Süddeutsche Zeitung

Bilanztricks:Grenke sucht den Weg zur Normalität

Heftige Vorwürfe, eine Bafin-Sonderprüfung, ein überraschender Chefwechsel: Der Leasinganbieter Grenke hat unruhige Monate hinter sich. Jetzt soll es wieder ums Geschäft gehen.

Von Jan Diesteldorf, Frankfurt

Die Aufmerksamkeit hat sich gelegt, der neue Chef sucht Ruhe, und am Ende klingt das ziemlich kleinteilig, was von den harten Vorwürfen gegen Grenke übriggeblieben ist. Von Geldwäsche war die Rede, von fehlenden Bargeldbeständen und Günstlingswirtschaft, als ein britischer Spekulant im vergangenen Herbst den Konzern aus Baden-Baden öffentlich attackierte. Der Aktienkurs stürzte ab, die Bafin reagierte und durchleuchtete Grenkes Bilanzen. Die musste das Unternehmen jetzt tatsächlich korrigieren. Der mit dem Abschlussbericht im Juli festgestellte Änderungsbedarf wirkt in Summe eher kosmetisch - zumindest gemessen an dem Vorwurf, Grenke würde seine Bilanz künstlich aufblähen und gezielt Investoren täuschen.

An diesem Mittwoch war es nun erstmals an Ex-Bayern-LB-Manager Michael Bücker, die Zahlen des Leasinganbieters vorzustellen. Die Gelegenheit nutzte er, um grundsätzlich zu werden. Denn wichtiger als irgendwelche Nachkommastellen ist momentan noch die Frage, ob die Börse dem Konzern trauen kann. Er wolle die Kontrollprozesse im Konzern stärken, kündigte Bücker an. Eine seiner wichtigsten Aufgaben sei es, "Kontrollfunktionen und -prozesse sicherzustellen" und "in der Unternehmenskultur im gesamten Grenke-Konzern zu verankern".

Wie gut das Geschäft gelaufen ist, misst Grenke stets mit dem Neugeschäft, also mit den neu abgeschlossenen Leasingverträgen. Die Baden-Badener haben sich dabei auf kleine und mittelständische Firmen spezialisiert, finanzieren ihnen etwa Drucker, Computer und Telefonanlagen. Das Neugeschäft war zuletzt - auch coronabedingt - deutlich eingebrochen. Der Rückgang verlangsamte sich im zweiten Quartal. Für das erste halbe Jahr stand unter dem Strich ein Minus von einem Viertel auf 1,1 Milliarden Euro. Für das Gesamtjahr peilt Bückers Mannschaft zwischen 1,7 und zwei Milliarden Euro an. Bücker hatte den Posten an der Grenke-Spitze zum 1. August übernommen, nachdem die langjährige Chefin Antje Leminsky im Streit mit Firmengründer und Großaktionär Wolfgang Grenke zurückgetreten war.

Auslöser der Unruhe war ein 60-seitiger Bericht

Für Grenke-Verhältnisse war da ganz schön viel los in den vergangenen Monaten. Auslöser der Unruhe war ein 60-seitiger Bericht des britischen Spekulanten Fraser Perring: Bargeld erfunden, Geldwäsche, Vetternwirtschaft, miese Bilanztricks. Das Geschäft von Leerverkäufern ist es, Unregelmäßigkeiten bei Konzernen aufzudecken und vor einer Veröffentlichung auf einen fallenden Aktienkurs zu wetten. Perring wurde als Gegenspieler von Wirecard berühmt, nachdem er den inzwischen insolventen Zahlungsdienstleister 2016 öffentlich angegriffen hatte.

Deshalb entfalteten seine Verdächtigungen gegen Grenke eine gewisse Wucht. Die im Wirecard-Skandal unter Druck geratene Bafin veranlasste gleich eine Sonderprüfung bei Grenke, Patriarch Wolfgang Grenke ließ sein Mandat im Aufsichtsrat ruhen (und gab es zuletzt ganz ab). Schon bald war klar: Es wurde tatsächlich getrickst. Grenke hatte über Jahre Tochtergesellschaften im Ausland in einem Franchise-System aufgebaut, diese Firmen später übernommen und erst bei der Integration in den Konzern voll bilanziert.

Das war falsch, beschied jetzt die Bafin in ihrem "Fehlerfeststellungsbescheid" vom Juli. Grenke hätte demnach eine Reihe von Tochterunternehmen - insgesamt 20 - viel früher in den Konzernabschluss einbeziehen müssen. Auch habe Grenke die Leasingforderungen und Firmenwerte von Grenke-Töchtern in Portugal und Polen zum Teil zu hoch ausgewiesen. Der Bafin-Bescheid enthalte keine Überraschungen, sagte Finanzvorstand Sebastian Hirsch vorige Woche. Er sei vielmehr "ein weiterer wichtiger Schritt hin zur Normalität." Mal sehen, wie viele Schritte es noch braucht.

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