich nicht mehr leisten könne. Borissow zeigte sich auch verärgert, dass Griechenland es schon seit Jahren nicht schaffe, eine gemeinsame Zollfahnder-Einheit mit Bulgarien aufzustellen, um den Grenzschmuggel zu bekämpfen.

Absage an weiteren Sondergipfel

Praktisch als Einziger stand Tsipras der zypriotische Präsident Nikos Anastasiadis zur Seite. Er unterstützte auch den Wunsch des Griechen nach Debatten über eine Schuldenerleichterung. Dafür hatte Tsipras nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sogar einen Sondergipfel vorgeschlagen, wofür er aber die anderen Regierungschefs nicht gewinnen konnte.

Auch mit Kanzlerin Angela Merkel soll es nach SZ-Informationen einen harten Zusammenstoß gegeben haben. Einzelheiten wurden hier aber von griechischer Seite nicht nach außen getragen, wohl weil Athen immer noch auf Merkels Hilfe in letzter Minute zählt.

Am Samstag sollen noch einmal die Euro-Finanzminister tagen. Wie eng es nun für Griechenland ist, das wurde Tsipras auch deutlich gemacht: Die Finanzminister sollen am Samstag auch darüber nachdenken, wie die übrigen Euro-Länder vor den Folgen einer griechischen Staatspleite geschützt werden können.

Sollte es noch eine Einigung geben, dürfte Griechenland erst einmal nur 1,9 Milliarden Euro erhalten, womit Athen am kommenden Dienstag die fällige Rückzahlung an den Internationalen Währungsfonds leisten könnte. Dafür müsste Athen aber auch vorher am Sonntag im Parlament noch das ganze Reformpaket billigen. Erst nach Umsetzung der einzelnen Reformen soll dann schrittweise weiteres Geld fließen.

Für einen letzten Einigungsversuch hat Athen nun noch einen neuen Vorschlag in Brüssel vorgelegt. Darin akzeptiert die Tsipras-Regierung die von den Kreditgebern geforderte Erhöhung der Mehrwertsteuer für Restaurants auf 23 Prozent, nicht aber für Hotels. Die soll bei 13 Prozent bleiben. Man fürchtet andernfalls schwere Einbußen im Tourismussektor. Auch in anderen Punkten kommen die Griechen den Geldgebern ein wenig entgegen. Doch viele Differenzen bleiben.

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