EU-Wettbewerbskommission:Die Strafen gegen Google wirken

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Das bunte Android-Männchen sieht nett aus - und lässt oft vergessen, dass das Google-Betriebssystem in der weltweiten mobilen Kommunikation eine enorm starke Macht ist. (Foto: Britta Pedersen/dpa)
  • Google muss eine Strafe von 1,49 Milliarden Euro zahlen. Das ist schon die dritte vergleichbare Strafe für den Konzern.
  • Das Unternehmen benachteilige bei der Online-Werbung Konkurrenten, begründet die EU-Wettbewerbskommission ihre Entscheidung.
  • Die Strafen würden wirken, sagt EU-Wettbewerbskommissarin Vestager. So dürfen Nutzer zum Beispiel wohl bald wählen, welche Suche und welchen Browser sie verwenden.

Von Helmut Martin-Jung

Margrethe Vestager redet nicht um den Brei herum. Entschlossen betritt die EU-Wettbewerbskommissarin den großen Pressesaal im Brüsseler Berlaymont-Gebäude, dem Sitz der EU-Kommission, um die nächste Milliardenstrafe gegen den Internetkonzern Google zu verkünden. 1,49 Milliarden Euro muss das Unternehmen aus dem Silicon Valley zahlen, weil es nach Ansicht der Kommission Wettbewerber in seinem einträglichsten Geschäft benachteiligt hat: in der Online-Werbung.

Im Detail geht es um Googles Produkt Adsense. Betreiber von Webseiten stellen Google dabei Plätze zur Verfügung, auf denen Werbung platziert werden kann. Falls Nutzer über eine Google-Suche auf eine solche Seite kommen, liefert Google an diese Plätze von seinen Servern Anzeigen aus, die mit den gesuchten Begriffen zu tun haben. Wer etwa nach Fahrrädern sucht, wird auch entsprechende Anzeigen vorfinden.

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Google ist der größte Vermittler solcher Anzeigen, in der EU beträgt der Marktanteil des Suchmaschinenkonzerns auf diesem Gebiet etwa 70 Prozent, bei der Suche sind es sogar um die 90 Prozent. Für Mitbewerber bestehe daher eine hohe Eintrittshürde, so die EU-Kommission. Damit aber nicht genug: In verschiedenen Klauseln habe der US-Konzern seinen Adsense-Kunden anfangs untersagt, neben denen von Google auch Anzeigen von Mitbewerbern auf ihren Seiten anzuzeigen, später verlangte er von den Kunden stattdessen, dass diese schriftlich um Erlaubnis fragen mussten, wenn sie Anzeigen von Google-Konkurrenten aufnehmen wollten.

"Diese Klauseln", sagt Vestager, "gab es nur, um die Konkurrenz draußen zu halten." Es handle sich um einen ernsthaften und fortgesetzten Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln der EU, so die Kommissarin. Zehn Jahre lang, von 2006 bis 2016, habe Google Konkurrenten benachteiligt. Erst als die Kommission diese Praxis monierte, nahm Google die Klauseln 2016 aus seinen Vertragsbedingungen. Die Strafe für die Verstöße in der Vergangenheit muss der Konzern aber dennoch zahlen.

Es ist nicht die erste Strafe für den US-Konzern. 2017 verhängte die Kommission eine Geldbuße in Höhe von 2,42 Milliarden Euro wegen des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung von Googles Suchmaschine. Dabei ging es darum, dass Google Anbieter von Preisvergleichsdiensten gegenüber seinem eigenen Vergleichsdienst benachteiligte.

2018 brummte die Kommission Google eine weitere Geldbuße in Höhe von 4,34 Milliarden Euro auf. Der Grund dieses Mal: illegale Praktiken bei Googles Betriebssystem für Mobilgeräte, Android. Geräteherstellern und Mobilfunkanbietern, die Googles App-Datenbank Playstore nutzen wollten, schrieb der Konzern vor, dass sie dann auch Googles Browser Chrome und die Google-Suche auf ihren Geräten installieren müssten. Google, so Wettbewerbskommissarin Vestager, habe auch die Entwicklung alternativer Betriebssysteme behindert, in dem es Herstellern untersagt, andere Betriebssysteme zu verwenden, wenn sie den Playstore integrieren wollten. Der Playstore ist das größte und wichtigste Angebot für Android-Apps, vergleichbar mit Apples App-Store.

In allen drei Fällen sei es der Kommission nicht etwa darum gegangen, einen weltweit dominierenden US-Konzern über das Mittel des Wettbewerbsrechts in seinem Geschäft auszubremsen. Sondern es ging vielmehr darum, den Konsumenten eine Wahlmöglichkeit zu geben: "Der Markt soll den Verbrauchern dienen, nicht umgekehrt", sagt Vestager. Dass der Einsatz nicht nur gegen US-Konzerne gerichtet sei, zeigten auch die vielen anderen Fälle, in denen die EU gegen europäische Unternehmen vorgegangen sei. "Jeder ist herzlich willkommen, hier Geschäfte zu machen", sagt Vestager, "er muss sich nur an die Regeln halten."

Das Bußgeld muss Google nach einer Frist von einigen Wochen bezahlen, unabhängig von einer späteren Gerichtsentscheidung. Es fließt in den EU-Haushalt ein und mindert die Beiträge, die die Mitgliedsländer an die EU zahlen müssen. Die Verfahren würden aber nicht angestrengt, um die Kasse der EU zu füllen, betont die Kommissarin.

Vestager verwies auch darauf, was die beiden vorangegangenen Wettbewerbsverfahren gegen Google bislang gebracht hätten. Im ersten Fall - der Benachteiligung von konkurrierenden Preisvergleichsseiten - habe sich bereits einiges bewegt, so die Kommissarin: "Statt wie früher sechs Prozent der Klicks landen nun 40 Prozent der Klicks auf Preisvergleichsseiten bei Konkurrenten von Google." Die Nutzer könnten nun außerdem wählen, ob sie als Ergebnis einer Suche Preisvergleichsseiten besuchen wollen oder normale Webseiten. "Wir sehen eine positive Entwicklung", resümierte die Dänin, "aber wir werden das weiter beobachten." Vestager hat auch zwei Berater engagiert, ihre Ergebnisse sollen in Kürze vorliegen.

Eine so hohe Strafe tut selbst Google weh

Im Android-Fall, der erst im vergangenen Jahr entschieden wurde, hat Google zugesagt, den Nutzern künftig eine Wahlmöglichkeit einzuräumen, welchen Browser und welche Suche sie verwenden wollen. Wie Google das genau umsetzt, will sich Vestager genau ansehen.

Die Gesamthöhe der Geldbußen der EU gegen Google beläuft sich inzwischen auf 8,25 Milliarden Euro. Das tut auch einem äußerst erfolgreichen Konzern wie Google weh, in existenzielle Nöte bringt es ihn allerdings nicht. Die Summe entspricht ziemlich genau dem Gewinn, den das Unternehmen für das vierte Quartal 2018 ausgewiesen hat. Entsprechend gelassen sehen das auch die Anleger: Der Börsenkurs gab nach Bekanntwerden der EU-Entscheidung nicht etwa nach, sondern stieg an.

Google teilte mit, man sei "auf die Einwände der Kommission eingegangen" und habe "bereits eine Vielzahl an Produktänderungen" vorgenommen. "In den kommenden Monaten werden wir weitere Updates machen, um Wettbewerbern in Europa mehr Sichtbarkeit einzuräumen." Die EU-Kommission, das darf man annehmen, wird ein Auge darauf haben.

© SZ vom 21.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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