Der Name klingt vertraut: Goldman, Morgenstern & Partners LLC. Ein wenig nach Investmentbank, nach Geldadel und Wall Street. Meistens wird der Name jedoch nur abgekürzt als Gomopa. Das klingt eher nach Babynahrung, trotzdem ist der Internetdienst Gomopa eine der zentralen Größen auf dem grauen Kapitalmarkt, jenem unüberschaubaren Umschlagplatz, auf dem sowohl redliche Fondsanbieter als auch Architekten von Schneeballsystemen unterwegs sind. Es ist ein Markt, auf dem Anleger zu Mitbesitzern einer Fabrik werden, ihr Geld in Edelmetalle investieren oder mit Nachrangdarlehn versuchen reich zu werden. Manche der Anbieter hantieren mit Genussscheinen, andere finanzieren Hollywood-Filme oder sie bündeln das Geld der Anleger in Schiffsfonds und kaufen davon Frachter.
Welche Geschäftsidee Firmen auch immer verfolgen, eines eint sie: Sie werden sehr viel laxer überwacht als die Banken oder der Aktienmarkt. Die Folge: Wo es nur eine eingeschränkte Regulierung gibt, ist Vertrauen enorm wichtig. Unternehmen, die hochspekulative Fonds verkaufen, möchten schließlich nicht, dass ihre Anleger verunsichert sind. Wer in dieser Branche Misstrauen erzeugen kann, der hat die Macht, Geschäftsmodelle zu zerstören.
Erst negative Berichte, dann "Beratungsverträge"
Seit der Gründung vor 15 Jahren ist Klaus Maurischat der Chef von Gomopa. Sein Dienst hat sich sehr viel Einfluss aufgebaut. Auf den ersten Blick wirkt die Gomopa-Webseite wie ein journalistisches Portal, mindestens fünf Mitarbeiter haben amtlich anerkannte Presseausweise, es gibt auch einen Chefredakteur. Beinahe täglich berichten sie auf gomopa.net über den grauen Kapitalmarkt. Maurischat sagt dazu: Gomopa verstehe sich "nicht als publizistisches Organ, sondern als Unternehmensberatung". Dennoch verbreiten sich die Gomopa-Texte über angeblich bevorstehende Insolvenzen, dubiose Geschäfte oder mögliche Schneeballsysteme sehr schnell im Netz. Für die angegriffenen Firmen sind diese Berichte oft unangenehm.
Doch es gibt offenbar einen Ausweg, damit die Negativ-Schlagzeilen wieder aus dem Netz verschwinden. SZ und NDR liegen mehr als ein Dutzend "Beratungsverträge" vor, sie geben Aufschluss darüber, wie Gomopa auf den grauen Kapitalmarkt Einfluss nimmt. Hunderte Seiten an internen Unterlagen und E-Mails zeigen dies. Zu den mutmaßlich Geschädigten gehören Dutzende deutscher Firmen. Sie alle verkaufen ihre Anlageprodukte am grauen Kapitalmarkt.
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Der Ablauf ist in vielen der vorliegenden Fälle ähnlich: Zunächst berichtet Gomopa negativ über ein Unternehmen. Dann findet man sich zusammen und schließt einen Vertrag, wonach Gomopa die "strategische Beratung für sämtliche öffentlichkeitsrelevanten Fragen" übernimmt. Kritische Berichte erscheinen danach gewöhnlich keine mehr und auch die alten Artikel werden üblicherweise offline genommen.
Firmen zahlen pro Monat vierstellige Beträge
Mal zahlen die Firmen 1500 Euro im Monat, mal sind es 5000 Euro. Andere wiederum liegen monatlich bei 10 000 Euro. Da ist zum Beispiel die Firma Dolphin Trust, ein Immobilienentwickler aus Langenhagen bei Hannover. "Den Kontakt zu Gomopa nahmen wir seinerzeit auf, als die Gomopa-Redaktion Nachrichten über Dolphin Trust publizierte, die zum einen fehlerhaft waren und damit zum anderen negativ für unser Unternehmen hätten wirken können", erklärt ein Unternehmenssprecher. 22 500 Euro zahlt Dolphin Trust alle drei Monate. Doch warum? "Zweck des Vertrages ist, dass Gomopa Journalisten, Redaktionen und Medienportalen im Internet wahrheitsgemäße und instruktive Informationen zur Geschäftstätigkeit von Dolphin Trust in Deutschland als Projektentwickler und Bauträger im Bereich denkmalgeschützter Immobilien zur Verfügung stellt", heißt es wolkig.
Ein anderer Kunde ist die Primea Invest AG aus Berlin. Das Unternehmen nennt sich selbst einen "Vertriebskoordinator von anteilsgebundenen und versicherungsummantelten Finanzprodukten". Seit Mai 2014 zahlt Primea Invest 1000 Euro im Monat. "Aufgabe von Gomopa war das Screening und Monitoring des Marktes / des Internets bzgl. Berichterstattung über Primea", teilt Primea-Geschäftsführer Holger Stabernack mit.
