Greenpeace: Neuer Chef:Stimme aus dem Untergrund

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Der Südafrikaner Kumi Naidoo hat nun das Sagen bei Greenpeace. Er steht für den Wandel der Organisation - zur Kämpferin für soziale Gerechtigkeit.

Silvia Liebrich

Der neue Chef der Umweltschutzorganisation Greenpeace hat sich als Kämpfer einen Namen gemacht. Offenen Widerstand leistete der Südafrikaner Kumi Naidoo schon als Jugendlicher - damals gegen das frühere Unrechtssystem der Apartheid in seinem Heimatland. Er landete mehrfach im Gefängnis, flüchtete nach Großbritannien ins Exil und kehrte erst 1990, nach der Freilassung von Nelson Mandela, zurück. Seit Mitte November ist der 44-Jährige Geschäftsführer von Greenpeace International. Er löst dort Gerd Leipold ab, der nach neun Jahren im Amt seinen Rücktritt erklärt hat.

Der Südafrikaner Kumi Naidoo: Untergrundkämpfer, promovierter Politikwissenschaftler, Hungerstreikender - und nun neuer Greenpeace-Chef. (Foto: Foto: AP)

Der Wechsel in der Geschäftsführung wird von Insidern als Signal für eine Neuausrichtung der Organisation gewertet. Denn der Südafrikaner mit indischen Wurzeln will sich neben dem Umweltschutz verstärkt dem Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit widmen. Beides Themen, die seiner Ansicht nach eng verknüpft sind. "Armut und der katastrophale Klimawandel sind die zwei Seiten von ein und derselben Medaille", sagt Naidoo, der auf jenem Kontinent aufgewachsen ist, der nach Einschätzung von Wissenschaftlern mit am stärksten unter den negativen Folgen des Klimawandels leiden wird.

Ein Novum ist seine Berufung gleich in zweierlei Hinsicht. Zum einen wird Greenpeace damit erstmals von einem Mann geführt, der von außerhalb kommt. Zum anderen ist Naidoo der erste Vertreter eines Schwellenlandes an der Spitze der Organisation. Greenpeace wurde 1971 in Kanada gegründet und in den vergangenen zwei Jahrzehnten von zwei Deutschen geleitet, von Leipold und dessen Vorgänger Thilo Bode, heute Chef der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch.

Vom Menschenrechtler zum Umweltschützer

Einen Namen machte sich Naidoo in der Vergangenheit zunächst als Menschenrechtler, erst später wandte er sich dem Umweltschutz zu. Zurückgekehrt nach Südafrika leitete er zehn Jahre die Bürgerrechtsorganisation Civicus.

Er ist Mitbegründer von Global Call to Action against Poverty (GCAP), einer Bewegung, die sich dem Kampf gegen Armut verschrieben hat. Die Organisation, der Aktivisten aus mehr als 100 Länder angehören, übt Druck auf die Politik aus, ihre Versprechen in Sachen Entwicklungshilfe, Handel, Schuldenerlass, Klimawandel und Gleichberechtigung von Mann und Frau zu erfüllen. Er leitet außerdem die Klimaschutz-Kampagne Global Campaign for Climate Action (GCCA).

Naidoo selbst bezeichnet sich als leidenschaftlichen politischen Aktivisten. Echter Wandel ist seiner Ansicht nach nur dann möglich, wenn Menschen dazu bereit sind, im Namen von Frieden und Gerechtigkeit etwas zu riskieren.

In seinem Fall ist das nicht nur ein Lippenbekenntnis. Als 15-Jähriger schloss er sich der Anti-Apartheid-Bewegung an. Als Student führte er Proteste gegen das unfaire Bildungssystem in Südafrika an, das die weiße Bevölkerungsminderheit bevorzugte. Naidoo wurde von der Polizei verfolgt und mehrfach inhaftiert, bevor er 1986 in den Untergrund ging. Schließlich floh er nach England, wo er mit Hilfe eines Rhodes-Stipendiums an der Universität in Oxford studierte und einen Doktor-Titel in politischen Wissenschaften erwarb. Nach dem Ende der Apartheid in Südafrika kehrte er in seine Heimat zurück. Als Sprecher der Wahlkommission war er 1994 an der Organisation der ersten freien Wahl des Landes beteiligt.

Dogmen in Frage gestellt

Sein erster großer Auftritt als Greenpeace-Chef steht kurz bevor. Beim Klimagipfel von 7. bis 18. Dezember in Kopenhagen will er auf die verheerenden Folgen der Klimaveränderung aufmerksam machen. Für den Fall, dass dort nicht weitreichende Maßnahmen beschlossen werden, hat er bereits umfangreiche Aktionen angekündigt. Unter anderem will er dabei auf Hungerstreiks setzen.

Ein Mittel, zu dem er schon Anfang des Jahres selbst gegriffen hat, um gegen die Zimbabwe-Politik der südafrikanischen Regierung zu protestieren, weil diese seiner Ansicht nach zu wenig Druck ausübt, um im Nachbarland das brutale und totalitäre Regime von Staatschef Robert Mugabe zu stürzen.

Der neue Greenpeace-Chef steht für eine Erneuerung der Umweltschutzorganisation. Neue, junge Mitglieder will er verstärkt auch in ärmeren Ländern, in Südamerika, Afrika und Asien anwerben. Auch intern sorgt er für reichlich Diskussionsstoff. Bisher gültige Dogmen stellt er in Frage. So will er etwa die ablehnende Haltung von Greenpeace gegenüber der Gentechnik und der Speicherung von Kohlendioxid kritisch prüfen. Er begründet dies unter anderem damit, dass man offen sein müsse für neue Entwicklungen und Erkenntnisse.

© SZ vom 01.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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