Google:Wir wissen, wo du bist

Google: Insbesondere Smartphones wissen heute fast alles über ihre Nutzer – und werden so zu riesigen Datensammlern.

Insbesondere Smartphones wissen heute fast alles über ihre Nutzer – und werden so zu riesigen Datensammlern.

(Foto: Rob Hampson/Unsplash)

Der amerikanische Internetkonzern erfasst Ortsdaten der Nutzer auch dann, wenn diese die Funktion am Handy ausgeschaltet haben - es gibt aber Abhilfe.

Von Simon Hurtz

In seinem Buch "Per Anhalter durch die Galaxis" beschreibt Douglas Adams, wie geschickt manche Informationen versteckt werden: "Aber die Pläne lagen aus ..." - "Lagen aus? Ich musste in den Keller runter, um sie zu finden." - "Da werden sie immer ausgelegt." - "Mit einer Taschenlampe." - "Ah, das Licht war wohl kaputt." - "Die Treppe auch." - "Aber die Bekanntmachung haben Sie doch gefunden, oder?" - "Jaja, das habe ich. Ganz unten, in einem verschlossenen Aktenschrank, in einem unbenutzten Klo, an dessen Tür stand: Vorsicht, bissiger Leopard!"

Ähnlich unzureichend wie bei Adams klärt auch Google seine Nutzer auf. Zu diesem Schluss kommt zumindest die Nachrichtenagentur AP: "Google verfolgt Ihre Bewegungen, ob Sie es wollen oder nicht", steht über der Recherche. Das Unternehmen wolle unbedingt wissen, wo sich Nutzer aufhielten, und zeichne deren Standort sogar dann auf, wenn sie es explizit untersagen, schreibt Ryan Nakashima.

Das klingt bedrohlich und ist faktisch korrekt. Tatsächlich sollte Google klarer informieren, wann und wie welche Daten gesammelt und gespeichert werden. Betroffen sind mehr als zwei Milliarden Menschen, die Android-Smartphones oder iPhones mit Google-Diensten verwenden. Auch wenn das Unternehmen Nutzer vielleicht nicht vorsätzlich in die Irre führt, zeigt der Bericht, wie Google Bewegungsprofile seiner Nutzer erstellt. Die meisten dürften davon nichts wissen.

Was genau wird Google vorgeworfen?

Wenn Nutzer den sogenannten Standortverlauf in ihren Einstellungen deaktivieren, sammelt Google trotzdem weiter Bewegungsdaten. Das geschieht etwa, wenn sich der Wetterbericht automatisch aktualisiert, Nutzer Google Maps öffnen oder eine Suchanfrage eingeben. IT-Sicherheitsforscher der Universität Princeton haben den Bericht bestätigt.

Was genau ist der Standortverlauf?

Google selbst beschreibt es so: "Die Orte, die Sie mit Ihren Geräten aufsuchen, werden gespeichert, damit Sie etwa auf personalisierte Karten oder Empfehlungen auf der Grundlage der besuchten Orte zurückgreifen können." So entsteht ein Bewegungsprotokoll, das nur dann Lücken aufweist, wenn man sein Smartphone ausschaltet oder zu Hause lässt. Google-Nutzer können die eigene Zeitachse betrachten und genau rekonstruieren, wo sie vor zwei Jahren Silvester gefeiert oder welche Orte sie in ihrem letzten Urlaub besucht haben.

Wo werden die Daten gespeichert, wenn Nutzer den Standortverlauf abschalten?

Die Daten landen in den Web- und App-Aktivitäten des Google-Kontos. Im Gegensatz zum Standortverlauf sind diese standardmäßig aktiviert. Google schreibt: "Ihre Aktivitäten auf Websites und in Apps von Google werden gespeichert, um Ihre Suchvorgänge zu beschleunigen, Empfehlungen zu optimieren und die Nutzung von Maps, der Google-Suche und anderen Google-Diensten zu personalisieren." Aus dieser Beschreibung geht nicht eindeutig hervor, dass Bewegungsdaten im Google-Konto gespeichert werden, auch wenn Nutzer den Standortverlauf explizit abschalten.

Wann und wie informiert Google?

Das Problem ist nicht, dass Google überhaupt Bewegungsdaten erfasst. Kritikwürdig ist vielmehr, dass das Unternehmen die meisten Nutzer im Unklaren darüber lässt, bei welchen Aktivitäten der Standort aufgezeichnet und dauerhaft gespeichert wird. Nur wer die standardmäßig aktiven Web- und App-Aktivitäten erst ab- und dann wieder einschaltet, dem wird dieser Hinweis angezeigt: "In den Web- und App-Aktivitäten werden Ihre Aktivitäten auf Google-Websites sowie in Apps und Diensten von Google gespeichert, einschließlich Suchvorgängen, Interaktionen mit Google-Partnern sowie zugehöriger Informationen wie Standort und Sprache." Daraus könnten Nutzer schließen, dass unabhängig vom Standortverlauf Bewegungsdaten aufgezeichnet werden. Transparenz sieht anders aus. Noch verwirrender ist Googles eigene Hilfeseite: "Wenn Sie den Standortverlauf deaktivieren, werden die von Ihnen besuchten Orte nicht mehr gespeichert." Das ist falsch. Der Standortverlauf ist lediglich weniger detailliert, weil nicht ununterbrochen Bewegungsdaten gesendet werden, sondern nur dann, wenn Nutzer Google-Dienste aufrufen oder diese im Hintergrund aktiv werden.

Wofür nutzt Google die Standortdaten?

Manche Nutzer empfinden es als hilfreich, dass Google ihre Bewegungsdaten speichert. Sie erhalten Empfehlungen für Restaurants in der Nähe oder werden daran erinnert, wo sie ihr Auto geparkt haben. Google nutzt die Informationen aber auch für personalisierte Anzeigen. Wer die Web- und App-Aktivitäten aktiviert, erfährt: "Anhand dieser Daten können wir die Nutzung von Google-Diensten personalisieren, z. B. durch schnellere Suchvorgänge, bessere Empfehlungen und nützliche Werbung, ob bei Google oder anderswo."

Unternehmen können ihre Anzeigen zum Beispiel auf bestimmte Standorte beschränken. Ihre Anzeigen werden dann an Geräte ausgeliefert, die sich in einem bestimmten Radius befinden. Das Bewegungsprofil selbst verkauft Google aber nicht, schließlich sind Daten der größte Schatz, den das Unternehmen besitzt.

Lässt sich das Tracking deaktivieren?

Ja, indem man die Web- und App-Aktivitäten abschaltet. Die Einstellung ist in den Account-Einstellungen versteckt: "Google > Google-Konto > Daten und Personalisierung > Web- und App-Aktivitäten". Damit wird die Aufzeichnung jedoch nur pausiert. Um bereits gespeicherte Daten zu löschen, müssen Nutzer die Unterseite "Meine Aktivitäten" aufrufen und in der linken Spalte auf "Aktivitäten löschen nach" klicken oder tippen.

Dieser Vorgang ist aber nicht zu verwechseln mit dem Menüeintrag "Standort" unter "Sicherheit und Standort" in den Einstellungen von Android-Smartphones. Dieser bezieht sich ausschließlich auf das jeweilige Gerät, nicht auf das Google-Konto. Dort können Nutzer verhindern, dass ihr Handy Bewegungsdaten sendet, und einzelnen Apps den Zugriff auf diese Daten entziehen. Google sammelt aber auch danach noch Bewegungsdaten. Sinnvoller ist also, die Protokollierung in den Web- und App-Aktivitäten abzuschalten.

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