Gothaer:Versicherer will bei Hacker-Angriff zahlen

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Den Hauptversicherer von Tesla-Autos in Deutschland, Gothaer, beunruhigen Hacker-Angriffe auf das Auto nicht. Das viel gravierendere Problem für den Versicherer seien die Niedrigzinsen.

Von Herbert Fromme und Jonas Tauber, Köln

Gothaer-Vorstand Thomas Leicht sieht die Sache gelassen. "Wenn durch einen Hackerangriff ein Unfall mit einem autonom oder halbautonom fahrenden Auto passiert, zahlen wir als Versicherer selbstverständlich", sagt er. "Wir würden dann prüfen, ob der Hersteller Fehler bei der Software oder beim Sicherheitsstandard gemacht hat und ihn gegebenenfalls in Regress nehmen."

Bislang ist das der Gothaer bei den von ihr versicherten Fahrzeugen noch nicht passiert - aber dennoch hat sich Leicht intensiv mit der Frage befasst. Denn sein Unternehmen ist in Deutschland der Haupt-Versicherer des US-Elektrofahrzeugherstellers Tesla. Wenn Tesla einen Neuwagen verkauft, bietet der Hersteller gleich die Gothaer-Police mit an.

Teslas Fahrassistenzprogramm "Autopilot" ist in diesem Jahr nach einer Reihe von Unfällen heftig in die Kritik geraten. Ende November sorgten norwegische Sicherheitsspezialisten für Schlagzeilen, als sie mit Hilfe einer App einen Tesla unter Kontrolle brachten, den Wagen öffneten und sogar starteten. Die Experten der Firma Promon brachten den Fahrer über das Angebot eines kostenlosen Hamburgers dazu, eine Phishing-Mail zu öffnen, während sein Wagen an einer Schnellladestation stand. "Nach unserer Einschätzung braucht man kaum technologische Expertise, um das zu machen", sagt Lars Birkeland von Promon. Weitere Einzelheiten zu dem Angriff will Birkeland nicht nennen. "Wir haben entschieden, Stillschweigen darüber zu bewahren, welche Hilfsmittel wir eingesetzt haben."

Das gilt allerdings nicht für die Gespräche mit Tesla. Denn Promon hat den Hersteller von dem Hack in Kenntnis gesetzt und Vorschläge zur Verbesserung der Sicherheit gemacht, berichtet Birkeland. "Das Unternehmen hört bei Dingen wie diesen sehr genau zu."

Für Gothaer-Chef Karsten Eichmann handelt es sich nicht um ein grundsätzliches Tesla-Problem. "Ich habe schon erlebt, dass ein BMW per Fernwartung vom Service in München geöffnet wurde", sagt er. Moderne Fahrzeuge seien von außen steuerbar und damit prinzipiell anfällig für solche Angriffe, die Hersteller müssten entsprechend die Sicherheitssysteme ständig verbessern. Dass dennoch in Deutschland gerade Tesla immer wieder angegriffen wird, hängt nach Ansicht Eichmanns auch damit zusammen, dass hierzulande große Konkurrenten des US-Newcomers beheimatet sind. Das große Geschäft hat Tesla der Gothaer nicht gebracht. "Wir haben rund 600 Verträge", sagt Vorstand Leicht. Ihre Zahl nehme deutlich ab, weil die Gothaer gerade die Preise für Tesla-Fahrer spürbar erhöht hat. "Das hängt mit der Risikosituation bei Elektroautos zusammen."

Eigentlich lieben Versicherer Verträge mit Kfz-Herstellern - Marktführer Allianz arbeitet erfolgreich mit einer ganzen Reihe von Autobauern und Importeuren zusammen. Bei der Gothaer hat man den Eindruck, dass der Konzern auf die Vereinbarung mit Tesla - der einzigen Herstellerkooperation des Versicherers - auch ohne große Schmerzen verzichten könnte.

Hacker-Angriffe sind schlimm. Der Niedrigzins ist schlimmer

Dass der mit 4,4 Milliarden Euro Umsatz mittelgroße Versicherer überhaupt zu dem Vertrag kam, liegt an einer internationalen Kooperation der Kölner. Sie hat sich mit sieben Gesellschaften zur "European Alliance Partners Company" oder Eurapco mit Sitz in der Schweiz zusammen geschlossen. Die Mitglieder kommen aus Frankreich, Italien, Finnland, Spanien, den Niederlanden, der Schweiz und Schweden.

Die Vereinbarung mit Tesla hatte ursprünglich der Eurapco-Partner Achmea aus den Niederlanden abgeschlossen, in ihren Märkten übernahmen andere Mitglieder des Verbundes die Versicherung.

Für Eichmann und seine Vorstandskollegen stehen die Angriffe gegen Tesla ziemlich weit unten auf ihrer Prioritätenliste. Sie müssen sich vor allem mit den Niedrigzinsen herumschlagen, die gerade in der Lebensversicherung für Probleme sorgen. Das Wachstum erwarten sie auch nicht in der Autoversicherung, ob mit oder ohne Tesla, sondern in Spezialsegmenten. Dazu gehört die Versicherung von Windenergieanlagen, bei der sich die Gothaer als Pionier sieht, ebenso wie die betriebliche Krankenversicherung, bei der Arbeitgeber für Mitarbeiter günstige Gruppentarife für Zusatzversicherungen abschließen.

Das Hacker-Problem beschäftigt die Gothaer auch außerhalb der Tesla-Deckung. Ab Januar will das Unternehmen eine Cyber-Police gegen Angriffe auf die IT-Systeme von Unternehmen anbieten. Dabei handelt es sich vor allem um Mittelständler, der Kernkundschaft des Unternehmens. Der Autohersteller Tesla dürfte kaum zu den Abnehmern gehören.

© SZ vom 14.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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