Süddeutsche Zeitung

Green Finance:Und was bringt das?

Bisher investieren erst wenige Verbraucher in grüne Geldanlagen. Denn ökologische Investments erfordern viel Wissen. Und ob sie tatsächlich einen nachhaltigen Nutzen stiften, wissen Anleger meist nicht. Mehr Transparenz wäre wünschenswert.

Von Katharina Wetzel

Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern. So steht es auf einer Postkarte, die die Grundschulklassenlehrerin in den 80ern der Autorin ins Poesiealbum geklebt hat. Der Satz und die Postkarte mit der Menschenkette darauf, die um die Welt geht, ist irgendwie im Gedächtnis geblieben. Viele wollen sich heute das afrikanische Sprichwort zu Herzen nehmen. Sie trennen sich von ihrer "George-Clooney-Kaffeemaschine" auf Ebay, kaufen Fairtradekaffee statt Kaffeekapseln, essen Joghurt aus dem Glas statt aus dem Plastikbecher und pressen den Saft von Biozitronen - ohne tatsächlich zu wissen, ob dies tatsächlich Ressourcen schont, den Bauern von den Kaffeeplantagen zu fairen Löhnen und Arbeitsbedingungen verhilft und die Umwelt besser macht. Verbraucher können zwar das Kleingedruckte auf den Produkten lesen, nur Waren mit Biosiegel oder Ohne-Gentechnik-Etikett kaufen, nur mit Erzeugnissen aus der Region leben. Wer aber genau wissen möchte, was für die Umwelt besser ist - die Ohne-Gentechnik-Eier, die Bio-Eier oder die Eier aus dem heimischen Betrieb? -, wird am Supermarktregal verzweifeln. In der Finanzbranche geht es Anlegern nicht viel anders.

Kaum eine Finanzkonferenz kommt heute noch ohne Green Finance oder Impact Investing aus, wie die Branche das nachhaltige Investieren nennt. Anleihen sind grün, Fonds sozial, ethisch, ökologisch korrekt. Die Branche schmückt sich gerne mit dem Label Öko - als habe es noch nie einen Widerspruch zwischen Ökologie und Wirtschaft gegeben. Doch was ist Nachhaltigkeit überhaupt? Wie können Verbraucher erkennen, ob ein Produkt nachhaltig ist und mit ihrem Werteverständnis übereinstimmt?

Verbraucher, die sich für nachhaltige Anlagen interessieren, stoßen früher oder später auf Investmentfonds oder Exchange Traded Funds (ETF), sagt Henry Schäfer. Der Professor an der Universität Stuttgart forscht seit 20 Jahren über Nachhaltigkeit in der Finanzbranche und kennt die Gründe, warum so wenige Anleger in so etwas investieren. "In der Fondswelt gibt es sehr unterschiedliche Konzepte, wie Nachhaltigkeit praktiziert wird. Für Verbraucher bedeutet das sehr viel Arbeit, um sich darüber zu informieren." Erschwerend hinzu kommt, dass deutsche Sparer sich ohnehin kaum an den Aktienmarkt heranwagen.

Es hat sich ja schon was getan: Es gibt immerhin Siegel und verschiedene Tests

Die meisten Produkte bedienen sich einem einfachen Standardkonzept: Sie schließen einfach bestimmte No-Gos wie Kinderarbeit oder Gentechnik aus. Vielen umweltbewussten Anlegern geht das jedoch nicht weit genug. Das Problem: "Hat ein Aktienfonds viele Ausschlusskriterien, wird er anfällig für Kursrisiken, die können viele Anleger aber nicht ertragen", sagt Schäfer. Manche investieren daher lieber gleich nur in bestimmte Themen wie erneuerbare Energien. Doch das birgt erhebliche Risiken: "Themenfonds können gutgehen. Sie können aber auch Probleme bereiten, wenn sich etwa die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz ändern", warnt Schäfer. Besser ist es, die Risiken auf verschiedene Anlagen zu streuen. Fonds oder ETF sind da prinzipiell eine gute Möglichkeit. Doch stiftet das investierte Geld auch einen nachhaltigen Nutzen?

"Anleger sehen nicht, was der Fonds zur Umweltverbesserung konkret beigetragen hat", sagt Schäfer. Denn wie sollte das auch berechnet werden? Oft lassen sich positive Effekte gar nicht klar zuordnen. Bei der Finanzierung einzelner Projekte, wie etwa eines Windparks oder einer sozialen Einrichtung, könne die Wirkungsbilanz eher berechnet werden, sagt Schäfer. Bei einem Windpark lässt sich sagen, wie viel dieser zum Ersatz von Kohlestrom beiträgt, bei einer Schule für Migranten, wie viele eine Prüfung geschafft haben. "Solche Impact Investings sind aber meist nur etwas für vermögende Anleger, weil sie das höhere Risiko, dass ein Projekt schiefgeht, besser schultern können." Großanleger können sich Produkte auch nach ihren eigenen Vorstellungen zusammenstellen lassen. Ein Modell, das auch für Kleinanleger wünschenswert wäre. "Jeder hat eine persönliche Vorstellung davon, was nachhaltig ist. Für den Bankberater kann das stressig werden, da er nur Fonds mit einer Standard-Nachhaltigkeit anbieten kann", sagt Schäfer.

Einiges hat sich schon getan: "Es gibt mittlerweile ein Siegel, und Anleger können sich heute über verschiedene Tests von der Zeitschrift Finanztest oder Ökotest besser über Nachhaltigkeitspapiere informieren als noch vor Jahren", meint Schäfer. "Aber all diese Ratings und Tests können nicht zeigen, ob die Welt durch die Papiere besser geworden ist, um wie viel die Luft sauberer und wie stark die Kinderarbeit reduziert wurde." Doch von mehr Regulierung hält Schäfer wenig. "Wenn der Staat nachhaltige Produkte fördern will, gelingt dies am besten über steuerliche Anreize. Das suggeriert aber, dass alles gut ist, wo Öko draufsteht", sagt Schäfer. Und das ist längst nicht immer der Fall. Besser sei es, genau hinzusehen.

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Quelle:
SZ vom 30.11.2017
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