Greensill:Mit Zinsen gelockt

Lesezeit: 3 Min.

Bisher eher nicht als Standort der Finanzindustrie bekannt: die Hansestadt Bremen. (Foto: via www.imago-images.de/imago images/Schöning)

Was ein britisch-indischer Stahlmagnat und ein australischer Gründer mit Sparern in Deutschland zu tun haben? Mehr als letzteren lieb sein kann, wie sich jetzt herausstellt.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Es ist auch eine sehr deutsche Geschichte, die sich da gerade zwischen Bremen, London und Sydney abspielt. Und für viele Sparer eine sehr ärgerliche: Insgesamt knapp eine Milliarde Euro haben sie auf der Jagd nach ein paar Zehntelprozent Zinsen einer kleinen, wenig bekannten Bank aus Bremen anvertraut. Was ihnen dabei wohl nicht bewusst war: Sie ließen sich damit indirekt auf weltumspannende Geschäfte unter anderem in der Stahlbranche ein. Und die könnten nun schlagartig vorbei sein.

Greensill Bank heißt das Geldhaus, von dem die Rede ist und dessen Muttergesellschaft Greensill Capital am Dienstag Medienberichten zufolge kurz vor der Insolvenz stand. 2011 vom Australier Alexander Greensill gegründet, beschäftigt die Finanzfirma in London, New York, Chicago, Miami, Sydney, Frankfurt und Bremen derzeit rund 800 Mitarbeiter für ein spezielles Geschäft: die Lieferkettenfinanzierung.

SZ PlusUmsatzsteuerbetrug
:Wenn der Käufer der Dumme ist

Für den Onlinehandel mit Großbritannien gelten nun die gleichen Regelungen wie mit anderen EU-Drittstaaten, etwa China. Wer sich nicht daran hält, bekommt im schlimmsten Fall das Päckchen nicht. Was zu beachten ist.

Von Michael Kläsgen

Dabei zahlt eine Bank Forderungen eines Lieferanten sofort aus und kassiert dafür einen Abschlag. So kann beispielsweise ein Stahlkonzern seine Rohstoffe bei Lieferanten bestellen, ohne gleich die Rechnung begleichen zu müssen. Die Zahlungsansprüche gegenüber Unternehmen bündelt die Bank zu Anleihen, die an Profi-Investoren gehen. Allein 2020 hat Greensill so nach eigenen Angaben rund zehn Millionen Kunden Finanzierungen in Höhe von mehr als 143 Milliarden Dollar verschafft. Das Fintech bezeichnet sich stolz als "führender Nichtbanken-Anbieter von Kapital für Firmen weltweit".

Die Bremer Bank-Tochter ist ein wichtiger Baustein dieses Geschäfts: Ihre Bilanzsumme hatte sich zuletzt auf 3,8 Milliarden Euro versiebenfacht und dadurch bereits im Sommer die Aufmerksamkeit von Finanzaufsicht Bafin und der Einlagensicherung der deutschen Privatbanken auf sich gezogen. Im Kern machen die Bremer nämlich nichts anderes, als die Geschäfte von Greensill Capital abzusichern - unter anderem mit den Einlagen deutscher Sparer. Die wurden zum großen Teil über die beliebten Zins-Vergleichsplattformen Weltsparen und Zinspilot eingeworben, Greensill bot dort oft etwas bessere Konditionen als andere Banken.

Die Finanzaufseher befürchteten nun aber, dass zu viele Vermögenswerte in der Bankbilanz letztlich von den Geschicken eines Mannes abhängen: des britisch-indischen Stahlmagnaten Sanjeev Gupta und seinem Firmenimperium GFG Alliance.

Sanjeev Gupta war zeitweise als Käufer der Stahl-Sparte von Thyssenkrupp im Gespräch. (Foto: BEN STANSALL/AFP)

Der Unternehmer ist in Deutschland vor allem deshalb bekannt, weil er zeitweise an der Übernahme der Stahlsparte von Thyssenkrupp interessiert war und dafür offenbar auch die Bremer Bank nutzen wollte. Gupta ist der größte Kunde und ein Vertrauter Greensills: Der Brite kann seine Stahlwerke auf diese Weise mit weniger Eigenkapital finanzieren und auf langlaufende Kredite verzichten. Lieferkettenfinanzierungen eignen sich dafür, die Verschuldung eines Konzerns bilanziell zu drücken.

Auslöser der drohenden Insolvenz ist nun wohl eine drastische Maßnahme ausgerechnet der bekannten Schweizer Großbank Credit Suisse. Die half Greensill ebenfalls, sich zu refinanzieren - allerdings indem sie Profiinvestoren seit 2017 "Lieferketten-Fonds" von Greensill für zehn Milliarden Dollar verkaufte. Am Montag nun setzten die Schweizer vorübergehend Zeichnungen und Rücknahme von Anteilen dieser Fonds aus. Ein Teil der Vermögenswerte in den Fonds unterliege erheblichen Unsicherheiten in Bezug auf ihre Bewertung, hieß es. Auch das Schweizer Fondshaus GAM teilte mit, einen ähnlichen Fonds abzuwickeln.

Die Spareinlagen sind abgesichert, aber womöglich zeitweise nicht verfügbar

Kommt es zu einer Schieflage, wären wohl auch die Sparer der Greensill Bank betroffen. Laut der Zinsplattform Weltsparen halten derzeit mehr als 15 000 Kunden Festgeld dort, das vermittelte Volumen betrage mehrere hundert Millionen Euro. Und um ähnliche Summen geht es wohl auch bei Zinspilot. Die Einlagen von Privatkunden - und teilweise jene von Firmenkunden - sind zwar durch die Einlagensicherung sowie die Entschädigungseinrichtung des Bankenverbands abgesichert, man kommt aber womöglich erst etwas verzögert an sein Geld heran.

Ärgerlich dürfte die Sache auch für die übrigen privaten Banken in Deutschland sein. Kommt es zu einem Sicherungsfall, werden Anleger aus einem gemeinsamen Topf entschädigt, so zuletzt Kunden von Lehman Brothers, der Dero Bank oder Maple Bank. Die übrigen Institute müssen dann versuchen, sich das Geld im Insolvenzverfahren zurückzuholen. Greensill dürfte sich den Standort Deutschland ausgesucht haben, um unter dem Schutz der hiesigen Einlagensicherung Geld von Anlegern einzusammeln. Der Bankenverband und die Bafin wollten sich am Dienstag nicht dazu äußern, die Greensill Bank reagierte nicht auf eine Anfrage.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: