Google auf dem Smartphone-Markt:Ein Internetriese stellt sich selbst ein Bein

Google zahlt Milliarden für Motorola Mobility. Dokumente zeigen jetzt, dass der Onlinekonzern es bei dem Deal eilig gehabt haben muss und nun einen sehr hohen Preis dafür zahlt. Sie belegen aber auch, dass sich die Motorola-Rivalen ernsthaft Sorgen machen müssen.

Katharina Heckendorf

Die Branche war verblüfft, als Google den Motorola-Deal ankündigte. Ganze 12,5 Millarden Dollar blättert Google für die verlustreiche Handy-Sparte des Konzerns hin. Jetzt gibt ein Dokument Einblicke in die Verhandlungen: Demnach wollte Google anfänglich rund drei Milliarden Dollar weniger zahlen. Doch Motorola feilschte erfolgreich, zumindest behauptet das Management dies. Google äußerte sich nicht dazu.

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Googlorola - So wird die neue Partnerschaft zwischen Google und Motorola verniedlichend genannt.

(Foto: AFP)

Nach Motorolas Version der Geschichte lotete Google-Manager Andrew Rubin Anfang Juli aus, ob Motorola Patente verkaufen wolle. Je mehr Patente ein Unternehmen hat, desto geringer ist die Gefahr, wegen der Verletzung von geschützten Ideen von einem Rivalen verklagt zu werden. Besonders auf dem Smartphone-Markt dienen Patente den Herstellern als strategische Waffen gegen die Konkurrenz.

Motorola besitzt als Urgestein der Branche rund 17.000 Patente und 7500 Patentanträge sowie eine Entwicklungsabteilung, die fortlaufend Ideen produziert. Google mit seinem Smartphone-Betriebssystem Android ist dagegen ein Neuling in der Branche und somit gegen Vorwürfe, das geistige Eigentum anderer zu verletzen, schlecht gewappnet.

Motorola-Chef Sanjay Jha lehnte darum den Verkauf von Patenten ab - dann hätte ja Motorola sein bestes Pfund aus der Hand gegeben. Stattdessen reifte bei Motorola die Idee, dass Google die Handysparte des Konzerns komplett schlucken könnte.

Am 1. August bot Google dann tatsächlich 30 Dollar pro Aktie. Doch das Motorola-Management lehnte die Summe als viel zu niedrig ab und verlangte 43,50 Dollar. Google bot am 9. August 37 Dollar, Motorola verlangte 40,50 Dollar. Noch am gleichen Tage erhöhte Google auf 40 Dollar - und das Feilschen hatte ein Ende. Der Verwaltungsrat von Motorola willigte ein.

Doch warum ließ sich Google so schnell darauf ein, wo doch schon das erste Angebot über dem Börsenkurs lag und auch kein rivalisierender Bieter auszumachen war? Der deutsche Patentexperte Florian Müller glaubt, die Antwort zu kennen: Hätte Google nicht zugeschlagen, schreibt er in seinem Blog, hätte die Gefahr bestanden, dass Motorola zu Microsoft und dem Windows Phone umgeschwenkt wäre - ein schwerer Rückschlag für das "Ökosystem Android".

Mit dem Motorola-Geschäft hat sich Google womöglich selbst geschadet - nicht nur beim Preis: Andere Hersteller wie HTC oder Samsung werden misstrauisch. Als Google das System vor drei Jahren auf den Markt brachte, sollte es für alle Hersteller frei und gleichberechtigt verfügbar sein.

Wurden wirklich alle gleichrangig behandelt? In einem anderen Prozess um Patente ist ein Dokument aufgetaucht, das für Motorolas Konkurrenz höchst bedeutsam ist. Aus ihm geht hervor, dass Google gewillt war, Motorola zu bevorzugen. Demnach hatte Google seinen Entwicklern geraten, dem Konzern bei den Softwareupdates einen Zeitvorsprung zu gewähren. Den Hersteller einige Monate früher über die Neuerungen im System zu informieren, bedeutet, dass er seine Smartphones schneller anpassen kann. Womöglich schneller als die Konkurrenz - das würde den Wettbewerb verzerren. Von wann das Dokument ist, lässt sich nicht genau sagen. Das Fazit bleibt dasselbe: Google behandelt die Partner aus der Android-Familie offenbar nicht gleich, obwohl der Konzern das immer vorgab.

Direkte Reaktionen der Konkurrenz auf das Dokument gab es nicht. Doch einige Smartphone-Hersteller aus dem Android-Kosmos wappnen sich für die Tatsachen, die jetzt Google geschaffen hat. Der Handyhersteller Samsung baut sein eigenes Betriebssystem Bada weiter aus und auch bei HTC soll ein neues OS getestet werden - sicherheitshalber. "Ich denke, dass jegliche Beteuerungen von Google, gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, ein für alle mal unglaubwürdig sind", sagt Müller zu süddeutsche.de. Letztlich stünde Google als Verlierer da, wenn es die Unterstützung von anderen Herstellern verliert. Die Strategie, einigen Unternehmen Vorteile zu verschaffen und "nach Gutsherrenart" zu entscheiden, wer im Markt an der Spitze stehe, sei auf Dauer nicht tragbar.

Google will die Übernahme von Motorola Mobility bis spätestens Anfang 2012 über die Bühne bringen. Bis dahin müssen noch die Wettbewerbshüter und die Motorola-Aktionäre zustimmen. Im Extremfall könnte der Aufkauf sogar scheitern: Etwa, wenn die Kartellbehörden den Verdacht bekommen, dass sich der Wettbewerb künftig verzerren würde.

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