Grauer Kapitalmarkt:Warum Menschen auf dubiose Finanzprodukte hereinfallen

Chinesisches Schiff im Hafen von Oakland

Container, Immobilienprojekte, Kraftwerke: Immer wieder legen Menschen ihr Geld auf dem grauen Kapitalmarkt an und vertrauen dubiosen Versprechen.

(Foto: REUTERS)
  • Auf dem grauen Kapitalmarkt versprechen Anbieter oft das Unmögliche: hohe Zinsen und hohe Sicherheit. Darunter sind immer wieder Betrüger, wie aktuelle Fälle zeigen.
  • Die Verbraucherzentrale Hessen hat nun untersucht, warum Menschen bei der Geldanlage auf dubiose Anbieter hereinfallen.
  • Wichtig sind dabei offenbar persönliche Beziehungen und blindes Vertrauen.

Von Markus Zydra, Frankfurt

In Deutschland gibt es noch immer den grauen Kapitalmarkt. Tausende Anleger investieren dort Milliarden, obwohl sie eigentlich mit dem Schlimmsten rechnen müssten. Das beginnt beim Begriff "grau", der eigentlich wenig Vertrauen einflößt. Der Sektor ist wenig reguliert, die Produkte versprechen viel, sind aber meist sehr riskant. Zudem gibt es auf dem Markt auch Betrüger. Es gab den bereits abgeurteilten Fall der Immobilienfirma S&K.

Aktuell läuft zudem ein Verfahren gegen Manager der Container-Firma P&R. Woran liegt das? Warum gehen Anleger diese Risiken ein, anstatt ihr Geld in einen regulierten Investmentfonds zu stecken? Die Marktwächter-Experten der Verbraucherzentrale Hessen haben die Motive der Verbraucher für Anlagen im grauen Kapitalmarkt näher untersucht und dazu Betroffene ausführlich befragt.

"Es gibt Hinweise dafür, dass bei Geldanlagen am grauen Kapitalmarkt die Beziehung zwischen Anleger und dem Vermittler besonders wichtig zu sein scheint", sagt Wolf Brandes, Teamleiter beim Marktwächter-Schwerpunkt grauer Kapitalmarkt in der Verbraucherzentrale Hessen. In den Interviews antworteten Verbraucher auf die Fragen zu dem Vermittler beispielsweise: "Das war jemand, den meine Eltern kannten und mit dem sie gute Erfahrungen gemacht hatten. Da bin ich mit einem guten Gefühl reingegangen", oder "Ich habe dem Typ vertraut und bin betrogen worden, um es auf den Punkt zu bringen."

Die Ergebnisse zeigen weiter, dass gravierende Veränderungen der Lebensumstände der riskanten Anlageentscheidung vorausgegangen sind. Dazu gehörte etwa die erste Festanstellung, eine Erbschaft, eine Scheidung oder der Tod des Ehepartners oder auch schwere Krankheiten. In solchen Phasen seien offensichtlich Bereitschaft oder Bedarf groß, neue Verträge abzuschließen, um den neuen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen, so die Verbraucherzentrale Hessen.

Dabei lassen sich die Produkte des grauen Kapitalmarkts gut identifizieren, denn sie versprechen meist das Unmögliche: hohe Zinsen und hohe Sicherheit. Die Finanzaufsicht Bafin warnt auf ihrer Homepage vor den Risiken des grauen Kapitalmarkts, denn dort gebe es "keine Produktkontrolle, keine Kontrolle der Seriosität und Bonität der Anbieter, Initiatoren und Geschäftsleiter, keine Überprüfung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit des Geschäftsmodells, keine laufende Überwachung des Unternehmens, keine Bilanzkontrolle und keine Einlagensicherung".

Viele verlassen sich nur auf allgemeine Faustregeln

Der graue Kapitalmarkt ist 2015 gesetzlich reguliert worden. So müssen die Anbieter von Unternehmensbeteiligungen, Genussrechten, Namensschuldverschreibungen und Nachrangdarlehen in den meisten Fällen Prospekte bei der Bafin einreichen. Gleichzeitig ist ihnen verboten, mit aggressiven Werbeversprechen in den Markt zu drängen. Doch diese Regulierung greift nach Ansicht der Verbraucherschützer zu kurz. Anlegern fehle Schutz. Windige Finanzvermittler könnten ihnen diese Produkte immer noch aufschwatzen.

Die Untersuchung der Verbraucherzentrale zeigte auch, dass Verbraucher bei der Anlageentscheidung sich viel zu oft auf allgemeine "Faustregeln" verließen. In den untersuchten Fällen hätten die Verbraucher einige dieser Regeln jedoch nicht richtig angewandt - so zum Beispiel die gängige Einschätzung, dass Immobilien eine vergleichsweise sichere Anlage sind. Ein Verbraucher wird mit den Worten zitiert: "Da weiß man, was man hat. Und in Krisenzeiten bleibt das bestehen. Da kriegt man vielleicht mal nicht so viel Miete, aber gut, das ist eben etwas, was Hand und Fuß hat." Im konkreten Fall sei es aber nicht um eine Investition in eine Immobilie im klassischen Sinne gegangen, sondern um einen geschlossenen Immobilienfonds, der für den Anleger ein hohes Risiko bis hin zum Totalverlust berge. Dies sei dem Verbraucher bei Abschluss nicht klar gewesen.

"Wir wollen Ansatzpunkte für weitere Forschungen und eine darauf aufbauende zielgenaue Aufklärung sowie eine verbesserte Regulierung im grauen Kapitalmarkt liefern", sagt Verbraucherschützer Brandes. "Denn es geht um viel Geld, das den Verbrauchern später bei der Rente fehlen könnte."

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