Griechenland-Anleihen:Was Athens Comeback am Kapitalmarkt bedeutet

Griechenland-Anleihen

Ein Mitarbeiter der Börse in Athen: Jetzt spielen die Investoren wieder mit.

(Foto: AFP)

Wie gut steht Griechenlands Wirtschaft wirklich da? Ist ein weiteres Hilfspaket jetzt überflüssig? Was hat die Deutschen die Unterstützung bislang gekostet? Antworten auf die wichtigsten Fragen zum griechischen Anleihe-Programm.

Von Harald Freiberger, Cerstin Gammelin, Claus Hulverscheidt und Markus Zydra

Es ist noch gar nicht lange her, da hatte Griechenland keinen Kredit. Alle, selbst die vorwitzigsten Hedgefonds, ließen die Finger davon. Athen galt als Wackelkandidat.

Aber in den vergangenen Wochen hat sich die Stimmung radikal gewandelt. So kam es, dass die griechische Regierung am Donnerstag ziemlich schnell und günstig einen Kredit in Höhe von drei Milliarden Euro aufnehmen konnte. Es war das erste Mal seit Ausbruch der Euro-Schuldenkrise 2010, dass private Investoren Athen Geld geliehen haben. Der Zinssatz lag bei 4,75 Prozent, was lächerlich niedrig anmutet, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Griechenland in der schlimmsten Krisenphase fast 40 Prozent bezahlen musste.

Nun rissen sich die Anleger förmlich um die Griechen-Anleihe, es lagen wohl 20 Milliarden Euro auf dem Tisch. Dabei brauchte Athen nur 15 Prozent dieser Summe. Zugegriffen haben zu 90 Prozent Profis aus dem Ausland, darunter auch Hedgefonds. Finanzminister Yannis Stournaras sprach von einem "riesigen Erfolg". Ähnlich euphorisch äußerte sich EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia: "Das sind extrem gute Nachrichten", sagte er in Athen. "Das wird Vertrauen in Europa stärken, dass die Krise überwunden wird."

Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.

Was kostet die Bundesbürger die Unterstützung Griechenlands?

Im klassischen Sinne "gekostet" hat die Deutschen ihr Engagement in Griechenland bisher noch nichts. Das bedeutet aber nicht, dass nicht gewaltige Summen im Feuer stünden. Nimmt man die beiden Pakete, die die Euro-Partner und der Internationale Währungsfonds (IWF) seit 2010 zur Rettung des Landes vor dem Staatsbankrott geschnürt haben, zusammen, kommt man auf einen bisher ausbezahlten Betrag von rund 215 Milliarden Euro. Für rund 63 Milliarden Euro davon bürgen die deutschen Steuerzahler.

2013 verbuchte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zudem erstmals echte Einnahmeverluste in Höhe von rechnerisch 730 Millionen Euro - wobei es zur Wahrheit dazu gehört, dass es diese Einnahmen ohne die Krise gar nicht gegeben hätte: So senkte die staatliche Förderbank KfW die Zinsen auf ihre Kredite, die sie im Auftrag Schäubles an Griechenland vergeben hatte, außerdem verzichteten die Euro-Staaten gemeinschaftlich darauf, Gewinne, die die Europäische Zentralbank (EZB) durch den Aufkauf griechischer Staatsanleihen eingestrichen und an die nationalen Notenbanken ausgeschüttet hatte, für ihre Haushalte zu verwenden. Stattdessen wurde das Geld an Griechenland weitergereicht.

Wer sind die Hauptgläubiger Griechenlands?

Die Kredite der Euro-Staaten und des IWF machen gut zwei Drittel der gesamten griechischen Schuldenlast aus. Hauptgläubiger Athens sind also Europas Steuerzahler. Die Darlehen der Partnerstaaten geben Griechenland aller gegenteiligen Propaganda zum Trotz viel Luft zum Atmen: Sie sind mit Laufzeiten von bis zu 30 Jahren ausgestattet, zudem müssen die mit zwei bis drei Prozent sowieso sehr niedrigen Kreditzinsen häufig nicht bezahlt werden, weil sie ausgesetzt sind. Damit braucht sich Griechenland um das Gros seiner Staatsschulden für lange Zeit nicht zu kümmern. Nur so kann der wirtschaftliche Aufschwung überhaupt gelingen.

Einzig die EZB, die noch griechische Staatsanleihen im Nominalwert von knapp 28 Milliarden Euro hält, und die verbliebenen Privatinvestoren bestehen darauf, dass die Schuldverschreibungen regelmäßig mit dem vereinbarten Satz verzinst und pünktlich zurückgezahlt werden. Im Jahr 2012 gab es einen Schuldenschnitt, bei dem private Gläubiger, vor allem Banken und Investmentfonds, auf 107 Milliarden Euro an Forderungen gegen den griechischen Staat verzichtet haben.

Wie gut stehen Griechenlands Wirtschaft und Haushalt wirklich da?

Experten erwarten in diesem Jahr nach langer, tiefer Rezession erstmals wieder ein Wachstum. Das Plus werde, so die stark divergierenden Prognosen, zwischen 0,5 und zwei Prozent liegen. Das ist nicht die Welt, aber ein untrügliches Signal dafür, dass es aufwärts geht. So wies der griechische Haushalt 2013 einen Primärüberschuss von 5,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts aus. Das bedeutet: Rechnet man die Aufwendungen für Zins- und Tilgungszahlungen heraus, kam das Land erstmals seit einer gefühlten Ewigkeit wieder mit dem Geld aus, das es über Steuern und Abgaben einnahm.