Wenige Monate vor Vertragsunterzeichnung schrieb Gomopa noch selbst über das Unternehmen: "Primea Invest AG: Sachwert-Wundertüte getarnt als Lebensversicherung", titelte der Dienst am 3. Februar 2014. "Eine Lebensversicherung mit sechs Prozent Rendite. Das Ganze sicher und jederzeit kündbar. Keine Provisionen, keine versteckten Kosten! So lautet das Versprechen der Primea Invest AG. Doch das scheinbar perfekte Produkt hat seine Tücken", urteilte Gomopa. Inzwischen ist der Text auf den Internetseiten des Dienstes nicht mehr aufzufinden. "404 Not Found. Zu dieser Pressemitteilung liegen keine Informationen vor. Das kann daran liegen, dass diese Pressemitteilung nicht (mehr) existiert oder gesperrt worden ist", heißt es lapidar auf der Webseite.
Wer nicht regelmäßig an Gomopa zahlen möchte, kann offenbar, wie vorliegende Rechnungen zeigen, auch einzelne Artikel gegen Geld sperren lassen. Laut einer dieser Rechnungen, die an die inzwischen insolvente Deutsche Immobilien und Grundbesitz AG ging, verlangte Gomopa für die "Nutzungsrechte" an drei Artikeln insgesamt 150 000 Euro.
Eine ähnliche Forderung erhielt der Leipziger Immobilienunternehmer Bernd Ehret. 25 000 Euro sollte er überweisen. "Dieser Betrag wurde für Dienstleistungen der Gomopa bezahlt", teilt er mit. Laut Rechnung bekam er im Gegenzug die Nutzungsrechte für den Artikel "Immoselect AG und Heli GmbH: Die Katze lässt das Mausen nicht" eingeräumt, in dem Gomopa Ehrets Firma, jene Immoselect AG, scharf angegriffen hatte.
"Natürlich werde ich von denen erpresst"
SZ und NDR haben mehr als ein Dutzend Firmen, die mit Gomopa einen Beratungsvertrag abgeschlossen haben, per E-Mail kontaktiert. Keines der Unternehmen kritisierte in seiner schriftlichen Antwort den Geschäftspartner Gomopa. Telefonisch meldeten sich jedoch mehrere der angefragten Firmen zurück. "Natürlich werde ich von denen erpresst", sagt ein Unternehmer. "Die machen dich fertig, da hast du keine Chance", meint ein anderer. "Der Graumarktpate Maurischat" könne Misstrauen säen und Vertrauen wiederherstellen, sagt er.
Der Gomopa-Chef dagegen betont in seinen Antworten auf die Fragen von SZ und NDR immer wieder, dass die Aufgabe seines Unternehmens allein in der "strategische Beratung für öffentlichkeitsrelevante Fragen und Aufgabenstellungen" seiner Kunden bestehe. Zu den Details der Geschäfte mag er nichts sagen: "Über Verträge mit unseren Klienten geben wir öffentlich selbstverständlich keinerlei Stellungnahme ab", erklärt Maurischat.
Sein Unternehmen hilft auch dann, wenn anderswo unangenehme Berichte erscheinen, etwa im Fall der Erneuerbare Energie Versorgung AG (EEV). Das Unternehmen aus Göttingen hat bislang von Anlegern 21 Millionen Euro eingesammelt, um in ein Biomasseheizkraftwerk und einen Offshore-Windpark zu investieren. Es gibt nur einen Makel: Das Windpark-Areal in der Nordsee liegt mitten in einem Übungsgebiet der Bundeswehr. Die Marine schießt dort mit scharfer Munition. Ob der Windpark dort jemals gebaut werden darf, ist völlig unklar.
Teil der Beratung: Verunglimpfung der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung
Bei der EEV weiß man davon seit 2012 und hat das Projekt in einem internen Schreiben als "im Grunde genommen wertlos" bezeichnet. Die Anleger wurden darüber jedoch nicht aufgeklärt. Jens Heitmann, ein Journalist der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ), berichtete über die Probleme zuerst.
Aufgrund der negativen Veröffentlichungen habe sich Gomopa bei der EEV gemeldet, erklärt ein Anwalt des Unternehmens. Anschließend bot die EEV "Gomopa an, sämtliche Unterlagen einsehen und alle beteiligten Personen befragen zu können. Schnell stellte sich heraus, dass der Umfang dieser Informationen, sowie daraus abzuleitende Tätigkeiten die 'normalen' Kapazitäten der Gomopa überstieg", sagt der Anwalt. Die EEV habe sich deshalb bereit erklärt, "einen Unternehmensberatungsvertrag mit Gomopa zu schließen und die anfallenden Kosten im Rahmen einer monatlichen Pauschale zu übernehmen." Zunächst waren es 1000 Euro pro Monat. "Die EEV wurde unseren Recherchen nach von ehemaligen Angestellten bestohlen und genötigt. Daher haben wir auf Bitten des Kunden die strategische Beratung für sämtliche öffentlichkeitsrelevanten Fragen und Aufgabenstellungen übernommen", sagt Maurischat dazu.
