Süddeutsche Zeitung

Fotos und Videos:Warum Google den Gratis-Speicher drastisch beschränkt

Vom 1. Juni an werden Fotos und Videos auf das Kontingent des Google-Kontos angerechnet. Was passiert mit alten Aufnahmen? Welche Alternativen gibt es? Die wichtigsten Antworten.

Von Simon Hurtz, Berlin

Im vergangenen Monat sind zwei Fristen ausgelaufen, die Hunderte Millionen Menschen betreffen. Seit Mitte Mai gelten für Whatsapp neue Nutzungsbedingungen. Die Aufregung nahm teils hysterische Züge an, doch zumindest konnte man sicher sein, dass alle Betroffenen Bescheid wissen. Das zweite Ultimatum hat bislang kaum Proteste ausgelöst, obwohl deutlich mehr Menschen die Auswirkungen spüren werden. Von Juni an streicht Google den Gratis-Speicherplatz für Fotos drastisch zusammen. Viele Nutzerinnen und Nutzer werden sich entscheiden müssen: löschen, zahlen oder wechseln. Die wichtigsten Antworten im Überblick:

Was ändert sich am 1. Juni?

Vor sechs Jahren startete Google Fotos mit einem Versprechen: "Mit Google Fotos könnt ihr jetzt kostenlos beliebig viele Fotos und Videos in hoher Auflösung sichern und aufbewahren." Nun hat es sich Google anders überlegt. Künftig zählen sämtliche Inhalte beim Kontingent von 15 Gigabyte mit, das für jedes Google-Konto gilt. Bislang traf das nur auf Fotos und Videos in "Originalqualität" zu. Die Standardeinstellung "hohe Qualität" komprimierte geringfügig und verhieß dafür unbegrenzten Gratis-Speicher. Die etwas verwirrende Bezeichnung soll bald geändert werden, auf Englisch heißt die Option dann "Storage saver".

Was passiert mit gespeicherten Fotos und Videos?

Gar nichts. Alle Inhalte, die bis zum 30. Mai um 23:59 Uhr hochgeladen werden, werden nicht auf das Limit angerechnet. Wer große Fotosammlungen speichern will, hätte sich also beeilen müssen. So richtig lohnt sich das aber nur für Handyfotos, professionelle Aufnahmen werden zu stark komprimiert. Hobbyfotografen besitzen aber wohl ohnehin mehrere Festplatten oder andere Cloud-Speicher, um ihre Bilder zu sichern.

Und wenn der Speicherplatz ausgeschöpft ist?

Google fängt nicht sofort an, Fotos und Videos zu löschen. Allerdings kann man keine neuen Dateien mehr hochladen - und auch keine E-Mails mehr empfangen, weil das Kontingent von 15 GB auch für Gmail und Dokumente im Google Drive gilt. Diese Obergrenze gab es schon immer, nur kommen jetzt eben noch die Fotos dazu. "Wenn Sie Ihr Kontingent 24 Monate lang überschritten haben, kann das Auswirkungen auf Ihre Inhalte haben", schreibt Google. Anders ausgedrückt: Nach zwei Jahren wird womöglich gelöscht.

Was gilt für Pixel-Smartphones?

Ein Jahr nach dem Start von Google Fotos brachte Google das erste Pixel-Handy auf den Markt und setzte noch einen drauf: Fotografiert man mit einem Pixel, kann man beliebig viele Bilder in Originalqualität speichern. Doch mit jedem Nachfolger schrumpften die Vorteile, das kommende Pixel 6 wird gar keinen zusätzlichen Speicherplatz mehr bieten. Wer eine der ersten fünf Generationen besitzt, muss sich aber keine Gedanken über den 1. Juni machen: In reduzierter Qualität lassen sich weiter unbegrenzt Bilder und Videos hochladen. Man könnte sich auch ein Pixel 1 kaufen, um darüber Fotos in die Cloud zu schaufeln, die man mit einem moderneren Handy schießt. Das setzt aber technisches Verständnis und Spaß am Basteln voraus.

Warum macht Google das?

Für den Strategiewechsel gibt es zwei Gründe. Einen davon deutet Google in mehreren Blogeinträgen selbst an. Mehr als eine Milliarde Menschen haben mehr als vier Billionen Fotos hochgeladen. Zählt man Gmail und den Google Drive dazu, wächst die Datenmenge täglich um 4,3 Millionen GB- das entspricht etwa der Kapazität von 50 000 Smartphones. Diese Zahlen illustrieren, dass Speicherplatz endlich ist. "Cloud" ist schließlich nur ein wolkiges Wort für eine fremde Festplatte. Und Google muss nicht nur die Datenberge seiner Nutzerinnen und Nutzer speichern, sondern vermietet seine Cloud auch an Unternehmenskunden, indexiert für seine Suchmaschine Hunderte Milliarden Websites und betreibt mit Youtube einen der größten Speicherfresser des Internets.

Auch der zweite Grund hat viele Nullen: Es geht ums Geld. Google will nicht nur Anzeigen verkaufen, sondern auch das Abonnement für Google One. Für zwei Euro pro Monat lässt sich der Speicherplatz auf 100 GB erweitern, den man mit Familienmitgliedern teilen kann. Wer teurere Abos für mehr Speicherplatz abschließt, bekommt bis zu zehn Prozent Rabatt im Google Store und ein VPN, um sicherer und privater zu surfen. Der VPN-Dienst ist bislang nur in den USA verfügbar, soll aber auch in Deutschland starten.

Welche Alternativen gibt es zum Abo?

Bevor man anfängt zu zahlen, lohnt es sich zu entrümpeln. Alte Fotos zu löschen sowie unnötige Dokumente und E-Mails mit großen Anhängen zu entfernen, kann eine Menge Platz schaffen. Auch das automatische Back-up von Instagram-Bildern, Whatsapp-Videos, Screenshots und anderen Ordnern auf dem Smartphone frisst Platz. Diese Funktion lässt sich in Googles Foto-App deaktivieren. Dort rechnet Google auch vor, wie lang der Speicher noch reicht, und bietet ein praktisches Werkzeug, um etwa verwackelte Fotos schnell auszusortieren.

Natürlich kann man auch auf einen eigenen kleinen Speicherserver (NAS) oder zur Konkurrenz wechseln. Amazon, Microsoft, Apple und Dropbox vermieten ebenfalls Cloud-Speicher. Wenn man ohnehin für Amazon Prime oder Microsoft 365 zahlt, kann es sich lohnen, da der Speicherplatz im Abo enthalten ist. Im Google-Konto kann man über die Funktion Google Takeout alle Daten exportieren und mit den Fotos umziehen. Wenn es um Foto-Verwaltung und Bearbeitung geht, kann allerdings keine der anderen Apps mit Google Fotos mithalten.

Wann verlangt Google Geld für Gmail und Docs?

55 Milliarden Dollar Umsatz, 18 Milliarden Dollar Gewinn - allein in den ersten drei Monaten des Jahres. Bislang funktioniert Googles werbebasiertes Geschäftsmodell prächtig. Gratis-Dienste wie die Suche, Youtube und Gmail sind dafür wichtig, weil Google dort Anzeigen ausspielt und Daten sammelt. Es ist unwahrscheinlich, dass diese Angebote komplett verschwinden werden. Es kann aber gut sein, dass Google bestimmte Dienste einschränkt oder neben Youtube Premium und Google One weitere kostenpflichtige Abos einführt. Das große Gratis-Versprechen von Google Fotos hat auch nur sechs Jahre gehalten.

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