BankenGreensill-Verantwortlichen drohen nach Pleite Schadenersatz und Anklagen

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In Monheim am Rhein sprudelten die Einnahmen nur so.  Dann verlor die Kommune viel Geld im Fall Greensill.
In Monheim am Rhein sprudelten die Einnahmen nur so.  Dann verlor die Kommune viel Geld im Fall Greensill. (Foto: imageBROKER/Stefan Ziese via www.imago-images.de/imago images/imagebroker)

Als die Bremer Bank zusammenbrach, traf es auch etliche Kommunen. Vier Jahre später läuft die juristische Aufarbeitung: Schadenersatzklagen, Ermittlungen – und die Frage, wie es so weit kommen konnte.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Als vor vier Jahren die bis dahin kaum bekannte Greensill Bank kollabierte, war es nicht nur ein obskures Finanzereignis für die Fachwelt, was sich da im kleinsten Bundesland Bremen ereignete. Schnell spürten viele Bürgerinnen und Bürger Auswirkungen der Insolvenz in ihrem Alltag.

Während private Sparer zwar durch den Einlagensicherungsfonds der privaten Banken entschädigt wurden, standen rund fünfzig Kommunen – etwa in Bayern, Hessen oder Nordrhein-Westfalen – auf der Verliererseite. Sie hatten insgesamt rund 500 Millionen Euro bei der Bank angelegt und gingen leer aus.

Daraufhin mussten Wohnungsbauprojekte, Schulsanierungen oder der Bau von Sportplätzen vielerorts verschoben werden. Einige Städte konnten die Verluste später teilweise kompensieren, andere leiden bis heute finanziell unter den Folgen. Auch der Einlagensicherungsfonds der privaten Banken musste mit enormen 2,7 Milliarden Euro einspringen, um die Einlagen privater Kunden abzusichern.

Jahrelang hatte die Bremer Bank über Online-Plattformen wie Weltsparen und Zinspilot Spareinlagen mit vergleichsweise hohen Zinsen eingeworben. Diese Kundengelder flossen in großem Umfang an die britisch-australische Muttergesellschaft Greensill Capital, um deren Geschäftsmodell abzusichern. Greensill hatte sich dabei offenbar ganz bewusst für den Standort Deutschland entschieden – nicht zuletzt, weil die hiesige Finanzaufsicht als vergleichsweise lax galt. Zwar reagierte die Bafin im Fall Greensill schneller als zuvor beim dubiosen Finanzdienstleister Wirecard, doch auch sie musste sich im Nachgang heftige Kritik gefallen lassen.

Vier Jahre später schreitet nun die straf- und insolvenzrechtliche Aufarbeitung voran. Insolvenzverwalter Michael Frege bestätigte der SZ, dass er zivilrechtliche Ansprüche gegen ehemalige Organe der Bank geltend macht – also frühere Vorstände und Aufsichtsräte. Nach Informationen des Handelsblatts klagt Frege vor dem Landgericht Bremen auf insgesamt rund 92 Millionen Euro Schadenersatz. Die Beklagten wollten sich dem Handelsblatt zufolge nicht äußern, für die SZ waren sie nicht erreichbar.

Auch die Staatsanwaltschaft Bremen hat ihre Ermittlungen inzwischen weitgehend abgeschlossen – in einem Verfahren, das einem Sprecher zufolge herausfordernd war und ist. Die Staatsanwälte ermitteln gegen insgesamt 13 Beschuldigte wegen des Verdachts auf Bankrott, Bilanzfälschung, Insolvenzverschleppung, Untreue und Betrug. Die Betroffenen sollen nun zu den Vorwürfen Stellung nehmen. Erst dann wird entschieden, ob Anklage erhoben wird.

Ursprünglich ging es nur um fehlerhafte Angaben zur Vermögenslage der Bank. Nach Sichtung von Akten und Zeugenaussagen stehen jetzt schwerwiegendere Vorwürfe im Raum, darunter der Verdacht, dass frühere Manager den Zusammenbruch der Greensill Bank gezielt herbeigeführt haben könnten. „Einen vergleichbaren Fall hatten wir hier noch nie“, sagte ein Sprecher der Behörde. Zunächst habe man überhaupt erst einmal das Geschäftsmodell verstehen müssen.

Tatsächlich war dieses Modell komplex. Das Kerngeschäft der Muttergesellschaft Greensill Capital, 2011 vom Australier Lex Greensill gegründet, war die sogenannte Lieferkettenfinanzierung. Dabei werden Lieferanten vorzeitig bezahlt – gegen einen Abschlag –, damit sie nicht auf ihr Geld warten müssen. Ein grundsätzlich etabliertes Modell, das Greensill jedoch stark ausweitete: Kurz vor dem Kollaps war das Unternehmen in 175 Ländern aktiv. Es war eng verbunden mit dem britisch-indischen Stahlmagnaten Sanjeev Gupta, und wurde auch vom früheren britischen Premierminister David Cameron beraten.

Internationale Finanzgrößen fielen auf Greensill herein

Die Rolle der Bremer Greensill Bank bestand im Wesentlichen darin, über Onlineportale Spareinlagen zu akquirieren, um damit die internationalen Geschäfte zu finanzieren. Neben Privatkunden investierten auch internationale Finanzgrößen wie der japanische Softbank Vision Fund oder die Credit Suisse in Finanzprodukte des Konglomerates. Als wichtige Geldgeber und Geschäftspartner - Versicherungen in Australien und die Schweizer Bank Credit Suisse – das Vertrauen verloren, geriet das Konstrukt ins Wanken. Die Bafin schloss die Bank im März 2021 wegen drohender Überschuldung und zeigte das Management bei der Bremer Staatsanwaltschaft an, weil sie Forderungen in der Bilanz teilweise nicht nachweisen konnten.

Die betroffenen Kommunen wiederum hatten ihr Geld trotz durchaus erkennbarer Risiken bei der Bank angelegt. Seit Oktober 2017 sind Städte und Gemeinden eigentlich nicht mehr durch die Einlagensicherung der privaten Banken geschützt. Viele Kämmerer ließen sich dennoch davon locken, dass Greensill zu dieser Zeit keine Negativzinsen verlangte – im Gegensatz zu Sparkassen und anderen Banken. Besonders gravierend war der Fall Monheim am Rhein. Die Stadt war bundesweit bekannt geworden, weil ihr Bürgermeister Daniel Zimmermann durch besonders niedrige Gewerbesteuern versucht hatte, dort viele Unternehmen anzusiedeln. Auf diese Weise hatte Monheim hohe Rücklagen aufgebaut – und 38 Millionen Euro ausgerechnet bei Greensill angelegt und dann verloren.

Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelte deshalb sogar gegen den Bürgermeister und eine Mitarbeiterin der Kämmerei wegen Untreue. Im Februar wurden die Ermittlungen eingestellt. Strafrechtlich ließ sich nichts nachweisen – politisch aber löste der Fall eine Debatte darüber aus, wie Kommunen ihre Gelder anlegen. Lex Greensill wurde strafrechtlich bislang noch nicht belangt. Erst vor wenigen Tagen aber reichte in Großbritannien ein Insolvenzverwalter auch gegen den Gründer des Konglomerates Schadenersatzklage ein.

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