Was offenbar Teil einer "strategischen Beratung" sein kann, lässt sich auf der Gomopa-Webseite nachlesen: Dort erscheint am 5. September 2014 ein Artikel mit der Überschrift "Unterstützt HAZ-Redakteur Jens Heitmann eine vermutlich kriminelle Bande?" Heitmanns Quellen und Gesprächspartner werden im Text mit vollem Namen genannt und verunglimpft. Später tauchen Blogs im Internet auf, in denen diese Anschuldigungen wiederholt werden. Dazu sagt Heitmanns Chef, HAZ-Chefredakteur Hendrik Brandt: "Der Kern der ganzen Veranstaltung ist, nicht sachlich zu informieren, sondern harte, für die einzelnen Unternehmen möglicherweise auch schmerzhafte journalistische Recherche zu diskreditieren und schlichtweg mit Dreck zu schmeißen."
Am 15. September 2014 schreibt Maurischat der EEV per E-Mail: "Ihre Betreuung erweist sich als weitaus problematischer als ursprünglich angenommen. Durch unsere 'Gefechte' gegen die HAZ und ihren Chefjournalisten werden wir in 'Graben-kämpfe' mit hineingezogen, die wir nicht zu verantworten haben." Das Beratungshonorar steigt von 1000 auf 5000 Euro.
Die Rechnungen, die Gomopa ihren Kunden stellt, sind nicht sehr umfassend, meistens sind es nur ein paar Worte: "Strategic consulting, Research, Detection of irregularites in the financial market", heißt es oft. Eine Mehrwehrsteuer wird nicht ausgewiesen. Zwei Wochen haben die Kunden Zeit, das Geld auf ein Konto bei der Bank of America zu transferieren. Sind sie einmal spät dran, kann Maurischat sehr unangenehm werden.
In einer E-Mail, die SZ und NDR vorliegt, schreibt er am 4. Februar 2015 unter dem Betreff: "Noch immer kein Zahlungseingang!" an einen PR-Berater, der die Firma Proven Canadian Oil (POC) betreut: "Wenn ich jetzt schreibe, dass Abzocker eben Abzocker bleiben, dann wäre das doch nicht verwunderlich. Für solche Fälle habe ich einen 'Spezialkontakt', wenn ich den zum Einsatz bringe, wird Frau Galba ( Anm d. Red: die POC-Geschäftsführerin) und alles, was um POC herum ist, ihr Verhalten bitter bereuen. Das soll keine Drohung sein, sondern nur ein Rat für die Zukunft, den ich über Sie an Frau Galba sende." 10 000 Euro muss POC laut Verträgen monatlich an Gomopa zahlen. Maurischat dementiert, "dass diese Mail eine derartige Formulierung enthält".
Offizieller Sitz in New York
Wer versucht, gegen Maurischats Unternehmen juristisch vorzugehen, hat oft Schwierigkeiten. Denn offiziell sitzt Gomopa in der Madison Avenue in Manhattan, nur ein paar Blocks vom Central Park entfernt. Ruft man dort an, meldet sich eine Telefonistin, die mitteilt, dass niemand zu sprechen sei. Sie diktiert dann die E-Mail-Adresse von Gomopa. Es handelt sich den Unterlagen zufolge um den Büroservice der Firma Alton North America Inc. 160 Dollar kostet der Dienst Gomopa im Monat. Die Post wird regelmäßig nach Deutschland geschickt.
Gomopa habe ganz bewusst seinen Firmensitz in New York gewählt, sagt Maurischat: "Aufgrund einer Gesetzeslage, die unsere Unabhängigkeit jedenfalls teilweise einschränkt, bevorzugen wir es, mit einer ausländischen Unternehmung zu agieren."
Trotzdem hat Gomopa einige Urteile in Deutschland kassiert. Der Grund: Es existiert noch eine Gomopa GmbH. Offiziell hat sie mit der amerikanischen Gesellschaft nichts zu tun. Anfang Januar 2015 lässt Maurischat dennoch seine Sekretärin eine E-Mail versenden, sie geht an alle Gomopa-Teilhaber, die eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet haben. Die Gomopa GmbH befinde sich seit dem 1. Januar 2015 in Auflösung, schreibt er. "Die Gesellschaft ist weder überschuldet noch von der Bonität her angeschlagen", lässt Maurischat die Teilhaber wissen. "Der einzige Grund für unser Handeln ist darin zu suchen, dass wir keine zustellfähige Adresse für die Goldman Morgenstern & Partners LLC mehr in Deutschland möchten."