Diese Leistung wird allerdings womöglich durch Meldungen geschmälert, die griechische Regierung habe unbezahlte Rechnungen in Höhe von einer Milliarde Euro aus dem Jahr 2013 einfach nach 2014 verschoben. Der Schuldenstand beträgt immer noch 173 Prozent des Bruttoinlandsprodukt. Dennoch gibt es Anlass zu Optimismus.

"Das Land hat zudem 2013 den ersten Leistungsbilanzüberschuss seit dem Jahr 1948 erwirtschaftet. Man ist dort auf einem guten Weg", sagt Folker Hellmeyer, Chefvolkswirt der Bremer Landesbank. "Die Arbeitslosenrate ist seit Anfang des Jahres von 27,2 Prozent auf 26,7 Prozent gefallen - und das im Winter, also außerhalb der Touristiksaison", so Hellmeyer weiter. Allerdings liegt die Jugendarbeitslosigkeit immer noch über 50 Prozent.

Trotz der verbesserten volkswirtschaftlichen Daten ist die Lage also in vielen Bereichen immer noch prekär. Der Arbeitsmarkt läuft der Konjunktur immer hinterher. Erst braucht es Wachstum, dann entstehen Jobs. "Die Rahmenbedingungen und damit die Wettbewerbsfähigkeit für Unternehmen hat sich in Griechenland kaum verbessert", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Firmen müssten immer noch viel zu lange auf Genehmigungen aller Art lange warten. "Positiv ist, dass die Wirtschaft wieder wächst, in diesem Jahr voraussichtlich um ein Prozent. 2013 betrug das Minus noch 3,7 Prozent", so Krämer.

Wie viel Geld braucht Griechenland?

Kurzfristig braucht Athen im Mai zwischen acht und neun Milliarden Euro, um eine alte Anleihe abzulösen. Bis 2016 könnte der Bedarf bis auf 17 Milliarden Euro steigen. Dafür bräuchte man ein drittes Rettungspaket. Ob es soweit kommen muss, wollen die Geberländer mit Griechenland in diesem Herbst erörtern. Besser wird es, wenn sich die griechischen Banken in Zukunft wieder komplett am Finanzmarkt finanzieren können. Dann könnte der griechische Staat das von den Euro-Partnern für die Bankenrekapitalisierung bereits genehmigte Geld zur Finanzierung anderer Aufgaben verwenden.

"Man muss abwarten, ob Griechenland ein drittes Hilfsprogramm braucht. Nach derzeitigem Stand ist es nicht erforderlich", meint Chefvolkswirt Hellmeyer. Ein weiteres Hilfsprogramm würde aber auch nicht schaden, denn so könnte Europa den Reformprozess in Athen weiter kontrollieren. "Griechenland kommt mir vor wie ein spätpubertierendes Kind. Ein Rückfall in alte schlechte Gewohnheiten ist immer möglich", so Hellmeyer.

Würde der Bundestag einem weiteren Hilfspaket zustimmen?

Die Widerstände wären enorm. Andererseits würde Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) intern sicher argumentieren, dass es wenig sinnvoll sei, Griechenland erst mit fast 240 Milliarden Euro zu unterstützen, um es dann am Ende wegen 16 oder 17 Milliarden Euro doch noch fallen zu lassen. Auch die überwältigende Mehrheit, über die die große Koalition im Bundestag verfügt, schützt Merkel vor Erpressungsversuchen von kleineren Gruppen aus den eigenen Reihen.

Sind griechische Staatsanleihen ein sicheres Investment?

Nein, das sind sie nicht. Natürlich gilt derzeit als gesichert, dass Europa Griechenland nicht fallen lassen wird. Das stellt eine Rückzahlung der Anleihen relativ sicher. Doch niemand weiß, wie schlimm die Lage wieder werden kann. Diese Anleihe ist damit nur etwas für erfahrene Investoren, die sich regelmäßig über die wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen in dem südeuropäischen Land informieren.

Wie kommt die Anleiheplatzierung in Griechenland selbst an?

Die Streiks gehen unverändert weiter, das Land ist in Unruhe, die Regierung fragil. "Die Anleihe ist eine Wahlkampfunterstützung für Premier Samaras. Dadurch setzt sich die Hochzinsverschuldung fort. Und das ganze für ein Strohfeuer kurz vor den Wahlen", sagte Jorgo Chatzimarkakis, Gründer der Partei hellenische Europabürger.

Welche Branchen können das Land voranbringen?

Vor allem der Tourismus mit wettbewerbsfähigen Preisen. Als weitere Zukunftsbranche gilt einigen Experten auch der Gesundheitssektor. In Griechenland gibt es doppelt so viele Ärzte pro Kopf wie in Deutschland. Das könnte eine Basis für Gesundheitstourismus sein. Dazu auch die Idee, Wohnresidenzen für Senioren aus dem Ausland zu schaffen. Ein weitere Zukunftshoffnung für das sonnen- und windreiche Griechenland ist der Öko-Energiesektor.

Welche Risiken gibt es?

Die Erholung klappt nur, wenn die Wirtschaft anzieht. Beim Tourismus sieht es gut aus, woanders weniger gut. Es gibt weiterhin Finanzierungsengpässe für Unternehmen. Griechische Banken vergeben zu wenig Kredit. Auch deshalb wird erwogen, dass EU-Regionalfonds als Garantiengeber fungieren könnten. Hilfreich wäre es auch, wenn die Ratingagenturen die Bonität Griechenlands wieder heraufstufen würden. Dann verbilligen sich im Regelfall auch die Kreditkonditionen für Firmen.

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