Süddeutsche Zeitung

Greenpeace:1,5-Grad-Wende

Lesezeit: 2 Min.

Die Umweltorganisation Greenpeace staunt über die Konsequenzen des Klimaabkommens. Bis 2035 müsste nun die deutsche Energieversorgung auf Erneuerbare umgestellt sein. Greenpeace hatte bislang das Jahr 2050 vorgegeben.

Von Michael Bauchmüller

Beim Kampf um Klimaziele steht die Umweltorganisation Greenpeace naturgemäß in der ersten Reihe. So auch bei der Klimakonferenz von Paris: Wie andere Umweltgruppen auch kämpfte die Organisation für möglichst anspruchsvolle Ziele, etwa jenes, die Erderwärmung nicht auf zwei Grad Celsius, sondern auf 1,5 Grad zu beschränken. Inselstaaten pochen schon lange auf diese Obergrenze, sie ließe ihnen vielleicht auch noch eine Überlebenschance. Als sich das Ziel schließlich in dem Abkommen wiederfand, war der Jubel groß.

Da so ein Klimaabkommen aber nur dann die Dinge ändert, wenn es in den einzelnen Staaten auch umgesetzt wird, hat Greenpeace nun die Konsequenzen des neuen Ziels durchrechnen lassen, von dem Kölner Klima-Thinktank New Climate. Doch die Ergebnisse lassen selbst die Energieexperten bei Greenpeace schlucken. "Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, müssen wir in allen Bereichen deutlich ambitionierter sein als bisher", sagt New-Climate-Chef Niklas Höhne, der die Berechnungen angestellt hat. Ambitionierter sogar als Greenpeace es bisher selbst ist.

So müsse die deutsche Energieversorgung schon bis 2035 komplett auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Greenpeace hatte dafür bisher das Jahr 2050 angepeilt, dafür aber schon einen detaillierten Zeitplan vorgelegt, Titel: "Der Plan". Auch müsste bis 2025 das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet sein, um das hohe Klimaziel zu schaffen. Doch selbst Greenpeace, einer der vehementesten Kritiker des klimaschädlichen Kohlestroms, hat im "Plan" einen späteren, stufenweisen Ausstieg vorgesehen. Demnach sollten bis 2030 die Braunkohle-, bis 2040 die Steinkohlekraftwerke abgeschaltet sein. Für die 1,5-Grad-Welt jedoch dürfte auch Deutschland schon 2035 keine klimaschädlichen Emissionen mehr verursachen - jedenfalls wenn es nicht gelingt, der Atmosphäre Kohlendioxid künstlich wieder zu entziehen. Die Umweltorganisation peilte bisher 2050 an.

"Auch für uns ist das erst einmal eine harte Erkenntnis", gesteht Andree Böhning, Energieexperte bei Greenpeace. "Und natürlich ist das keine Nachricht, die man gerne überbringt." Nötig sei nun eine breite gesellschaftliche Diskussion darüber, wie sich das Klimaziel einhalten lasse. "Es ist klar, dass diese Erkenntnisse auch für unsere Position Folgen haben werden." Allerdings müsse man auch über die "sozialen Implikationen" reden, etwa für Beschäftigte. "Wir werden das intern noch bewerten müssen", sagt Böhning.

An den Rezepten allerdings dürfte sich nicht viel ändern. Greenpeace wie auch die Studie empfehlen, Verbrennungsmotoren durch Elektroautos zu ersetzen, Energie effizienter zu verwenden, umweltschädliche Subventionen abzuschaffen und weniger Fleisch zu konsumieren, das aber aus ökologischem Landbau. Nur müsste das alles jetzt noch etwas schneller gehen. "Ich bin sicher, dass dies alles machbar wäre", sagt Böhning.

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Quelle:
SZ vom 24.02.2016
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